Libretto: Siegfried

von Richard Wagner


Personen:
SIEGFRIED (Tenor)
MIME (Tenor)
DER WANDERER (Bariton)
ALBERICH (Bariton)
FAFNER (Bass)
ERDA (Alt)
BRÜNNHILDE (Sopran)
Die STIMME DES WALDVOGELS (Sopran)



ERSTER AUFZUG

Wald. Den Vordergrund bildet ein Teil einer Felsenhöhle, die sich links tiefer nach innen zieht, nach rechts aber gegen drei Vierteile der Bühne einnimmt. Zwei natürlich gebildete Eingänge stehen dem Walde zu offen: der eine nach rechts, unmittelbar im Hintergrunde, der andere, breitere, ebenda seitwärts. An der Hinterwand, nach links zu, steht ein grosser Schmiedeherd, aus Felsstücken natürlich geformt; künstlich ist nur der grosse Blasebalg: die rohe Esse geht - ebenfalls natürlich - durch das Felsendach hinauf. Ein sehr grosser Amboss und andre Schmiedegerätschaften

VORSPIEL UND ERSTE SZENE
Mime, Siegfried

MIME
sitzt, als der Vorhang nach einem kurzen Orchestervorspiel aufgeht, am Ambosse und hämmert mit wachsender Unruhe an einem Schwerte: endlich hält er unmutig ein
Zwangvolle Plage! Müh' ohne Zweck!
Das beste Schwert, das je ich geschweisst,
in der Riesen Fäusten hielte es fest;
doch dem ich's geschmiedet,
der schmähliche Knabe,
er knickt und schmeisst es entzwei,
als schüf' ich Kindergeschmeid!
Mime wirft das Schwert unmutig auf den Amboss, stemmt die Arme ein und blickt sinnend zu Boden
Es gibt ein Schwert,
das er nicht zerschwänge:
Notungs Trümmer zertrotzt' er mir nicht,
könnt' ich die starken Stücke schweissen,
die meine Kunst nicht zu kitten weiss!
Könnt' ich's dem Kühnen schmieden,
meiner Schmach erlangt' ich da Lohn!
Er sinkt tiefer zurück und neigt sinnend das Haupt
Fafner, der wilde Wurm,
lagert im finstren Wald;
mit des furchtbaren Leibes Wucht
der Niblungen Hort hütet er dort.
Siegfrieds kindischer Kraft
erläge wohl Fafners Leib:
des Niblungen Ring erränge er mir.
Nur ein Schwert taugt zu der Tat;
nur Notung nützt meinem Neid,
wenn Siegfried sehrend ihn schwingt:
und ich kann's nicht schweissen,
Notung, das Schwert!
Er hat das Schwert wieder zurechtgelegt und hämmert in höchstem Unmut daran weiter
Zwangvolle Plage! Müh' ohne Zweck!
Das beste Schwert, das je ich geschweisst,
nie taugt es je zu der einzigen Tat!
Ich tappre und hämmre nur,
weil der Knabe es heischt:
er knickt und schmeisst es entzwei,
und schmäht doch, schmied' ich ihm nicht!
Er lässt den Hammer fallen

Siegfried, in wilder Waldkleidung, mit einem silbernen Horn an einer Kette, kommt mit jähem Ungestüm aus dem Walde herein; er hat einen grossen Bären mit einen Bastseile gezäumt und treibt diesen mit lustigem Übermute gegen Mime an

SIEGFRIED
Hoiho! Hoiho! Hau' ein! Hau' ein!
Friss ihn! Friss ihn! Den Fratzenschmied!
Er lacht unbändig

Mimen entsinkt vor Schreck das Schwert; er flüchtet hinter den Herd; Siegfried treibt ihm den Bären überall nach

MIME
Fort mit dem Tier!
Was taugt mir der Bär?

SIEGFRIED
Zu zwei komm ich,
dich besser zu zwicken:
Brauner, frag' nach dem Schwert!

MIME
He! Lass das Wild!
Dort liegt die Waffe:
fertig fegt' ich sie heut'.

SIEGFRIED
So fährst du heute noch heil!
Er löst dem Bären den Zaum und gibt ihm damit einen Schlag auf den Rücken
Lauf', Brauner!
Dich brauch' ich nicht mehr!

Der Bär läuft in den Wald zurück

MIME
kommt zitternd hinter dem Herde hervor
Wohl leid' ich's gern, erlegst du Bären:
was bringst du lebend die braunen heim?

SIEGFRIED
setzt sich, um sich vom Lachen zu erholen
Nach bessrem Gesellen sucht' ich,
als daheim mir einer sitzt;
im tiefen Walde mein Horn
liess ich hallend da ertönen:
ob sich froh mir gesellte ein guter Freund,
das frug ich mit dem Getön'!
Aus dem Busche kam ein Bär,
der hörte mir brummend zu;
er gefiel mir besser als du,
doch bessre fänd' ich wohl noch!
Mit dem zähen Baste zäumt' ich ihn da,
dich, Schelm, nach dem Schwerte zu fragen.
Er springt auf und geht auf den Amboss zu

MIME
nimmt das Schwert auf, um es Siegfried zu reichen
Ich schuf die Waffe scharf,
ihrer Schneide wirst du dich freun.

Er hält das Schwert ängstlich in der Hand fest, das Siegfried ihm heftig entwindet

SIEGFRIED
Was frommt seine helle Schneide,
ist der Stahl nicht hart und fest!
das Schwert mit der Hand prüfend
Hei! Was ist das für müss'ger Tand!
Den schwachen Stift nennst du ein Schwert?
Er zerschlägt es auf dem Amboss, dass die Stücken ringsum fliegen; Mime weicht erschrocken aus
Da hast du die Stücken, schändlicher Stümper:
hätt' ich am Schädel dir sie zerschlagen!
Soll mich der Prahler länger noch prellen?
Schwatzt mir von Riesen und rüstigen Kämpfen,
von kühnen Taten und tüchtiger Wehr;
will Waffen mir schmieden, Schwerte schaffen;
rühmt seine Kunst,
als könnt' er was Rechts:
nehm' ich zur Hand nun,
was er gehämmert,
mit einem Griff zergreif' ich den Quark!
Wär' mir nicht schier zu schäbig der Wicht,
ich zerschmiedet' ihn selbst mit seinem Geschmeid,
den alten albernen Alp!
Des Ärgers dann hätt' ich ein End'!

Siegfried wirft sich wütend auf eine Steinbank zur Seite rechts. Mime ist ihm immer vorsichtig ausgewichen

MIME
Nun tobst du wieder wie toll:
dein Undank, traun, ist arg!
Mach' ich dem bösen Buben
nicht alles gleich zu best,
was ich ihm Gutes schuf,
vergisst er gar zu schnell!
Willst du denn nie gedenken,
was ich dich lehrt' vom Danke?
Dem sollst du willig gehorchen,
der je sich wohl dir erwies.
Siegfried wendet sich unmutig um, mit dem Gesicht nach der Wand, so dass er Mime den Rücken kehrt
Das willst du wieder nicht hören!
Er steht verlegen; dann geht er in die Küche am Herd
Doch speisen magst du wohl?
Vom Spiesse bring' ich den Braten:
versuchtest du gern den Sud?
Für dich sott ich ihn gar.

Er bietet Siegfried Speise hin; dieser, ohne sich umzuwenden, schmeisst ihm Topf und Braten aus der Hand

SIEGFRIED
Braten briet ich mir selbst:
deinen Sudel sauf' allein!

MIME
stellt sich empfindlich. Mit kläglich kreischender Stimme
Das ist nun der Liebe schlimmer Lohn!
Das der Sorgen schmählicher Sold!
Als zullendes Kind zog ich dich auf,
wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm:
Speise und Trank trug ich dir zu,
hütete dich wie die eigne Haut.
Und wie du erwuchsest, wartet' ich dein;
dein Lager schuf ich, dass leicht du schliefst.
Dir schmiedet' ich Tand und ein tönend Horn;
dich zu erfreun, müht' ich mich froh:
mit klugem Rate riet ich dir klug,
mit lichtem Wissen lehrt' ich dich Witz.
Sitz' ich daheim in Fleiss und Schweiss,
nach Herzenslust schweifst du umher:
für dich nur in Plage, in Pein nur für dich
verzehr' ich mich alter, armer Zwerg!
schluchzend
Und aller Lasten ist das nun mein Lohn,
dass der hastige Knabe mich quält und hasst!
schluchzend

Siegfried hat sich wieder umgewendet und ruhig in Mimes Blick geforscht. Mime begegnet Siegfrieds Blick und sucht den seinigen scheu zu bergen

SIEGFRIED
Vieles lehrtest du, Mime,
und manches lernt' ich von dir;
doch was du am liebsten mich lehrtest,
zu lernen gelang mir nie:
wie ich dich leiden könnt'.
Trägst du mir Trank und Speise herbei,
der Ekel speist mich allein;
schaffst du ein leichtes Lager zum Schlaf,
der Schlummer wird mir da schwer;
willst du mich weisen, witzig zu sein,
gern bleib' ich taub und dumm.
Seh' ich dir erst mit den Augen zu,
zu übel erkenn' ich, was alles du tust:
seh' ich dich stehn, gangeln und gehn,
knicken und nicken, mit den Augen zwicken:
beim Genick möcht' ich den Nicker packen,
den Garaus geben dem garst'gen Zwicker!
So lernt' ich, Mime, dich leiden.
Bist du nun weise, so hilf mir wissen,
worüber umsonst ich sann:
in den Wald lauf' ich, dich zu verlassen,
wie kommt das, kehr ich zurück?
Alle Tiere sind mir teurer als du:
Baum und Vogel, die Fische im Bach,
lieber mag ich sie leiden als dich:
wie kommt das nun, kehr' ich zurück?
Bist du klug, so tu mir's kund.

MIME
setzt sich in einiger Entfernung ihm traulich gegenüber
Mein Kind, das lehrt dich kennen,
wie lieb ich am Herzen dir lieg'.

SIEGFRIED
lachend
Ich kann dich ja nicht leiden,
vergiss das nicht so leicht!

MIME
fährt zurück und setzt sich wieder abseits, Siegfried gegenüber
Des ist deine Wildheit schuld,
die du, Böser, bänd'gen sollst.
Jammernd verlangen Junge
nach ihrer Alten Nest;
Liebe ist das Verlangen;
so lechzest du auch nach mir,
so liebst du auch deinen Mime,
so musst du ihn lieben!
Was dem Vögelein ist der Vogel,
wenn er im Nest es nährt
eh' das flügge mag fliegen:
das ist dir kind'schem Spross
der kundig sorgende Mime,
das muss er dir sein!

SIEGFRIED
Ei, Mime, bist du so witzig,
so lass mich eines noch wissen!
Es sangen die Vöglein so selig im Lenz,
das eine lockte das andre:
du sagtest selbst,
da ich's wissen wollt',
das wären Männchen und Weibchen.
Sie kosten so lieblich,
und liessen sich nicht;
sie bauten ein Nest
und brüteten drin:
da flatterte junges Geflügel auf,
und beide pflegten der Brut.
So ruhten im Busch auch Rehe gepaart,
selbst wilde Füchse und Wölfe:
Nahrung brachte zum Neste das Männchen,
das Weibchen säugte die Welpen.
Da lernt' ich wohl, was Liebe sei:
der Mutter entwandt' ich die Welpen nie.
Wo hast du nun, Mime,
dein minniges Weibchen,
dass ich es Mutter nenne?

MIME
ärgerlich
Was ist dir, Tor? Ach, bist du dumm!
Bist doch weder Vogel noch Fuchs?

SIEGFRIED
Das zullende Kind zogest du auf,
wärmtest mit Kleiden den kleinen Wurm:
wie kam dir aber der kindische Wurm?
Du machtest wohl gar ohne Mutter mich?

MIME
in grosser Verlegenheit
Glauben sollst du, was ich dir sage:
ich bin dir Vater und Mutter zugleich.

SIEGFRIED
Das lügst du, garstiger Gauch!
Wie die Jungen den Alten gleichen,
das hab' ich mir glücklich ersehn.
Nun kam ich zum klaren Bach:
da erspäht' ich die Bäum' und Tier' im Spiegel;
Sonn' und Wolken, wie sie nur sind,
im Glitzer erschienen sie gleich.
Da sah ich denn auch mein eigen Bild;
ganz anders als du dünkt' ich mir da:
so glich wohl der Kröte ein glänzender Fisch;
doch kroch nie ein Fisch aus der Kröte!

MIME
höchst ärgerlich
Gräulichen Unsinn kramst du da aus!

SIEGFRIED
immer lebendiger
Siehst du, nun fällt auch selbst mir ein,
was zuvor umsonst ich besann:
wenn zum Wald ich laufe, dich zu verlassen,
wie das kommt, kehr' ich doch heim?
er springt auf
Von dir erst muss ich erfahren,
wer Vater und Mutter mir sei!

MIME
weicht ihm aus
Was Vater! Was Mutter!
Müssige Frage!

SIEGFRIED
packt ihn bei der Kehle
So muss ich dich fassen,
um was zu wissen:
gutwillig erfahr' ich doch nichts!
So musst' ich alles ab dir trotzen:
kaum das Reden hätt' ich erraten,
entwandt ich's mit Gewalt nicht dem Schuft!
Heraus damit, räudiger Kerl!
Wer ist mir Vater und Mutter?

MIME
nachdem er mit dem Kopfe genickt und mit den Händen gewinkt, ist von Siegfried losgelassen worden
Ans Leben gehst du mir schier!
Nun lass! Was zu wissen dich geizt,
erfahr' es, ganz wie ich's weiss.
O undankbares, arges Kind!
Jetzt hör', wofür du mich hassest!
Nicht bin ich Vater noch Vetter dir,
und dennoch verdankst du mir dich!
Ganz fremd bist du mir, dem einzigen Freund;
aus Erbarmen allein barg ich dich hier:
nun hab' ich lieblichen Lohn!
Was verhofft' ich Tor mir auch Dank?
Einst lag wimmernd ein Weib
da draussen im wilden Wald:
zur Höhle half ich ihr her,
am warmen Herd sie zu hüten.
Ein Kind trug sie im Schosse;
traurig gebar sie's hier;
sie wand sich hin und her,
ich half, so gut ich konnt'.
Gross war die Not! Sie starb,
doch Siegfried, der genas.

SIEGFRIED
sinnend
So starb meine Mutter an mir?

MIME
Meinem Schutz übergab sie dich:
ich schenkt' ihn gern dem Kind.
Was hat sich Mime gemüht,
was gab sich der Gute für Not!
"Als zullendes Kind
zog ich dich auf...."

SIEGFRIED
Mich dünkt, des gedachtest du schon!
Jetzt sag': woher heiss' ich Siegfried?

MIME
So hiess mich die Mutter,
möcht' ich dich heissen:
als "Siegfried" würdest du stark und schön.
"Ich wärmte mit Kleiden den kleinen Wurm...."

SIEGFRIED
Nun melde, wie hiess meine Mutter?

MIME
Das weiss ich wahrlich kaum!
"Speise und Trank trug ich dir zu...."

SIEGFRIED
Den Namen sollst du mir nennen!

MIME
Entfiel er mir wohl? Doch halt!
Sieglinde mochte sie heissen,
die dich in Sorge mir gab.
"Ich hütete dich wie die eigne Haut...."

SIEGFRIED
immer dringender
Dann frag' ich, wie hiess mein Vater?

MIME
barsch
Den hab' ich nie gesehn.

SIEGFRIED
Doch die Mutter nannte den Namen?

MIME
Erschlagen sei er, das sagte sie nur;
dich Vaterlosen befahl sie mir da.
"Und wie du erwuchsest, wartet' ich dein;
dein Lager schuf ich, dass leicht du schliefst...."

SIEGFRIED
Still mit dem alten Starenlied!
Soll ich der Kunde glauben,
hast du mir nichts gelogen,
so lass mich Zeichen sehn!

MIME
Was soll dir's noch bezeugen?

SIEGFRIED
Dir glaub' ich nicht mit dem Ohr',
dir glaub' ich nur mit dem Aug':
welch Zeichen zeugt für dich?

MIME
holt nach einigem Besinnen die zwei Stücke eines zerschlagenen Schwerts herbei
Das gab mir deine Mutter:
für Mühe, Kost und Pflege
liess sie's als schwachen Lohn.
Sieh' her, ein zerbrochnes Schwert!
Dein Vater, sagte sie, führt' es,
als im letzten Kampf er erlag.

SIEGFRIED
begeistert
Und diese Stücke sollst du mir schmieden:
dann schwing' ich ein rechtes Schwert!
Auf! Eile dich, Mime!
Mühe dich rasch;
kannst du was Rechts,
nun zeig' deine Kunst!
Täusche mich nicht mit schlechtem Tand:
den Trümmern allein trau' ich was zu!
Find' ich dich faul, fügst du sie schlecht,
flickst du mit Flausen den festen Stahl,
dir Feigem fahr' ich zu Leib',
das Fegen lernst du von mir!
Denn heute noch, schwör' ich,
will ich das Schwert;
die Waffe gewinn' ich noch heut'!

MIME
erschrocken
Was willst du noch heut' mit dem Schwert?

SIEGFRIED
Aus dem Wald fort in die Welt ziehn:
nimmer kehr' ich zurück!
Wie ich froh bin, dass ich frei ward,
nichts mich bindet und zwingt!
Mein Vater bist du nicht;
in der Ferne bin ich heim;
dein Herd ist nicht mein Haus,
meine Decke nicht dein Dach.
Wie der Fisch froh in der Flut schwimmt,
wie der Fink frei sich davon schwingt:
flieg' ich von hier, flute davon,
wie der Wind übern Wald weh' ich dahin,
dich, Mime, nie wieder zu sehn!

Er stürmt in den Wald fort

MIME
in höchster Angst
Halte! Halte! Wohin?
Er ruft mit der grössten Anstrengung in den Wald
He! Siegfried! Siegfried! He!
Er sieht dem Fortstürmenden eine Weile staunend nach; dann kehrt er in die Schmiede zurück und setzt sich hinter den Amboss
Da stürmt er hin! Nun sitz' ich da:
zur alten Not hab' ich die neue;
vernagelt bin ich nun ganz! -
Wie helf' ich mir jetzt?
Wie halt' ich ihn fest?
Wie führ' ich den Huien zu Fafners Nest?
Wie füg' ich die Stücken des tückischen Stahls?
Keines Ofens Glut glüht mir die echten;
keines Zwergen Hammer zwingt mir die harten.
grell
Des Niblungen Neid,
Not und Schweiss nietet mir Notung nicht,
schweisst mir das Schwert nicht zu ganz!

Mime knickt verzweifelnd auf dem Schemel hinter dem Amboss zusammen


ZWEITE SZENE
Wanderer, Mime. Der Wanderer Wotan tritt aus dem Wald an das hintere Tor der Höhle heran. Er trägt einen dunkelblauen, langen Mantel; einen Speer führt er als Stab. Auf dem Haupte hat er einen grossen Hut mit breiter runder Krämpe, die über das fehlende eine Auge tief hereinhängt

WANDERER
Heil dir, weiser Schmied!
Dem wegmüden Gast
gönne hold des Hauses Herd!

MIME
ist erschrocken aufgefahren
Wer ist's, der im wilden Walde mich sucht?
Wer verfolgt mich im öden Forst?

WANDERER
sehr langsam, immer nur einen Schritt sich nähernd
"Wand'rer" heisst mich die Welt;
weit wandert' ich schon:
auf der Erde Rücken rührt' ich mich viel!

MIME
So rühre dich fort
und raste nicht hier,
heisst dich "Wand'rer" die Welt!

WANDERER
Gastlich ruht' ich bei Guten,
Gaben gönnten viele mir:
denn Unheil fürchtet, wer unhold ist.

MIME
Unheil wohnte immer bei mir:
willst du dem Armen es mehren?

WANDERER
langsam immer näherschreitend
Viel erforscht' ich, erkannte viel:
Wicht'ges konnt' ich manchem künden,
manchem wehren, was ihn mühte:
nagende Herzensnot.

MIME
Spürtest du klug
und erspähtest du viel,
hier brauch' ich nicht Spürer noch Späher.
Einsam will ich und einzeln sein,
Lungerern lass' ich den Lauf.

WANDERER
tritt wieder etwas näher
Mancher wähnte weise zu sein,
nur was ihm not tat, wusste er nicht;
was ihm frommte, liess ich erfragen:
lohnend lehrt' ihn mein Wort.

MIME
immer ängstlicher, da er den Wanderer sich nahen sieht
Müss'ges Wissen wahren manche:
ich weiss mir grade genug;
Der Wanderer schreitet vollends bis an den Herd vor
mir genügt mein Witz,
ich will nicht mehr:
dir Weisem weis' ich den Weg!

WANDERER
am Herd sich setzend
Hier sitz' ich am Herd
und setze mein Haupt
der Wissenswette zum Pfand:
mein Kopf ist dein,
du hast ihn erkiest,
entfrägst du dir nicht,
was dir frommt,
lös' ich's mit Lehren nicht ein.

MIME
der zuletzt den Wanderer mit offenem Munde angestaunt hat, schrickt jetzt zusammen; kleinmütig für sich
Wie werd' ich den Lauernden los?
Verfänglich muss ich ihn fragen.
Er ermannt sich wie zu Strenge
Dein Haupt pfänd' ich für den Herd:
nun sorg', es sinnig zu lösen!
Drei der Fragen stell' ich mir frei.

WANDERER
Dreimal muss ich's treffen.

MIME
sammelt sich zum Nachdenken
Du rührtest dich viel
auf der Erde Rücken,
die Welt durchwandert'st du weit;
nun sage mir schlau:
welches Geschlecht tagt in der Erde Tiefe?

WANDERER
In der Erde Tiefe tagen die Nibelungen:
Nibelheim ist ihr Land.
Schwarzalben sind sie;
Schwarz-Alberich hütet' als Herrscher sie einst!
Eines Zauberringes zwingende Kraft
zähmt' ihm das fleissige Volk.
Reicher Schätze schimmernden Hort
häuften sie ihm:
der sollte die Welt ihm gewinnen.
Zum zweiten was frägst du, Zwerg?

MIME
versinkt in immer tieferes Nachsinnen
Viel, Wanderer, weisst du mir
aus der Erde Nabelnest;
nun sage mir schlicht,
welches Geschlecht ruht auf der Erde Rücken?

WANDERER
Auf der Erde Rücken
wuchtet der Riesen Geschlecht:
Riesenheim ist ihr Land.
Fasolt und Fafner, der Rauhen Fürsten,
neideten Nibelungs Macht;
den gewaltigen Hort gewannen sie sich,
errangen mit ihm den Ring.
Um den entbrannte den Brüdern Streit;
der Fasolt fällte, als wilder Wurm
hütet nun Fafner den Hort.
Die dritte Frage nun droht.

MIME
der ganz in Träumerei entrückt ist
Viel, Wanderer, weisst du mir
von der Erde rauhem Rücken.
Nun sage mir wahr,
welches Geschlecht wohnt auf wolkigen Höh'n?

WANDERER
Auf wolkigen Höh'n wohnen die Götter:
Walhall heisst ihr Saal.
Lichtalben sind sie;
Licht-Alberich, Wotan, waltet der Schar.
Aus der Welt-Esche weihlichstem Aste
schuf er sich einen Schaft:
dorrt der Stamm, nie verdirbt doch der Speer;
mit seiner Spitze sperrt Wotan die Welt.
Heil'ger Verträge Treuerunen
schnitt in den Schaft er ein.
Den Haft der Welt hält in der Hand,
wer den Speer führt,
den Wotans Faust umspannt.
Ihm neigte sich der Niblungen Heer;
der Riesen Gezücht zähmte sein Rat:
ewig gehorchen sie alle
des Speeres starkem Herrn.
Er stösst wie unwillkürlich mit dem Speer auf den Boden; ein leiser Donner lässt sich vernehmen, wovon Mime heftig erschrickt
Nun rede, weiser Zwerg:
wusst' ich der Fragen Rat?
Behalte mein Haupt ich frei?

MIME
nachdem er den Wanderer mit dem Speer aufmerksam beobachtet hat, gerät nun in grosse Angst, sucht verwirrt nach seinen Gerätschaften und blickt scheu zur Seite
Fragen und Haupt hast du gelöst:
nun, Wand'rer, geh' deines Wegs!

WANDERER
Was zu wissen dir frommt,
solltest du fragen:
Kunde verbürgte mein Kopf.
Dass du nun nicht weisst,
was dir nützt,
des fass' ich jetzt deines als Pfand.
Gastlich nicht galt mir dein Gruss,
mein Haupt gab ich in deine Hand,
um mich des Herdes zu freun.
Nach Wettens Pflicht pfänd' ich nun dich,
lösest du drei der Fragen nicht leicht.
Drum frische dir, Mime, den Mut!

MIME
sehr schüchtern und zögernd, endlich in furchtsamer Ergebung sich fassend
Lang' schon mied ich mein Heimatland,
lang' schon schied ich
aus der Mutter Schoss;
mir leuchtete Wotans Auge,
zur Höhle lugt' es herein:
vor ihm magert mein Mutterwitz.
Doch frommt mir's nun weise zu sein,
Wand'rer, frage denn zu!
Vielleicht glückt mir's, gezwungen
zu lösen des Zwerges Haupt.

WANDERER
wieder gemächlich sich niederlassend
Nun, ehrlicher Zwerg,
sag' mir zum ersten:
welches ist das Geschlecht,
dem Wotan schlimm sich zeigte
und das doch das liebste ihm lebt?

MIME
sich ermunternd
Wenig hört' ich von Heldensippen;
der Frage doch mach' ich mich frei.
Die Wälsungen sind das Wunschgeschlecht,
das Wotan zeugte und zärtlich liebte,
zeigt' er auch Ungunst ihm.
Siegmund und Sieglind' stammten von Wälse,
ein wild-verzweifeltes Zwillingspaar:
Siegfried zeugten sie selbst,
den stärksten Wälsungenspross.
Behalt' ich, Wand'rer, zum ersten mein Haupt?

WANDERER
gemütlich
Wie doch genau das Geschlecht du mir nennst:
schlau eracht' ich dich Argen!
Der ersten Frage wardst du frei.
Zum zweiten nun sag' mir, Zwerg:
ein weiser Niblung wahret Siegfried;
Fafner soll er ihm fällen,
dass den Ring er erränge,
des Hortes Herrscher zu sein.
Welches Schwert muss Siegfried nun schwingen,
taug' es zu Fafners Tod?

MIME
seine gegenwärtige Lage immer mehr vergessend und von dem Gegenstande lebhaft angezogen, reibt sich vergnügt die Hände
Notung heisst ein neidliches Schwert;
in einer Esche Stamm stiess es Wotan:
dem sollt' es geziemen,
der aus dem Stamm es zög'.
Der stärksten Helden keiner bestand's:
Siegmund, der Kühne, konnt's allein:
fechtend führt' er's im Streit,
bis an Wotans Speer es zersprang.
Nun verwahrt die Stücken ein weiser Schmied;
denn er weiss, dass allein mit dem Wotansschwert
ein kühnes dummes Kind,
Siegfried, den Wurm versehrt.
ganz vergnügt
Behalt' ich Zwerg auch zweitens mein Haupt?

WANDERER
lachend
Der witzigste bist du unter den Weisen:
wer käm' dir an Klugheit gleich?
Doch bist du so klug,
den kindischen Helden
für Zwergenzwecke zu nützen,
mit der dritten Frage droh' ich nun!
Sag' mir, du weiser Waffenschmied:
wer wird aus den starken Stücken
Notung, das Schwert, wohl schweissen?

MIME
fährt im höchsten Schrecken auf
Die Stücken! Das Schwert!
O weh! Mir schwindelt!
Was fang' ich an?
Was fällt mir ein?
Verfluchter Stahl, dass ich dich gestohlen!
Er hat mich vernagelt in Pein und Not!
Mir bleibt er hart,
ich kann ihn nicht hämmern:
Niet' und Löte lässt mich im Stich!
Er wirft wie sinnlos sein Gerät durcheinander und bricht in helle Verzweiflung aus
Der weiseste Schmied weiss sich nicht Rat!
Wer schweisst nun das Schwert,
schaff' ich es nicht?
Das Wunder, wie soll ich's wissen?

WANDERER
ist ruhig vom Herd aufgestanden
Dreimal solltest du fragen,
dreimal stand ich dir frei:
nach eitlen Fernen forschtest du;
doch was zunächst dir sich fand,
was dir nützt, fiel dir nicht ein.
Nun ich's errate, wirst du verrückt:
gewonnen hab' ich das witzige Haupt!
Jetzt, Fafners kühner Bezwinger,
hör', verfall'ner Zwerg:
"Nur wer das Fürchten nie erfuhr,
schmiedet Notung neu."
Mime starrt ihn gross an: er wendet sich zum Fortgange
Dein weises Haupt wahre von heut':
verfallen lass' ich es dem,
der das Fürchten nicht gelernt!

Er wendet sich lächelnd ab und verschwindet schnell im Walde. Mime ist wie vernichtet auf den Schemel hinter dem Amboss zurückgesunken


DRITTE SZENE
Mime, Siegfried

MIME
starrt grad vor sich aus in den sonnig beleuchteten Wald hinein und gerät zunehmend in heftiges ZitternVerfluchtes Licht!
Was flammt dort die Luft?
Was flackert und lackert,
was flimmert und schwirrt,
was schwebt dort und webt
und wabert umher?
Da glimmert's und glitzt's
in der Sonne Glut!
Was säuselt und summt
und saust nun gar?
Es brummt und braust
und prasselt hieher!
Dort bricht's durch den Wald,
will auf mich zu!
Er bäumt sich vor Entsetzen auf
Ein grässlicher Rachen reisst sich mir auf:
der Wurm will mich fangen!
Fafner! Fafner!

Er sinkt laut schreiend hinter dem breiten Amboss zusammen

SIEGFRIED
bricht aus dem Waldgesträuch hervor und ruft noch hinter der Szene, während man seine Bewegung an dem zerkrachenden Gezweige des Gesträuches gewahrt
Heda! Du Fauler!
Bist du nun fertig!
Er tritt in die Höhle herein und hält verwundert an
Schnell! Wie steht's mit dem Schwert?
Wo steckt der Schmied?
Stahl er sich fort?
Hehe! Mime, du Memme!
Wo bist du? Wo birgst du dich?

MIME
mit schwacher Stimme hinter dem Amboss
Bist du es, Kind?
Kommst du allein?

SIEGFRIED
lachend
Hinter dem Amboss?
Sag', was schufest du dort?
Schärftest du mir das Schwert?

MIME
höchst verstört und zerstreut hervorkommend
Das Schwert? Das Schwert?
Wie möcht' ich's schweissen? -
"Nur wer das Fürchten nie erfuhr,
schmiedet Notung neu."
Zu weise ward ich für solches Werk!

SIEGFRIED
heftig
Wirst du mir reden?
Soll ich dir raten?

MIME
wie zuvor
Wo nähm' ich redlichen Rat?
Mein weises Haupt hab' ich verwettet:
vor sich hin starrend
verfallen, verlor ich's an den,
"der das Fürchten nicht gelernt".

SIEGFRIED
ungestüm
Sind mir das Flausen?
Willst du mir fliehn?

MIME
allmählich sich etwas fassend
Wohl flöh' ich dem,
der's Fürchten kennt!
Doch das liess ich dem Kinde zu lehren!
Ich Dummer vergass, was einzig gut:
Liebe zu mir sollt' er lernen;
das gelang nun leider faul!
Wie bring' ich das Fürchten ihm bei?

SIEGFRIED
packt ihn
He! Muss ich helfen?
Was fegtest du heut'?

MIME
Um dich nur besorgt,
versank ich in Sinnen,
wie ich dich Wichtiges wiese.

SIEGFRIED
lachend
Bis unter den Sitz warst du versunken:
was Wichtiges fandest du da?

MIME
sich immer mehr fassend
Das Fürchten lernt' ich für dich,
dass ich's dich Dummen lehre.

SIEGFRIED
mit ruhiger Verwunderung
Was ist's mit dem Fürchten?

MIME
Erfuhrst du's noch nie
und willst aus dem Wald
doch fort in die Welt?
Was frommte das festeste Schwert,
blieb dir das Fürchten fern?

SIEGFRIED
ungeduldig
Faulen Rat erfindest du wohl?

MIME
immer zutraulicher Siegfried näher tretend
Deiner Mutter Rat redet aus mir;
was ich gelobte, muss ich nun lösen:
in die listige Welt dich nicht zu entlassen,
eh' du nicht das Fürchten gelernt.

SIEGFRIED
heftig
Ist's eine Kunst,
was kenn' ich sie nicht?
Heraus! Was ist's mit dem Fürchten?

MIME
Fühltest du nie im finstren Wald,
bei Dämmerschein am dunklen Ort,
wenn fern es säuselt, summt und saust,
wildes Brummen näher braust,
wirres Flackern um dich flimmert,
schwellend Schwirren zu Leib dir schwebt:
fühltest du dann nicht grieselnd
Grausen die Glieder dir fahen?
Glühender Schauer schüttelt die Glieder,
in der Brust bebend und bang
berstet hämmernd das Herz?
Fühltest du das noch nicht,
das Fürchten blieb dir dann fremd.

SIEGFRIED
nachsinnend
Sonderlich seltsam muss das sein!
Hart und fest, fühl' ich, steht mir das Herz.
Das Grieseln und Grausen,
das Glühen und Schauern,
Hitzen und Schwindeln,
Hämmern und Beben:
gern begehr' ich das Bangen,
sehnend verlangt mich's der Lust!
Doch wie bringst du, Mime, mir's bei?
Wie wärst du, Memme, mir Meister?

MIME
Folge mir nur, ich führe dich wohl:
sinnend fand ich es aus.
Ich weiss einen schlimmen Wurm,
der würgt' und schlang schon viel:
Fafner lehrt dich das Fürchten,
folgst du mir zu seinem Nest.

SIEGFRIED
Wo liegt er im Nest?

MIME
Neidhöhle wird es genannt:
im Ost, am Ende des Walds.

SIEGFRIED
Dann wär's nicht weit von der Welt?

MIME
Bei Neidhöhle liegt sie ganz nah.

SIEGFRIED
Dahin denn sollst du mich führen:
lernt' ich das Fürchten,
dann fort in die Welt!
Drum schnell! Schaffe das Schwert,
in der Welt will ich es schwingen.

MIME
Das Schwert? O Not!

SIEGFRIED
Rasch in die Schmiede!
Weis', was du schufst!

MIME
Verfluchter Stahl!
Zu flicken versteh' ich ihn nicht:
den zähen Zauber
bezwingt keines Zwergen Kraft.
Wer das Fürchten nicht kennt,
der fänd' wohl eher die Kunst.

SIEGFRIED
Feine Finten weiss mir der Faule;
dass er ein Stümper, sollt' er gestehn:
nun lügt er sich listig heraus!
Her mit den Stücken,
fort mit dem Stümper!
auf den Herd zuschreitend
Des Vaters Stahl fügt sich wohl mir:
ich selbst schweisse das Schwert!

Er macht sich, Mimes Gerät durcheinander werfend, mit Ungestüm an die Arbeit

MIME
Hättest du fleissig die Kunst gepflegt,
jetzt käm' dir's wahrlich zugut;
doch lässig warst du stets in der Lehr':
was willst du Rechtes nun rüsten?

SIEGFRIED
Was der Meister nicht kann,
vermöcht' es der Knabe,
hätt' er ihm immer gehorcht?
Er dreht ihm eine Nase
Jetzt mach' dich fort,
misch' dich nicht drein:
sonst fällst du mir mit ins Feuer!

Er hat eine grosse Menge Kohlen auf dem Herd aufgehäuft und unterhält in einem fort die Glut, während er die Schwertstücke in den Schraubstock einspannt und sie zu Spänen zerfeilt

MIME
der sich etwas abseits niedergesetzt hat, sieht Siegfried bei der Arbeit zu
Was machst du denn da?
Nimm doch die Löte:
den Brei braut' ich schon längst.

SIEGFRIED
Fort mit dem Brei!
Ich brauch' ihn nicht:
Mit Bappe back' ich kein Schwert!

MIME
Du zerfeilst die Feile,
zerreibst die Raspel:
wie willst du den Stahl zerstampfen?

SIEGFRIED
Zersponnen muss ich in Späne ihn sehn:
was entzwei ist, zwing' ich mir so.

Er feilt mit grossem Eifer fort

MIME
für sich
Hier hilft kein Kluger,
das seh' ich klar:
hier hilft dem Dummen die Dummheit allein!
Wie er sich rührt und mächtig regt!
lhm schwindet der Stahl,
doch wird ihm nicht schwül!
Siegfried hat das Herdfeuer zur hellsten Glut angefacht
Nun ward ich so alt wie Höhl' und Wald,
und hab' nicht so was geseh'n!
Während Siegfried mit ungestümem Eifer fortfährt, die Schwertstücken zu zerfeilen, setzt sich Mime noch mehr beiseite
Mit dem Schwert gelingt's,
das lern' ich wohl:
furchtlos fegt er's zu ganz.
Der Wand'rer wusst' es gut!
Wie berg' ich nun mein banges Haupt?
Dem kühnen Knaben verfiel's,
lehrt' ihn nicht Fafner die Furcht!
mit wachsender Unruhe aufspringend und sich beugend
Doch weh' mir Armen!
Wie würgt' er den Wurm,
erführ' er das Fürchten von ihm?
Wie erräng' er mir den Ring?
Verfluchte Klemme!
Da klebt' ich fest, fänd' ich nicht klugen Rat,
wie den Furchtlosen selbst ich bezwäng'.

SIEGFRIED
hat nun die Stücken zerfeilt und in einem Schmelztiegel gefangen, den er jetzt in die Herdglut stellt
He, Mime! Geschwind!
Wie heisst das Schwert,
das ich in Späne zersponnen?

MIME
fährt zusammen und wendet sich zu Siegfried
Notung nennt sich das neidliche Schwert:
deine Mutter gab mir die Mär.

SIEGFRIED
nährt unter dem folgenden die Glut mit dem Blasebalg
Notung! Notung! Neidliches Schwert!
Was musstest du zerspringen?
Zu Spreu nun schuf ich die scharfe Pracht,
im Tiegel brat' ich die Späne.
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase, Balg! Blase die Glut!
Wild im Walde wuchs ein Baum,
den hab' ich im Forst gefällt:
die braune Esche brannt' ich zur Kohl',
auf dem Herd nun liegt sie gehäuft.
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase, Balg! Blase die Glut!
Des Baumes Kohle, wie brennt sie kühn;
wie glüht sie hell und hehr!
In springenden Funken sprühet sie auf:
Hohei! Hohei! Hohei!
Zerschmilzt mir des Stahles Spreu.
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hoho!
Blase, Balg! Blase die Glut!

MIME
immer für sich, entfernt sitzend
Er schmiedet das Schwert,
und Fafner fällt er:
das seh' ich nun sicher voraus.
Hort und Ring erringt er im Harst:
wie erwerb' ich mir den Gewinn?
Mit Witz und List erlang' ich beides
und berge heil mein Haupt.

SIEGFRIED
nochmals am Blasebalg
Hoho! Hoho! Hohei! Hohei! Hohei!

MIME
im Vordergrunde für sich
Rang er sich müd mit dem Wurm,
von der Müh' erlab' ihn ein Trunk:
aus würz'gen Säften, die ich gesammelt,
brau' ich den Trank für ihn;
wenig Tropfen nur braucht er zu trinken,
sinnenlos sinkt er in Schlaf.
Mit der eignen Waffe,
die er sich gewonnen,
räum' ich ihn leicht aus dem Weg,
erlange mir Ring und Hort.
Er reibt sich vergnügt die Hände
Hei! Weiser Wand'rer!
Dünkt' ich dich dumm?
Wie gefällt dir nun mein feiner Witz?
Fand ich mir wohl Rat und Ruh'?

SIEGFRIED
Notung! Notung! Neidliches Schwert!
Nun schmolz deines Stahles Spreu!
Im eignen Schweisse schwimmst du nun.
Er giesst den glühenden Inhalt des Tiegels in eine Stangenform und hält diese in die Höhe
Bald schwing' ich dich als mein Schwert!
Er stösst die gefüllte Stangenform in den Wassereimer; Dampf und lautes Gezisch der Kühlung erfolgen
In das Wasser floss ein Feuerfluss:
grimmiger Zorn zischt' ihm da auf!
Wie sehrend er floss,
in des Wassers Flut fliesst er nicht mehr.
Starr ward er und steif,
herrisch der harte Stahl:
heisses Blut doch fliesst ihm bald!
Er stösst den Stahl in die Herdglut und zieht die Blasebälge mächtig an
Nun schwitze noch einmal,
dass ich dich schweisse,
Notung, neidliches Schwert!
Mime ist vergnügt aufgesprungen; er holt verschiedene Gefässe hervor, schüttet aus ihnen Gewürz und Kräuter in einen Kochtopf und sucht, diesen auf dem Herd anzubringen. Siegfried beobachtet während der Arbeit Mime, welcher vom andern Ende des Herdes her seinen Topf sorgsam an die Glut stellt
Was schafft der Tölpel
dort mit dem Topf?
Brenn' ich hier Stahl,
braust du dort Sudel?

MIME
Zuschanden kam ein Schmied,
den Lehrer sein Knabe lehrt:
mit der Kunst nun ist's beim Alten aus,
als Koch dient er dem Kind.
Brennt es das Eisen zu Brei,
aus Eiern braut der Alte ihm Sud.
er fährt fort zu kochen

SIEGFRIED
Mime, der Künstler,
lernt jetzt kochen;
das Schmieden schmeckt ihm nicht mehr.
Seine Schwerter alle hab' ich zerschmissen;
was er kocht, ich kost' es ihm nicht!
Unter dem Folgenden zieht Siegfried die Stangenform aus der Glut, zerschlägt sie und legt den glühenden Stahl auf dem Amboss zurecht
Das Fürchten zu lernen,
will er mich führen;
ein Ferner soll es mich lehren:
was am besten er kann,
mir bringt er's nicht bei:
als Stümper besteht er in allem!
während des Schmiedens
Hoho! Hoho! Hohei!
Schmiede, mein Hammer, ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei! Hoho! Hahei!
Einst färbte Blut dein falbes Blau;
sein rotes Rieseln rötete dich:
kalt lachtest du da,
das warme lecktest du kühl!
Heiaho! Haha! Haheiaha!
Nun hat die Glut dich rot geglüht;
deine weiche Härte dem Hammer weicht:
zornig sprühst du mir Funken,
dass ich dich Spröden gezähmt!
Heiaho! Heiaho! Heiahohoho! Hahei!

MIME
beiseite
Er schafft sich ein scharfes Schwert,
Fafner zu fällen, der Zwerge Feind:
ich braut' ein Truggetränk,
Siegfried zu fangen, dem Fafner fiel.
Gelingen muss mir die List;
lachen muss mir der Lohn!

Er beschäftigt sich während des folgenden damit, den Inhalt des Topfes in eine Flasche zu giessen

SIEGFRIED
Hoho! Hoho! Hahei!
Schmiede, mein Hammer, ein hartes Schwert!
Hoho! Hahei! Hahei! Hoho!
Der frohen Funken wie freu' ich mich;
es ziert den Kühnen des Zornes Kraft:
lustig lachst du mich an,
stellst du auch grimm dich und gram!
Heiaho, haha, haheiaha!
Durch Glut und Hammer glückt' es mir;
mit starken Schlägen streckt' ich dich:
nun schwinde die rote Scham;
werde kalt und hart, wie du kannst.
Heiaho! Heiaho! Heiahohoho! Heiah!

Er schwingt den Stahl und stösst ihn in den Wassereimer. Er lacht bei dem Gezisch laut auf. Während Siegfried die geschmiedete Schwertklinge in dem Griffhefte befestigt, treibt sich Mime mit der Flasche im Vordergrunde umher

MIME
Den der Bruder schuf,
den schimmernden Reif,
in den er gezaubert zwingende Kraft,
das helle Gold, das zum Herrscher macht,
ihn hab' ich gewonnen!
Ich walte sein!
Er trippelt, während Siegfried mit dem kleinen Hammer arbeitet und schleift und feilt, mit zunehmender Vergnügtheit lebhaft umher
Alberich selbst, der einst mich band,
zur Zwergenfrone zwing' ich ihn nun;
als Niblungenfürst fahr' ich darnieder;
gehorchen soll mir alles Heer!
Der verachtete Zwerg, wie wird er geehrt!
Zu dem Horte hin drängt sich Gott und Held:
mit immer lebhafteren Gebärden
vor meinem Nicken neigt sich die Welt,
vor meinem Zorne zittert sie hin!
Dann wahrlich müht sich Mime nicht mehr:
ihm schaffen andre den ew'gen Schatz.
Mime, der kühne, Mime ist König,
Fürst der Alben, Walter des Alls!
Hei, Mime! Wie glückte dir das!
Wer hätte wohl das gedacht?

SIEGFRIED
hat während der letzten Absätze von Mimes Lied mit den letzten Schlägen die Nieten des Griffheftes geglättet und fasst nun das Schwert
Notung! Notung! Neidliches Schwert!
Jetzt haftest du wieder im Heft.
Warst du entzwei, ich zwang dich zu ganz;
kein Schlag soll nun dich mehr zerschlagen.
Dem sterbenden Vater zersprang der Stahl,
der lebende Sohn schuf ihn neu:
nun lacht ihm sein heller Schein,
seine Schärfe schneidet ihm hart.
das Schwert vor sich schwingend
Notung! Notung! Neidliches Schwert!
Zum Leben weckt' ich dich wieder,
tot lagst du in Trümmern dort,
jetzt leuchtest du trotzig und hehr!
Zeige den Schächern nun deinen Schein!
Schlage den Falschen, fälle den Schelm!
Schau, Mime, du Schmied:
er holt mit dem Schwert aus
so schneidet Siegfrieds Schwert!

Er schlägt auf den Amboss, welcher von oben bis unten in zwei Stücke zerspaltet, so dass er unter grossem Gepolter auseinander fällt. Mime, welcher in höchster Verzückung sich auf einen Schemel geschwungen hatte, fällt vor Schreck sitzlings zu Boden. Siegfried hält jauchzend das Schwert in die Höhe. Der Vorhang fällt

ZWEITER AUFZUG

Tiefer Wald. Ganz im Hintergrunde die Öffnung einer Höhle. Der Boden hebt sich bis zur Mitte der Bühne, wo er eine kleine Hochebene bildet; von da senkt er sich nach hinten, der Höhle zu, wieder abwärts, so dass von dieser nur der obere Teil der Öffnung dem Zuschauer sichtbar ist. Links gewahrt man durch Waldbäume eine zerklüftete Felsenwand. Finstere Nacht, am dichtesten über dem Hintergrunde, wo anfänglich der Blick des Zuschauers gar nichts zu unterscheiden vermag

VORSPIEL UND ERSTE SZENE
Alberich, Fafner, Wanderer

ALBERICH
an der Felsenwand zur Seite gelagert, düster brütend
In Wald und Nacht vor Neidhöhl' halt' ich Wacht:
es lauscht mein Ohr, mühvoll lugt mein Aug'.
Banger Tag, bebst du schon auf?
Dämmerst du dort durch das Dunkel her?
Aus dem Walde von rechts her erhebt sich ein Sturmwind; ein bläulicher Glanz leuchtet von ebendaher
Welcher Glanz glitzert dort auf?
Näher schimmert ein heller Schein;
es rennt wie ein leuchtendes Ross,
bricht durch den Wald brausend daher.
Naht schon des Wurmes Würger?
Ist's schon, der Fafner fällt?
Der Sturmwind legt sich wieder; der Glanz verlischt
Das Licht erlischt,
der Glanz barg sich dem Blick:
Nacht ist's wieder.
Der Wanderer tritt aus dem Wald und hält Alberich gegenüber an
Wer naht dort schimmernd im Schatten?

DER WANDERER
Zur Neidhöhle fuhr ich bei Nacht:
wen gewahr' ich im Dunkel dort?

Wie aus einem plötzlich zerreissenden Gewölk bricht Mondschein herein und beleuchtet des Wanderers Gestalt

ALBERICH
erkennt den Wanderer, fährt erschrocken zurück, bricht aber sogleich in höchste Wut aus
Du selbst lässt dich hier sehn?
Was willst du hier?
Fort, aus dem Weg!
Von dannen, schamloser Dieb!

WANDERER
ruhig
Schwarz-Alberich, schweifst du hier?
Hütest du Fafners Haus?

ALBERICH
Jagst du auf neue Neidtat umher?
Weile nicht hier, weiche von hinnen!
Genug des Truges tränkte die Stätte mit Not.
Drum, du Frecher, lass sie jetzt frei!

WANDERER
Zu schauen kam ich,
nicht zu schaffen:
wer wehrte mir Wand'rers Fahrt?

ALBERICH
lacht tückisch auf
Du Rat wütender Ränke!
Wär' ich dir zulieb
doch noch dumm wie damals,
als du mich Blöden bandest,
wie leicht geriet' es,
den Ring mir nochmals zu rauben!
Hab' acht! Deine Kunst kenne ich wohl;
doch wo du schwach bist,
blieb mir auch nicht verschwiegen.
Mit meinen Schätzen zahltest du Schulden;
mein Ring lohnte der Riesen Müh',
die deine Burg dir gebaut.
Was mit den Trotzigen einst du vertragen,
des Runen wahrt noch heut'
deines Speeres herrischer Schaft.
Nicht du darfst, was als Zoll du gezahlt,
den Riesen wieder entreissen:
du selbst zerspelltest deines Speeres Schaft;
in deiner Hand der herrische Stab,
der starke, zerstiebte wie Spreu!

WANDERER
Durch Vertrages Treuerunen
band er dich Bösen mir nicht:
dich beugt' er mir durch seine Kraft;
zum Krieg drum wahr' ich ihn wohl!

ALBERICH
Wie stolz du dräust in trotziger Stärke,
und wie dir's im Busen doch bangt!
Verfallen dem Tod durch meinen Fluch
ist des Hortes Hüter:
wer wird ihn beerben?
Wird der neidliche Hort
dem Niblungen wieder gehören?
Das sehrt dich mit ew'ger Sorge!
Denn fass' ich ihn wieder einst in der Faust,
anders als dumme Riesen
üb' ich des Ringes Kraft:
dann zittre der Helden heiliger Hüter!
Walhalls Höhen stürm' ich mit Hellas Heer:
der Welt walte dann ich!

WANDERER
ruhig
Deinen Sinn kenn' ich wohl;
doch sorgt er mich nicht.
Des Ringes waltet, wer ihn gewinnt.

ALBERICH
Wie dunkel sprichst du,
was ich deutlich doch weiss!
An Heldensöhne hält sich dein Trotz,
höhnisch
die traut deinem Blute entblüht.
Pflegtest du wohl eines Knaben,
der klug die Frucht dir pflücke,
immer heftiger
die du nicht brechen darfst?

WANDERER
Mit mir nicht, hadre mit Mime:
dein Bruder bringt dir Gefahr;
einen Knaben führt er daher,
der Fafner ihm fällen soll.
Nichts weiss der von mir;
der Niblung nützt ihn für sich.
Drum sag' ich dir, Gesell:
tue frei, wie dir's frommt!
Alberich macht eine Gebärde heftiger Neugierde
Höre mich wohl, sei auf der Hut!
Nicht kennt der Knabe den Ring;
doch Mime kundet' ihn aus.

ALBERICH
heftig
Deine Hand hieltest du vom Hort?

WANDERER
Wen ich liebe, lass' ich für sich gewähren;
er steh' oder fall', sein Herr ist er:
Helden nur können mir frommen.

ALBERICH
Mit Mime räng' ich allein um den Ring?

WANDERER
Ausser dir begehrt er einzig das Gold.

ALBERICH
Und dennoch gewänn' ich ihn nicht?

WANDERER
ruhig nähertretend
Ein Helde naht, den Hort zu befrei'n;
zwei Niblungen geizen das Gold;
Fafner fällt, der den Ring bewacht:
wer ihn rafft, hat ihn gewonnen.
Willst du noch mehr?
Dort liegt der Wurm:
er wendet sich nach der Höhle
warnst du ihn vor dem Tod,
willig wohl liess' er den Tand.
Ich selber weck' ihn dir auf.
Er stellt sich auf die Anhöhe vor der Höhle und ruft hinein
Fafner! Fafner!
Erwache, Wurm!

ALBERICH
in gespanntem Erstaunen, für sich
Was beginnt der Wilde?
Gönnt er mir's wirklich?

Aus der finstern Tiefe des Hintergrundes hört man Fafners Stimme durch ein starkes Sprachrohr

FAFNER
Wer stört mir den Schlaf?

WANDERER
der Höhle zugewandt
Gekommen ist einer,
Not dir zu künden:
er lohnt dir's mit dem Leben,
lohnst du das Leben ihm
mit dem Horte, den du hütest?

Er beugt sein Ohr lauschend der Höhle zu

FAFNERS STIMME
Was will er?

ALBERICH
ist dem Wanderer zur Seite getreten und ruft in die Höhle
Wache, Fafner! Wache, du Wurm!
Ein starker Helde naht,
dich heil'gen will er bestehn.

FAFNERS STIMME
Mich hungert sein.

WANDERER
Kühn ist des Kindes Kraft,
scharf schneidet sein Schwert.

ALBERICH
Den goldnen Reif geizt er allein:
lass mir den Ring zum Lohn,
so wend' ich den Streit;
du wahrest den Hort,
und ruhig lebst du lang'!

FAFNERS STIMME
Ich lieg' und besitz',
gähnend
lasst mich schlafen!

WANDERER
lacht auf und wendet sich dann wieder zu Alberich
Nun, Alberich, das schlug fehl.
Doch schilt mich nicht mehr Schelm!
Dies eine, rat' ich, achte noch wohl:
vertraulich zum ihm tretend
Alles ist nach seiner Art,
an ihr wirst du nichts ändern.
Ich lass' dir die Stätte, stelle dich fest!
Versuch's mit Mime, dem Bruder,
der Art ja versiehst du dich besser.
zum Abgange gewendet
Was anders ist, das lerne nun auch!

Er verschwindet im Walde. Sturmwind erhebt sich, heller Glanz bricht aus; dann vergeht beides schnell

ALBERICH
blickt dem davonjagenden Wanderer nach
Da reitet er hin, auf lichtem Ross;
mich lässt er in Sorg' und Spott.
Doch lacht nur zu,
ihr leichtsinniges, lustgieriges Göttergelichter!
Euch seh' ich noch alle vergehn!
Solang' das Gold am Lichte glänzt,
hält ein Wissender Wacht.
Trügen wird euch sein Trotz!

Er schlüpft zur Seite in das Geklüft. Die Bühne bleibt leer. Morgendämmerung


ZWEITE SZENE
Mime, Siegfried, Fafner, Waldvogel

Bei anbrechendem Tage treten Mime und Siegfried auf. Siegfried trägt das Schwert in einem Gehenke von Bastseil. Mime erspäht genau die Stätte; er forscht endlich dem Hintergrunde zu, welcher - während die Anhöhe im mittleren Vordergrunde später immer heller von der Sonne beleuchtet wird - in finstrem Schatten bleibt; dann bedeutet er Siegfried

MIME
Wir sind zur Stelle! Bleib hier stehn!

SIEGFRIED
setzt sich unter einer grossen Linde nieder und schaut sich um
Hier soll ich das Fürchten lernen?
Fern hast du mich geleitet:
eine volle Nacht im Walde
selbander wanderten wir.
Nun sollst du, Mime, mich meiden!
Lern' ich hier nicht,
was ich lernen soll,
allein zieh' ich dann weiter:
dich endlich werd' ich da los!

MIME
setzt sich ihm gegenüber, so dass er die Höhle immer noch im Auge behält
Glaube, Liebster!
Lernst du heut' und hier das Fürchten nicht,
an andrem Ort, zu andrer Zeit
schwerlich erfährst du's je.
Siehst du dort den dunklen Höhlenschlund?
Darin wohnt ein greulich wilder Wurm:
unmassen grimmig ist er und gross;
ein schrecklicher Rachen reisst sich ihm auf;
mit Haut und Haar auf einen Happ
verschlingt der Schlimme dich wohl.

SIEGFRIED
immer unter der Linde sitzend
Gut ist's, den Schlund ihm zu schliessen:
drum biet' ich mich nicht dem Gebiss.

MIME
Giftig giesst sich ein Geifer ihm aus:
wen mit des Speichels Schweiss er bespeit,
dem schwinden wohl Fleisch und Gebein.

SIEGFRIED
Dass des Geifers Gift mich nicht sehre,
weich' ich zur Seite dem Wurm.

MIME
Ein Schlangenschweif schlägt sich ihm auf:
wen er damit umschlingt und fest umschliesst,
dem brechen die Glieder wie Glas!

SIEGFRIED
Vor des Schweifes Schwang mich zu wahren,
halt' ich den Argen im Aug'.
Doch heisse mich das:
hat der Wurm ein Herz?

MIME
Ein grimmiges, hartes Herz!

SIEGFRIED
Das sitzt ihm doch,
wo es jedem schlägt,
trag' es Mann oder Tier?

MIME
Gewiss, Knabe, da führt's auch der Wurm.
Jetzt kommt dir das Fürchten wohl an?

SIEGFRIED
bisher nachlässig ausgestreckt, erhebt sich rasch zum Sitz
Notung stoss' ich dem Stolzen ins Herz!
Soll das etwa Fürchten heissen?
He, du Alter! Ist das alles,
was deine List mich lehren kann?
Fahr' deines Wegs dann weiter;
das Fürchten lern' ich hier nicht.

MIME
Wart' es nur ab!
Was ich dir sage, dünke dich tauber Schall:
ihn selber musst du hören und sehn,
die Sinne vergehn dir dann schon!
Wenn dein Blick verschwimmt,
der Boden dir schwankt,
im Busen bang dein Herz erbebt:
sehr freundlich
dann dankst du mir, der dich führte,
gedenkst, wie Mime dich liebt.

SIEGFRIED
Du sollst mich nicht lieben!
Sagt' ich dir's nicht?
Fort aus den Augen mir!
Lass mich allein:
sonst halt' ich's hier länger nicht aus,
fängst du von Liebe gar an!
Das eklige Nicken und Augenzwicken,
wann endlich soll ich's nicht mehr sehn,
wann werd' ich den Albernen los?

MIME
Ich lass' dich schon.
Am Quell dort lagr' ich mich;
steh' du nur hier;
steigt dann die Sonne zur Höh',
merk' auf den Wurm:
aus der Höhle wälzt er sich her,
hier vorbei biegt er dann,
am Brunnen sich zu tränken.

SIEGFRIED
lachend
Mime, weilst du am Quell,
dahin lass' ich den Wurm wohl gehn:
Notung stoss' ich ihm erst in die Nieren,
wenn er dich selbst dort mit weggesoffen.
Darum, hör' meinen Rat,
raste nicht dort am Quell;
kehre dich weg, so weit du kannst,
und komm' nie mehr zu mir!

MIME
Nach freislichem Streit dich zu erfrischen,
wirst du mir wohl nicht wehren?
Siegfried wehrt ihn hastig ab
Rufe mich auch,
darbst du des Rates,
Siegfried wiederholt die Gebärde mit Ungestüm
oder wenn dir das Fürchten gefällt.

Siegfried erhebt sich und treibt Mime mit wütender Gebärde zum Fortgehen

MIME
im Abgehen für sich
Fafner und Siegfried - Siegfried und Fafner -
O brächten beide sich um!

Er verschwindet rechts im Wald

SIEGFRIED
streckt sich behaglich unter der Linde aus und blickt dem davongehenden Mime nach
Dass der mein Vater nicht ist,
wie fühl' ich mich drob so froh!
Nun erst gefällt mir der frische Wald;
nun erst lacht mir der lustige Tag,
da der Garstige von mir schied
und ich gar nicht ihn wiederseh'!
Er verfällt in schweigendes Sinnen
Wie sah mein Vater wohl aus? -
Ha, gewiss wie ich selbst!
Denn wär' wo von Mime ein Sohn,
müsst' er nicht ganz Mime gleichen?
Grade so garstig, griesig und grau,
klein und krumm, höckrig und hinkend,
mit hängenden Ohren, triefigen Augen -
fort mit dem Alp!
Ich mag ihn nicht mehr seh'n.
Er lehnt sich tiefer zurück und blickt durch die Baumwipfel auf. Tiefe Stille

Waldweben

Aber - wie sah meine Mutter wohl aus?
Das kann ich nun gar nicht mir denken!
Der Rehhindin gleich glänzten gewiss
ihr hell schimmernde Augen,
nur noch viel schöner!
Da bang sie mich geboren,
warum aber starb sie da?
Sterben die Menschenmütter
an ihren Söhnen alle dahin?
Traurig wäre das, traun!
Ach, möcht' ich Sohn meine Mutter sehen!
Meine Mutter - ein Menschenweib!
Er seufzt leise und streckt sich tiefer zurück. Grosse Stille. Wachsendes Waldweben. Siegfrieds Aufmerksamkeit wird endlich durch den Gesang der Waldvögel gefesselt. Er lauscht mit wachsender Teilnahme einem Waldvogel in den Zweigen über ihm
Du holdes Vöglein!
Dich hört' ich noch nie:
bist du im Wald hier daheim?
Verstünd' ich sein süsses Stammeln!
Gewiss sagt' es mir was,
vielleicht von der lieben Mutter?
Ein zankender Zwerg hat mir erzählt,
der Vöglein Stammeln gut zu verstehn,
dazu könnte man kommen.
Wie das wohl möglich wär'?
Er sinnt nach. Sein Blick fällt auf ein Rohrgebüsch unweit der Linde
Hei! Ich versuch's; sing' ihm nach:
auf dem Rohr tön' ich ihm ähnlich!
Entrat' ich der Worte, achte der Weise,
sing' ich so seine Sprache,
versteh' ich wohl auch, was es spricht.
Er eilt an den nahen Quell, schneidet mit dem Schwerte ein Rohr ab und schnitzt sich hastig eine Pfeife daraus. Währenddem lauscht er wieder
Es schweigt und lauscht:
so schwatz' ich denn los!
Er bläst auf dem Rohr. Er setzt ab, schnitzt wieder und bessert. Er bläst wieder. Er schüttelt mit dem Kopfe und bessert wieder. Er wird ärgerlich, drückt das Rohr mit der Hand und versucht wieder. Er setzt lächelnd ganz ab
Das tönt nicht recht;
auf dem Rohre taugt
die wonnige Weise mir nicht.
Vöglein, mich dünkt, ich bleibe dumm:
von dir lernt sich's nicht leicht!
Er hört den Vogel wieder und blickt zu ihm auf
Nun schäm' ich mich gar
vor dem schelmischen Lauscher:
er lugt und kann nichts erlauschen.
Heida! So höre nun auf mein Horn.
Er schwingt das Rohr und wirft es weit fort
Auf dem dummen Rohre gerät mir nichts.
Einer Waldweise, wie ich sie kann,
der lustigen sollst du nun lauschen.
Nach liebem Gesellen lockt' ich mit ihr:
nichts Bessres kam noch als Wolf und Bär.
Nun lass mich sehn,
wen jetzt sie mir lockt:
ob das mir ein lieber Gesell?

Er nimmt das silberne Hifthorn und bläst darauf. Im Hintergrunde regt es sich. Fafner, in der Gestalt eines ungeheuren eidechsenartigen Schlangenwurmes, hat sich in der Höhle von seinem Lager erhoben; er bricht durch das Gesträuch und wälzt sich aus der Tiefe nach der höheren Stelle vor, so dass er mit dem Vorderleibe bereits auf ihr angelangt ist, als er jetzt einen starken, gähnenden Laut ausstösst

SIEGFRIED
sieht sich um und heftet den Blick verwundert auf Fafner
Haha! Da hätte mein Lied
mir was Liebes erblasen!
Du wärst mir ein saub'rer Gesell!

FAFNER
hat beim Anblick Siegfrieds auf der Höhe angehalten und verweilt nun daselbst
Was ist da?

SIEGFRIED
Ei, bist du ein Tier,
das zum Sprechen taugt,
wohl liess' sich von dir was lernen?
Hier kennt einer das Fürchten nicht:
kann er's von dir erfahren?

FAFNER
Hast du Übermut?

SIEGFRIED
Mut oder Übermut, was weiss ich!
Doch dir fahr' ich zu Leibe,
lehrst du das Fürchten mich nicht!

FAFNER
stösst einen lachenden Laut aus
Trinken wollt' ich:
nun treff' ich auch Frass!

Er öffnet seinen Rachen und zeigt die Zähne

SIEGFRIED
Eine zierliche Fresse zeigst du mir da,
lachende Zähne im Leckermaul!
Gut wär' es, den Schlund dir zu schliessen;
dein Rachen reckt sich zu weit!

FAFNER
Zu tauben Reden taugt er schlecht:
dich zu verschlingen, frommt der Schlund.

Er droht mit dem Schweife

SIEGFRIED
Hoho! Du grausam grimmiger Kerl!
Von dir verdaut sein, dünkt mich übel:
rätlich und fromm doch scheint's,
du verrecktest hier ohne Frist.

FAFNER
brüllend
Pruh! Komm, prahlendes Kind!

SIEGFRIED
Hab' acht, Brüller! Der Prahler naht!

Er zieht sein Schwert, springt Fafner an und bleibt herausfordernd stehen. Fafner wälzt sich weiter auf die Höhe herauf und sprüht aus den Nüstern auf Siegfried. Dieser weicht dem Geifer aus, springt näher zu und stellt sich zur Seite. Fafner sucht ihn mit dem Schweife zu erreichen. Siegfried, welchen Fafner fast erreicht hat, springt mit einem Satze über diesen hinweg und verwundet ihn an dem Schweife. Fafner brüllt, zieht den Schweif heftig zurück und bäumt den Vorderleib, um mit dessen voller Wucht sich auf Siegfried zu werfen; so bietet er diesem die Brust dar; Siegfried erspäht schnell die Stelle des Herzens und stösst sein Schwert bis an das Heft hinein. Fafner bäumt sich vor Schmerz noch höher und sinkt, als Siegfried das Schwert losgelassen und zur Seite gesprungen ist, auf die Wunde zusammen

SIEGFRIED
Da lieg', neidischer Kerl!
Notung trägst du im Herzen.

FAFNER
mit schwächerer Stimme
Wer bist du, kühner Knabe,
der das Herz mir traf?
Wer reizte des Kindes Mut
zu der mordlichen Tat?
Dein Hirn brütete nicht,
was du vollbracht.

SIEGFRIED
Viel weiss ich noch nicht,
noch nicht auch, wer ich bin.
Mit dir mordlich zu ringen,
reiztest du selbst meinen Mut.

FAFNER
Du helläugiger Knabe, unkund deiner selbst,
wen du gemordet meld' ich dir.
Der Riesen ragend Geschlecht,
Fasolt und Fafner,
die Brüder - fielen nun beide.
Um verfluchtes Gold, von Göttern vergabt,
traf ich Fasolt zu Tod.
Der nun als Wurm den Hort bewachte,
Fafner, den letzten Riesen,
fällte ein rosiger Held.
Blicke nun hell, blühender Knabe:
der dich Blinden reizte zur Tat,
berät jetzt des Blühenden Tod!
ersterbend
Merk', wie's endet! Acht' auf mich!

SIEGFRIED
Woher ich stamme, rate mir noch;
weise ja scheinst du, Wilder, im Sterben:
rat' es nach meinem Namen:
Siegfried bin ich genannt.

FAFNER
Siegfried...!
Er seufzt, hebt sich und stirbt

SIEGFRIED
Zur Kunde taugt kein Toter.
So leite mich denn mein lebendes Schwert!
Fafner hat sich im Sterben zur Seite gewälzt. Siegfried zieht ihm jetzt das Schwert aus der Brust: dabei wird seine Hand vom Blute benetzt: er fährt heftig mit der Hand auf
Wie Feuer brennt das Blut!
Er führt unwillkürlich die Finger zum Munde, um das Blut von ihnen abzusaugen. Wie er sinnend vor sich hinblickt, wird seine Aufmerksamkeit immer mehr von dem Gesange der Waldvögel angezogen
Ist mir doch fast,
als sprächen die Vöglein zu mir!
Nützte mir das des Blutes Genuss?
Das seltne Vöglein hier,
horch, was singt es nur?

STIMME EINES WALDVOGELS
aus den Zweigen der Linde über Siegfried
Hei! Siegfried gehört nun der Niblungen Hort!
O, fänd' in der Höhle den Hort er jetzt!
Wollt' er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt' ihm zu wonniger Tat:
doch möcht' er den Ring sich erraten,
der macht' ihn zum Walter der Welt!

SIEGFRIED
hat mit verhaltenem Atem und verzückter Miene gelauscht
Dank, liebes Vöglein, für deinen Rat!
Gern folg' ich dem Ruf!

Er wendet sich nach hinten und steigt in die Höhle hinab, wo er alsbald gänzlich verschwindet


DRITTE SZENE
Alberich, Mime, Siegfried, Waldvogel

Mime schleicht heran, scheu umherblickend, um sich von Fafners Tod zu überzeugen. Gleichzeitig kommt von der anderen Seite Alberich aus dem Geklüft; er beobachtet Mime genau. Als dieser Siegfried nicht mehr gewahrt und vorsichtig sich nach hinten der Höhle zuwendet, stürzt Alberich auf ihn zu und vertritt ihm den Weg

ALBERICH
Wohin schleichst du eilig und schlau,
schlimmer Gesell?

MIME
Verfluchter Bruder, dich braucht' ich hier!
Was bringt dich her?

ALBERICH
Geizt es dich, Schelm, nach meinem Gold?
Verlangst du mein Gut?

MIME
Fort von der Stelle! Die Stätte ist mein:
was stöberst du hier?

ALBERICH
Stör' ich dich wohl im stillen Geschäft,
wenn du hier stiehlst?

MIME
Was ich erschwang mit schwerer Müh',
soll mir nicht schwinden.

ALBERICH
Hast du dem Rhein das Gold zum Ringe geraubt?
Erzeugtest du gar den zähen Zauber im Reif?

MIME
Wer schuf den Tarnhelm,
der die Gestalten tauscht?
Der seiner bedurfte,
erdachtest du ihn wohl?

ALBERICH
Was hättest du Stümper
je wohl zu stampfen verstanden?
Der Zauberring
zwang mir den Zwerg erst zur Kunst.

MIME
Wo hast du den Ring?
Dir Zagem entrissen ihn Riesen!
Was du verlorst,
meine List erlangt es für mich.

ALBERICH
Mit des Knaben Tat
will der Knicker nun knausern?
Dir gehört sie gar nicht,
der Helle ist selbst ihr Herr!

MIME
Ich zog ihn auf;
für die Zucht zahlt er mir nun:
für Müh' und Last
erlauert' ich lang meinen Lohn!

ALBERICH
Für des Knaben Zucht
will der knickrige schäbige Knecht
keck und kühn wohl gar König nun sein?
Dem räudigsten Hund
wäre der Ring geratner als dir:
nimmer erringst du Rüpel den Herrscherreif!

MIME
kratzt sich den Kopf
Behalt' ihn denn, und hüt' ihn wohl,
den hellen Reif!
Sei du Herr: doch mich heisse auch Bruder!
Um meines Tarnhelms lustigen Tand
tausch' ich ihn dir:
uns beiden taugt's, teilen die Beute wir so.

Er reibt sich zutraulich die Hände

ALBERICH
mit Hohnlachen
Teilen mit dir?
Und den Tarnhelm gar?
Wie schlau du bist!
Sicher schlief' ich
niemals vor deinen Schlingen!

MIME
ausser sich
Selbst nicht tauschen?
Auch nicht teilen?
Leer soll ich gehn?
Ganz ohne Lohn?
kreischend
Gar nichts willst du mir lassen?

ALBERICH
Nichts von allem!
Nicht einen Nagel sollst du dir nehmen!

MIME
in höchster Wut
Weder Ring noch Tarnhelm
soll dir denn taugen!
Nicht teil' ich nun mehr!
Gegen dich doch ruf' ich Siegfried zu Rat
und des Recken Schwert;
der rasche Held,
der richte, Brüderchen, dich!

Siegfried erscheint im Hintergrund

ALBERICH
Kehre dich um!
Aus der Höhle kommt er daher!

MIME
sich umblickend
Kindischen Tand erkor er gewiss.

ALBERICH
Den Tarnhelm hält er!

MIME
Doch auch den Ring!

ALBERICH
Verflucht! - Den Ring!

MIME
hämisch lachend
Lass ihn den Ring dir doch geben!
Ich will ihn mir schon gewinnen.

Er schlüpft mit den letzten Worten in den Wald zurück

ALBERICH
Und doch seinem Herrn
soll er allein noch gehören!

Er verschwindet im Geklüfte

Siegfried ist mit Tarnhelm und Ring während des letzteren langsam und sinnend aus der Höhle vorgeschritten: er betrachtet gedankenvoll seine Beute und hält, nahe dem Baume, auf der Höhe des Mittelgrundes wieder an

SIEGFRIED
Was ihr mir nützt, weiss ich nicht;
doch nahm ich euch
aus des Horts gehäuftem Gold,
weil guter Rat mir es riet.
So taug' eure Zier als des Tages Zeuge,
es mahne der Tand,
dass ich kämpfend Fafner erlegt,
doch das Fürchten noch nicht gelernt!

Er steckt den Tarnhelm sich in den Gürtel und den Reif an den Finger. Stillschweigen. Wachsendes Waldweben. Siegfried achtet unwillkürlich wieder des Vogels und lauscht ihm mit verhaltenem Atem

STIMME DES WALDVOGELS
Hei! Siegfried gehört
nun der Helm und der Ring!
O, traute er Mime, dem treulosen, nicht!
Hörte Siegfried nur scharf
auf des Schelmen Heuchlergered'!
Wie sein Herz es meint,
kann er Mime verstehn:
so nützt' ihm des Blutes Genuss.

Siegfrieds Miene und Gebärde drücken aus, dass er den Sinn des Vogelgesanges wohl vernommen. Er sieht Mime sich nähern und bleibt, ohne sich zu rühren, auf sein Schwert gestützt, beobachtend und in sich geschlossen, in seiner Stellung auf der Anhöhe bis zum Schlusse des folgenden Auftrittes

MIME
schleicht heran und beobachtet vom Vordergrunde aus Siegfried
Er sinnt und erwägt der Beute Wert.
Weilte wohl hier ein weiser Wand'rer,
schweifte umher, beschwatzte das Kind
mit list'ger Runen Rat?
Zwiefach schlau sei nun der Zwerg;
die listigste Schlinge leg' ich jetzt aus,
dass ich mit traulichem Truggerede
betöre das trotzige Kind.
er tritt näher an Siegfried heran und bewillkommt diesen mit schmeichelnden Gebärden
Willkommen, Siegfried!
Sag', du Kühner, hast du das Fürchten gelernt?

SIEGFRIED
Den Lehrer fand ich noch nicht!

MIME
Doch den Schlangenwurm,
du hast ihn erschlagen?
Das war doch ein schlimmer Gesell?

SIEGFRIED
So grimm und tückisch er war,
sein Tod grämt mich doch schier,
da viel üblere Schächer
unerschlagen noch leben!
Der mich ihn morden hiess,
den hass' ich mehr als den Wurm!

MIME
sehr freundlich
Nur sachte! Nicht lange
siehst du mich mehr:
zum ew'gen Schlaf
schliess' ich dir die Augen bald!
Wozu ich dich brauchte,
zärtlich
hast du vollbracht;
jetzt will ich nur noch
die Beute dir abgewinnen.
Mich dünkt, das soll mir gelingen;
zu betören bist du ja leicht!

SIEGFRIED
So sinnst du auf meinen Schaden?

MIME
verwundert
Wie sagt' ich denn das? -
Siegfried! Hör doch, mein Söhnchen!
Dich und deine Art
hasst' ich immer von Herzen;
zärtlich
aus Liebe erzog ich dich Lästigen nicht:
dem Horte in Fafners Hut,
dem Golde galt meine Müh'.
als verspräche er ihm hübsche Sachen
Gibst du mir das gutwillig nun nicht,
als wäre er bereit, sein Leben für ihn zu lassen
Siegfried, mein Sohn,
das siehst du wohl selbst,
mit freundlichem Scherze
dein Leben musst du mir lassen!

SIEGFRIED
Dass du mich hassest, hör' ich gern:
doch auch mein Leben muss ich dir lassen?

MIME
ärgerlich
Das sagt' ich doch nicht?
Du verstehst mich ja falsch!
Er sucht sein Fläschchen hervor. Er gibt sich die ersichtlichste Mühe zur Verstellung
Sieh', du bist müde von harter Müh';
brünstig wohl brennt dir der Leib:
dich zu erquicken mit queckem Trank
säumt' ich Sorgender nicht.
Als dein Schwert du dir branntest,
braut' ich den Sud;
trinkst du nun den,
gewinn' ich dein trautes Schwert,
und mit ihm Helm und Hort.
er kichert dazu

SIEGFRIED
So willst du mein Schwert
und was ich erschwungen,
Ring und Beute, mir rauben?

MIME
heftig
Was du doch falsch mich verstehst!
Stamml' ich, fasl' ich wohl gar?
Die grösste Mühe geb' ich mir doch,
mein heimliches Sinnen heuchelnd zu bergen,
und du dummer Bube deutest alles doch falsch!
Öffne die Ohren, und vernimm genau:
Höre, was Mime meint!
wieder sehr freundlich, mit ersichtlicher Mühe
Hier nimm und trinke die Labung!
Mein Trank labte dich oft:
tat'st du wohl unwirsch, stelltest dich arg:
was ich dir bot, erbost auch, nahmst du's doch immer.

SIEGFRIED
ohne eine Miene zu verziehen
Einen guten Trank hätt' ich gern:
wie hast du diesen gebraut?

MIME
lustig scherzend, als schildere er ihm einen angenehm berauschten Zustand, den ihm der Saft bereiten soll
Hei! So trink nur, trau' meiner Kunst!
In Nacht und Nebel sinken die Sinne dir bald:
ohne Wach' und Wissen
stracks streckst du die Glieder.
Liegst du nun da,
leicht könnt' ich
die Beute nehmen und bergen:
doch erwachtest du je,
nirgends wär' ich sicher vor dir,
hätt' ich selbst auch den Ring.
Drum mit dem Schwert,
das so scharf du schufst,
mit einer Gebärde ausgelassener Lustigkeit
hau' ich dem Kind den Kopf erst ab:
dann hab' ich mir Ruh' und auch den Ring!
Er kichert wieder

SIEGFRIED
Im Schlafe willst du mich morden?

MIME
wütend ärgerlich
Was möcht' ich? Sagt' ich denn das?
Er bemüht sich, den zärtlichsten Ton anzunehmen
Ich will dem Kind
mit sorglichster Deutlichkeit
nur den Kopf abhau'n!
mit dem Ausdruck herzlicher Besorgtheit für Siegfrieds Gesundheit
Denn hasste ich dich auch nicht so sehr,
und hätt' ich des Schimpfs
und der schändlichen Mühe
auch nicht so viel zu rächen:
sanft
aus dem Wege dich zu räumen,
darf ich doch nicht rasten:
wie käm' ich sonst anders zur Beute,
da Alberich auch nach ihr lugt?
Er giesst den Saft in das Trinkhorn und führt dieses Siegfried mit aufdringlicher Gebärde zu
Nun, mein Wälsung! Wolfssohn du!
Sauf', und würg' dich zu Tod:
Nie tust du mehr 'nen Schluck! Hihihihi!

Siegfried holt mit dem Schwert aus. Er führt, wie in einer Anwandlung heftigen Ekels einen jähen Streich nach Mime; dieser stürzt sogleich tot zu Boden. Man hört Alberichs höhnisches Gelächter aus dem Geklüfte

SIEGFRIED
Schmeck' du mein Schwert, ekliger Schwätzer!
Er henkt, auf den am Boden Liegenden blickend, ruhig sein Schwert wieder ein
Neides Zoll zahlt Notung:
dazu durft' ich ihn schmieden.
Er rafft Mimes Leichnam auf, trägt ihn auf die Anhöhe vor den Eingang der Höhle und wirft ihn dort hinein
In der Höhle hier lieg' auf dem Hort!
Mit zäher List erzieltest du ihn:
jetzt magst du des wonnigen walten!
Einen guten Wächter geb' ich dir auch,
dass er vor Dieben dich deckt.
Er wälzt mit grosser Anstrengung den Leichnam des Wurmes vor den Eingang der Höhle, so dass er diesen ganz damit verstopft
Da lieg' auch du, dunkler Wurm!
Den gleissenden Hort hüte zugleich
mit dem beuterührigen Feind:
so fandet beide ihr nun Ruh'!
Er blickt eine Weile sinnend in die Höhle hinab und wendet sich dann langsam, wie ermüdet, in den Vordergrund. Es ist Mittag. Er führt sich die Hand über die Stirn
Heiss ward mir von der harten Last!
Brausend jagt mein brünst'ges Blut;
die Hand brennt mir am Haupt.
Hoch steht schon die Sonne:
aus lichtem Blau blickt ihr Aug'
auf den Scheitel steil mir herab.
Linde Kühlung erkies' ich unter der Linde!
Er streckt sich unter der Linde aus und blickt wieder die Zweige hinauf
Noch einmal, liebes Vöglein,
da wir so lang lästig gestört, -
lauscht' ich gerne deinem Sange:
auf dem Zweige seh' ich
wohlig dich wiegen;
zwitschernd umschwirren
dich Brüder und Schwestern,
umschweben dich lustig und lieb!
Doch ich - bin so allein,
hab' nicht Brüder noch Schwestern:
meine Mutter schwand, mein Vater fiel:
nie sah sie der Sohn!
Mein einz'ger Gesell war ein garstiger Zwerg;
Güte zwang
warm
uns nie zu Liebe;
listige Schlingen warf mir der Schlaue;
nun musst' ich ihn gar erschlagen!
Er blickt schmerzlich bewegt wieder nach den Zweigen auf
Freundliches Vöglein, dich frage ich nun:
gönntest du mir wohl ein gut Gesell?
Willst du mir das Rechte raten?
Ich lockte so oft, und erlost' es mir nie:
Du, mein Trauter, träfst es wohl besser,
so recht ja rietest du schon.
Nun sing'! Ich lausche dem Gesang.

STIMME DES WALDVOGELS
Hei! Siegfried erschlug nun den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüsst' ich ihm noch das herrlichste Weib:
auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal:
durchschritt' er die Brunst,
weckt' er die Braut,
Brünnhilde wäre dann sein!

SIEGFRIED
fährt mit jäher Heftigkeit vom Sitze auf
O holder Sang! Süssester Hauch!
Wie brennt sein Sinn mir sehrend die Brust!
Wie zückt er heftig zündend mein Herz!
Was jagt mir so jach durch Herz und Sinne?
Sag' es mir, süsser Freund!

Er lauscht

STIMME DES WALDVOGELS
Lustig im Leid sing' ich von Liebe;
wonnig aus Weh web' ich mein Lied:
nur Sehnende kennen den Sinn!

SIEGFRIED
Fort jagt's mich jauchzend von hinnen,
fort aus dem Wald auf den Fels!
Noch einmal sage mir, holder Sänger:
werd' ich das Feuer durchbrechen?
Kann ich erwecken die Braut?

Siegfried lauscht noch mal

STIMME DES WALDVOGELS
Die Braut gewinnt,
Brünnhilde erweckt ein Feiger nie:
nur wer das Fürchten nicht kennt!

SIEGFRIED
lacht auf vor Entzücken
Der dumme Knab',
der das Fürchten nicht kennt,
mein Vöglein, der bin ja ich!
Noch heute gab ich vergebens mir Müh,
das Fürchten von Fafner zu lernen:
nun brenn' ich vor Lust,
es von Brünnhilde zu wissen!
Wie find' ich zum Felsen den Weg?

Der Vogel flattert auf, kreist über Siegfried und fliegt ihm zögernd voran

SIEGFRIED
jauchzend
So wird mir der Weg gewiesen:
wohin du flatterst folg' ich dem Flug!

Er läuft dem Vogel, welcher ihn neckend einige Zeitlang unstet nach verschiedenen Richtungen hinleitet, nach und folgt ihm endlich, als dieser mit einer bestimmten Wendung nach dem Hintergrunde davonfliegt. Der Vorhang fällt

DRITTER AUFZUG

Wilde Gegend, am Fusse eines Felsenberges, welcher links nach hinten steil aufsteigt. Nacht, Sturm und Wetter, Blitz und heftiger Donner, welch letzterer dann schweigt, während Blitze noch längere Zeit die Wolken durchkreuzen

VORSPIEL UND ERSTE SZENE
Wanderer, Erda

WANDERER
schreitet entschlossen auf ein gruftähnliches Höhlentor in einem Felsen des Vordergrundes zu und nimmt dort, auf seinen Speer gestützt, eine Stellung ein, während er das Folgende dem Eingange der Höhle zu ruft
Wache, Wala! Wala! Erwach'!
Aus langem Schlaf weck' ich dich Schlummernde wach.
Ich rufe dich auf: Herauf! Herauf!
Aus nebliger Gruft,
aus nächtigem Grunde herauf!
Erda! Erda! Ewiges Weib!
Aus heimischer Tiefe tauche zur Höh!
Dein Wecklied sing' ich, dass du erwachest;
aus sinnendem Schlafe weck' ich dich auf.
Allwissende! Urweltweise!
Erda! Erda! Ewiges Weib!
Wache, erwache, du Wala! Erwache!

Die Höhlengruft erdämmert. Bläulicher Lichtschein: von ihm beleuchtet steigt mit dem Folgenden Erda sehr allmählich aus der Tiefe auf. Sie erscheint wie von Reif bedeckt: Haar und Gewand werfen einen glitzernden Schimmer von sich

ERDA
Stark ruft das Lied;
kräftig reizt der Zauber.
Ich bin erwacht aus wissendem Schlaf:
wer scheucht den Schlummer mir?

WANDERER
Der Weckrufer bin ich, und Weisen üb' ich,
dass weithin wache, was fester Schlaf verschliesst.
Die Welt durchzog ich,
wanderte viel, Kunde zu werben,
urweisen Rat zu gewinnen.
Kundiger gibt es keine als dich;
bekannt ist dir, was die Tiefe birgt,
was Berg und Tal, Luft und Wasser durchwebt.
Wo Wesen sind, wehet dein Atem;
wo Hirne sinnen, haftet dein Sinn:
alles, sagt man, sei dir bekannt.
Dass ich nun Kunde gewänne,
weck' ich dich aus dem Schlaf!

ERDA
Mein Schlaf ist Träumen,
mein Träumen Sinnen,
mein Sinnen Walten des Wissens.
Doch wenn ich schlafe,
wachen Nornen:
sie weben das Seil
und spinnen fromm, was ich weiss.
Was frägst du nicht die Nornen?

WANDERER
Im Zwange der Welt weben die Nornen:
sie können nichts wenden noch wandeln.
Doch deiner Weisheit
dankt' ich den Rat wohl,
wie zu hemmen ein rollendes Rad?

ERDA
Männertaten umdämmern mir den Mut:
mich Wissende selbst
bezwang ein Waltender einst.
Ein Wunschmädchen gebar ich Wotan:
der Helden Wal
hiess für sich er sie küren.
Kühn ist sie und weise auch:
was weckst du mich und frägst um Kunde
nicht Erdas und Wotans Kind?

WANDERER
Die Walküre meinst du,
Brünnhild', die Maid?
Sie trotzte dem Stürmebezwinger,
wo er am stärksten selbst sich bezwang:
was den Lenker der Schlacht zu tun verlangte,
doch dem er wehrte - zuwider sich selbst -,
allzu vertraut wagte die Trotzige,
das für sich zu vollbringen,
Brünnhild' in brennender Schlacht.
Streitvater strafte die Maid:
in ihr Auge drückte er Schlaf;
auf dem Felsen schläft sie fest:
erwachen wird die Weihliche nur,
um einen Mann zu minnen als Weib.
Frommten mir Fragen an sie?

ERDA
ist in Sinnen versunken und beginnt erst nach längerem Schweigen
Wirr wird mir, seit ich erwacht:
wild und kraus kreist die Welt!
Die Walküre, der Wala Kind,
büsst' in Banden des Schlafs,
als die wissende Mutter schlief?
Der den Trotz lehrte, straft den Trotz?
Der die Tat entzündet, zürnt um die Tat?
Der die Rechte wahrt, der die Eide hütet,
wehret dem Recht, herrscht durch Meineid? -
Lass mich wieder hinab!
Schlaf verschliesse mein Wissen!

WANDERER
Dich, Mutter, lass' ich nicht ziehn,
da des Zaubers mächtig ich bin.
Urwissend stachest du einst
der Sorge Stachel in Wotans wagendes Herz:
mit Furcht vor schmachvoll feindlichem Ende
füllt' ihn dein Wissen,
dass Bangen band seinen Mut.
Bist du der Welt weisestes Weib,
sage mir nun:
wie besiegt die Sorge der Gott?

ERDA
Du bist - nicht was du dich nennst!
Was kamst du, störrischer Wilder,
zu stören der Wala Schlaf?

WANDERER
Du bist - nicht, was du dich wähnst!
Urmütter-Weisheit geht zu Ende:
dein Wissen verweht vor meinem Willen.
Weisst du, was Wotan will?
Langes Schweigen
Dir Unweisen ruf' ich ins Ohr,
dass sorglos ewig du nun schläfst!
Um der Götter Ende grämt mich die Angst nicht,
seit mein Wunsch es will!
Was in des Zwiespalts wildem Schmerze
verzweifelnd einst ich beschloss,
froh und freudig führe frei ich nun aus.
Weiht' ich in wütendem Ekel
des Niblungen Neid schon die Welt,
dem herrlichsten Wälsung
weis' ich mein Erbe nun an.
Der von mir erkoren, doch nie mich gekannt,
ein kühnester Knabe, bar meines Rates,
errang des Niblungen Ring.
Liebesfroh, ledig des Neides,
erlahmt an dem Edlen Alberichs Fluch;
denn fremd bleibt ihm die Furcht.
Die du mir gebarst, Brünnhild',
weckt sich hold der Held:
wachend wirkt dein wissendes Kind
erlösende Weltentat. -
Drum schlafe nun du, schliesse dein Auge;
träumend erschau' mein Ende!
Was jene auch wirken,
dem ewig Jungen weicht in Wonne der Gott.
Hinab denn, Erda! Urmütterfurcht!
Ursorge!
Hinab! Hinab, zu ewigem Schlaf!

Nachdem Erda bereits die Augen geschlossen hat und allmählich tiefer versunken ist, verschwindet sie jetzt gänzlich; auch die Höhle ist jetzt wiederum durchaus verfinstert. Monddämmerung erhellt die Bühne, der Sturm hat aufgehört


ZWEITE SZENE
Wanderer, Siegfried

Der Wanderer ist dicht an die Höhle getreten und lehnt sich dann mit dem Rücken an das Gestein derselben, das Gesicht der Szene zugewandt

WANDERER
Dort seh' ich Siegfried nahn.

Er verbleibt in seiner Stellung an der Höhle. Siegfrieds Waldvogel flattert dem Vordergrunde zu. Plötzlich hält der Vogel in seiner Richtung ein, flattert ängstlich hin und her und verschwindet hastig dem Hintergrunde zu

SIEGFRIED
tritt rechts im Vordergrunde auf und hält an
Mein Vöglein schwebte mir fort!
Mit flatterndem Flug und süssem Sang
wies es mich wonnig des Wegs:
nun schwand es fern mir davon!
Am besten find' ich mir selbst nun den Berg:
wohin mein Führer mich wies,
dahin wandr' ich jetzt fort.

Er schreitet weiter nach hinten

WANDERER
in seiner Stellung an der Höhle verbleibend
Wohin, Knabe, heisst dich dein Weg?

SIEGFRIED
hält an und wendet sich um
Da redet's ja:
wohl rät das mir den Weg.
Er tritt dem Wanderer näher
Einen Felsen such' ich,
von Feuer ist der umwabert:
dort schläft ein Weib,
das ich wecken will.

WANDERER
Wer sagt' es dir, den Fels zu suchen?
Wer, nach der Frau dich zu sehnen?

SIEGFRIED
Mich wies ein singend Waldvöglein:
das gab mir gute Kunde.

WANDERER
Ein Vöglein schwatzt wohl manches;
kein Mensch doch kann's verstehn.
Wie mochtest du Sinn dem Sang entnehmen?

SIEGFRIED
Das wirkte das Blut eines wilden Wurms,
der mir vor Neidhöhl' erblasste:
kaum netzt' es zündend die Zunge mir,
da verstand ich der Vöglein Gestimm'.

WANDERER
Erschlugst den Riesen du,
wer reizte dich,
den starken Wurm zu bestehn?

SIEGFRIED
Mich führte Mime, ein falscher Zwerg;
das Fürchten wollt' er mich lehren:
zum Schwertstreich aber,
der ihn erschlug,
reizte der Wurm mich selbst;
seinen Rachen riss er mir auf.

WANDERER
Wer schuf das Schwert so scharf und hart,
dass der stärkste Feind ihm fiel?

SIEGFRIED
Das schweisst' ich mir selbst,
da's der Schmied nicht konnte:
schwertlos noch wär' ich wohl sonst.

WANDERER
Doch, wer schuf die starken Stücken,
daraus das Schwert du dir geschweisst?

SIEGFRIED
Was weiss ich davon?
Ich weiss allein,
dass die Stücke mir nichts nützten,
schuf ich das Schwert mir nicht neu.

WANDERER
bricht in ein freudig gemütliches Lachen aus
Das mein' ich wohl auch!

Er betrachtet Siegfried wohlgefällig

SIEGFRIED
verwundert
Was lachst du mich aus?
Alter Frager! Hör' einmal auf;
lass mich nicht länger hier schwatzen!
Kannst du den Weg mir weisen, so rede:
vermagst du's nicht, so halte dein Maul!

WANDERER
Geduld, du Knabe! Dünk' ich dich alt,
so sollst du Achtung mir bieten.

SIEGFRIED
Das wär' nicht übel!
Solang' ich lebe,
stand mir ein Alter stets im Wege;
den hab' ich nun fortgefegt.
Stemmst du dort länger steif dich mir entgegen,
sieh dich vor, sag' ich,
mit entsprechender Gebärde
dass du wie Mime nicht fährst!
Er tritt noch näher an den Wanderer heran
Wie siehst du denn aus?
Was hast du gar für 'nen grossen Hut?
Warum hängt er dir so ins Gesicht?

WANDERER
immer ohne seine Stellung zu verlassen
Das ist so Wand'rers Weise,
wenn dem Wind entgegen er geht.

SIEGFRIED
immer näher ihn betrachtend
Doch darunter fehlt dir ein Auge!
Das schlug dir einer gewiss schon aus,
dem du zu trotzig den Weg vertratst?
Mach dich jetzt fort,
sonst könntest du leicht
das andere auch noch verlieren.

WANDERER
Ich seh', mein Sohn, wo du nichts weisst,
da weisst du dir leicht zu helfen.
Mit dem Auge, das als andres mir fehlt,
erblickst du selber das eine,
das mir zum Sehen verblieb.

SIEGFRIED
der sinnend zugehört hat, bricht jetzt unwillkürlich in helles Lachen aus
Zum Lachen bist du mir lustig!
Doch hör', nun schwatz' ich nicht länger:
geschwind, zeig' mir den Weg,
deines Weges ziehe dann du;
zu nichts andrem acht' ich dich nütz':
drum sprich, sonst spreng' ich dich fort!

WANDERER
weich
Kenntest du mich, kühner Spross,
den Schimpf spartest du mir!
Dir so vertraut,
trifft mich schmerzlich dein Dräuen.
Liebt' ich von je deine lichte Art,
Grauen auch zeugt' ihr mein zürnender Grimm.
Dem ich so hold bin, Allzuhehrer,
heut' nicht wecke mir Neid:
er vernichtete dich und mich!

SIEGFRIED
Bleibst du mir stumm, störrischer Wicht?
Weich' von der Stelle,
denn dorthin, ich weiss,
führt es zur schlafenden Frau.
So wies es mein Vöglein,
das hier erst flüchtig entfloh.

Es wird schnell wieder ganz finster

WANDERER
in Zorn ausbrechend und in gebieterischer Stellung
Es floh dir zu seinem Heil!
Den Herrn der Raben erriet es hier:
weh' ihm, holen sie's ein!
Den Weg, den es zeigte,
sollst du nicht ziehn!

SIEGFRIED
tritt mit Verwunderung in trotziger Stellung zurück
Hoho! Du Verbieter!
Wer bist du denn,
dass du mir wehren willst?

WANDERER
Fürchte des Felsens Hüter!
Verschlossen hält meine Macht die schlafende Maid:
wer sie erweckte, wer sie gewänne,
machtlos macht' er mich ewig!
Ein Feuermeer umflutet die Frau,
glühende Lohe umleckt den Fels:
wer die Braut begehrt,
dem brennt entgegen die Brunst.
Er winkt mit dem Speere nach der Felsenhöhe
Blick' nach der Höh'!
Erlugst du das Licht?
Es wächst der Schein,
es schwillt die Glut;
sengende Wolken, wabernde Lohe
wälzen sich brennend und prasselnd herab:
ein Lichtmeer umleuchtet dein Haupt:
Mit wachsender Helle zeigt sich von der Höhe des Felsens her ein wabernder Feuerschein
bald frisst und zehrt dich zündendes Feuer.
Zurück denn, rasendes Kind!

SIEGFRIED
Zurück, du Prahler, mit dir!
Er schreitet weiter, der Wanderer stellt sich ihm entgegen
Dort, wo die Brünste brennen,
zu Brünnhilde muss ich dahin!

WANDERER
Fürchtest das Feuer du nicht,
den Speer vorhaltend
so sperre mein Speer dir den Weg!
Noch hält meine Hand der Herrschaft Haft:
das Schwert, das du schwingst,
zerschlug einst dieser Schaft:
noch einmal denn zerspring' es am ew'gen Speer!

Er streckt den Speer vor

SIEGFRIED
das Schwert ziehend
Meines Vaters Feind! Find' ich dich hier?
Herrlich zur Rache geriet mir das!
Schwing' deinen Speer:
in Stücken spalt' ihn mein Schwert!

Er haut dem Wanderer mit einem Schlage den Speer in zwei Stücken; ein Blitzstrahl fährt daraus nach der Felsenhöhe zu, wo von nun an der bisher mattere Schein in immer helleren Feuerflammen zu lodern beginnt. Starker Donner, der schnell sich abschwächt, begleitet den Schlag. Die Speerstücken rollen zu des Wanderers Füssen. Er rafft sie ruhig auf

WANDERER
zurückweichend
Zieh hin! Ich kann dich nicht halten!

Er verschwindet plötzlich in völliger Finsternis

SIEGFRIED
Mit zerfocht'ner Waffe wich mir der Feige?
Die wachsende Helle der immer tiefer sich senkenden Feuerwolken trifft Siegfrieds Blick
Ha! Wonnige Glut! Leuchtender Glanz!
Strahlend nun offen steht mir die Strasse.
Im Feuer mich baden!
Im Feuer zu finden die Braut -
Hoho! Hahei!
Jetzt lock' ich ein liebes Gesell!

Siegfried setzt sein Horn an und stürzt, seine Lockweise blasend, sich in das wogende Feuer, welches sich, von der Höhe herabdringend, nun auch über den Vordergrund ausbreitet. Siegfried, den man bald nicht mehr erblickt, scheint sich nach der Höhe zu entfernen. Hellstes Leuchten der Flammen. Danach beginnt die Glut zu erbleichen und löst sich allmählich in ein immer feineres, wie durch die Morgenröte beleuchtetes Gewölk auf


DRITTE SZENE
Siegfried, Brünnhilde

Das immer zarter gewordene Gewölk hat sich in einen feinen Nebelschleier von rosiger Färbung aufgelöst und zerteilt sich nun in der Weise, dass der Duft sich gänzlich nach oben verzieht und endlich nur noch den heiteren, blauen Tageshimmel erblicken lässt, während am Saume der nun sichtbar werdenden Felsenhöhe - ganz die gleiche Szene wie im dritten Aufzug der "Walküre" - ein morgenrötlicher Nebelschleier haften bleibt, welcher zugleich an die in der Tiefe noch lodernde Zauberlohe erinnert. Die Anordnung der Szene ist durchaus dieselbe wie am Schlusse der "Walküre": im Vordergrunde, unter der breitästigen Tanne, liegt Brünnhilde in vollständiger, glänzender Panzerrüstung, mit dem Helm auf dem Haupte, den langen Schild über sich gedeckt, in tiefem Schlafe


SIEGFRIED
gelangt von aussen her auf den felsigen Saum der Höhe und zeigt sich dort zuerst nur mit dem Oberleibe: so blickt er lange staunend um sich
Selige Öde auf sonniger Höh'!
Er steigt vollends herauf und betrachtet, auf einem Felsensteine des hinteren Abhanges stehend, mit Verwunderung die Szene. Er blickt zur Seite in den Tann und schreitet etwas vor
Was ruht dort schlummernd im schattigen Tann?
Ein Ross ist's, rastend in tiefem Schlaf!
Langsam näher kommend, hält er verwundert an, als er noch aus einiger Entfernung Brünnhildes Gestalt wahrnimmt
Was strahlt mir dort entgegen?
Welch glänzendes Stahlgeschmeid?
Blendet mir noch die Lohe den Blick?
Er tritt näher hinzu
Helle Waffen! Heb' ich sie auf?
Er hebt den Schild ab und erblickt Brünnhildes Gestalt, während ihr Gesicht jedoch noch zum grossen Teil vom Helm verdeckt ist
Ha! In Waffen ein Mann:
wie mahnt mich wonnig sein Bild!
Das hehre Haupt drückt wohl der Helm?
Leichter würd' ihm, löst' ich den Schmuck.
Vorsichtig löst er den Helm und hebt ihn der Schlafenden vom Haupte ab: langes lockiges Haar bricht hervor. Siegfried erschrickt
Ach! Wie schön!
Er bleibt in den Anblick versunken
Schimmernde Wolken säumen in Wellen
den hellen Himmelssee;
leuchtender Sonne lachendes Bild
strahlt durch das Wogengewölk!
Er neigt sich tiefer zu der Schlafenden hinab
Von schwellendem Atem schwingt sich die Brust:
brech' ich die engende Brünne?
Er versucht mit grosser Behutsamkeit, die Brünne zu lösen
Komm, mein Schwert, schneide das Eisen!
Er zieht sein Schwert, durchschneidet mit zarter Vorsicht die Panzerringe zu beiden Seiten der ganzen Rüstung und hebt dann die Brünne und die Schienen ab, so dass nun Brünnhilde in einem weichen weiblichen Gewande vor ihm liegt. Er fährt erschreckt und staunend auf
Das ist kein Mann!
Er starrt mit höchster Aufgeregtheit auf die Schlafende hin
Brennender Zauber zückt mir ins Herz;
feurige Angst fasst meine Augen:
mir schwankt und schwindelt der Sinn!
Er gerät in höchste Beklemmung
Wen ruf' ich zum Heil, dass er mir helfe?
Mutter! Mutter! Gedenke mein!
Er sinkt, wie ohnmächtig, an Brünnhildes Busen. Langes Schweigen. Dann fährt er seufzend auf
Wie weck' ich die Maid,
dass sie ihr Auge mir öffne?
Das Auge mir öffne?
Blende mich auch noch der Blick?
Wagt' es mein Trotz?
Ertrüg' ich das Licht?
Mir schwebt und schwankt
und schwirrt es umher!
Sehrendes Sehnen zehrt meine Sinne;
am zagenden Herzen zittert die Hand!
Wie ist mir Feigem?
Ist dies das Fürchten?
O Mutter! Mutter! Dein mutiges Kind!
Im Schlafe liegt eine Frau:
die hat ihn das Fürchten gelehrt!
Wie end' ich die Furcht?
Wie fass' ich Mut?
Dass ich selbst erwache,
muss die Maid mich erwecken!
Indem er sich der Schlafenden von neuem nähert, wird er wieder von zarteren Empfindungen an ihren Anblick gefesselt. Er neigt sich tiefer hinab
Süss erbebt mir ihr blühender Mund.
Wie mild erzitternd mich Zagen er reizt!
Ach! Dieses Atems wonnig warmes Gedüft!
wie in Verzweiflung
Erwache! Erwache! Heiliges Weib!
Er starrt auf sie hin
Sie hört mich nicht.
gedehnt mit gepresstem, drängendem Ausdruck
So saug' ich mir Leben
aus süssesten Lippen,
sollt' ich auch sterbend vergehn!

Er sinkt, wie ersterbend, auf die Schlafende und heftet mit geschlossenen Augen seine Lippen auf ihren Mund. Brünnhilde schlägt die Augen auf. Siegfried fährt auf und bleibt vor ihr stehen. Brünnhilde richtet sich langsam zum Sitze auf. Sie begrüsst mit feierlichen Gebärden der erhobenen Arme ihre Rückkehr zur Wahrnehmung der Erde und des Himmels

BRÜNNHILDE
Heil dir, Sonne!
Heil dir, Licht!
Heil dir, leuchtender Tag!
Lang war mein Schlaf;
ich bin erwacht.
Wer ist der Held, der mich erweckt'?

SIEGFRIED
von ihrem Blicke und ihrer Stimme feierlich ergriffen, steht wie festgebannt
Durch das Feuer drang ich,
das den Fels umbrann;
ich erbrach dir den festen Helm:
Siegfried bin ich, der dich erweckt'.

BRÜNNHILDE
hoch aufgerichtet sitzend
Heil euch, Götter!
Heil dir, Welt!
Heil dir, prangende Erde!
Zu End' ist nun mein Schlaf;
erwacht, seh' ich:
Siegfried ist es, der mich erweckt!

SIEGFRIED
in erhabenste Verzückung ausbrechend
O Heil der Mutter, die mich gebar;
Heil der Erde, die mich genährt!
Dass ich das Aug' erschaut,
das jetzt mir Seligem lacht!

BRÜNNHILDE
mit grösster Bewegtheit
O Heil der Mutter, die dich gebar!
Heil der Erde, die dich genährt!
Nur dein Blick durfte mich schau'n,
erwachen durft' ich nur dir!
Beide bleiben voll strahlenden Entzückens in ihren gegenseitigen Anblick verloren
O Siegfried! Siegfried! Seliger Held!
Du Wecker des Lebens, siegendes Licht!
O wüsstest du, Lust der Welt,
wie ich dich je geliebt!
Du warst mein Sinnen,
mein Sorgen du!
Dich Zarten nährt' ich,
noch eh' du gezeugt;
noch eh' du geboren,
barg dich mein Schild:
so lang' lieb' ich dich, Siegfried!

SIEGFRIED
leise und schüchtern
So starb nicht meine Mutter?
Schlief die minnige nur?

BRÜNNHILDE
lächelnd, freundlich die Hand nach ihm ausstreckend
Du wonniges Kind!
Deine Mutter kehrt dir nicht wieder.
Du selbst bin ich,
wenn du mich Selige liebst.
Was du nicht weisst,
weiss ich für dich;
doch wissend bin ich
nur - weil ich dich liebe!
O Siegfried! Siegfried! Siegendes Licht!
Dich liebt' ich immer;
denn mir allein erdünkte Wotans Gedanke.
Der Gedanke, den ich nie nennen durfte;
den ich nicht dachte, sondern nur fühlte;
für den ich focht, kämpfte und stritt;
für den ich trotzte dem, der ihn dachte;
für den ich büsste, Strafe mich band,
weil ich nicht ihn dachte und nur empfand!
Denn der Gedanke - dürftest du's lösen! -
mir war er nur Liebe zu dir!

SIEGFRIED
Wie Wunder tönt, was wonnig du singst;
doch dunkel dünkt mich der Sinn.
Deines Auges Leuchten seh' ich licht;
deines Atems Wehen fühl' ich warm;
deiner Stimme Singen hör' ich süss:
doch was du singend mir sagst,
staunend versteh' ich's nicht.
Nicht kann ich das Ferne sinnig erfassen,
wenn alle Sinne dich nur sehen und fühlen!
Mit banger Furcht fesselst du mich:
du Einz'ge hast ihre Angst mich gelehrt.
Den du gebunden in mächtigen Banden,
birg meinen Mut mir nicht mehr!

Er verweilt in grosser Aufregung, sehnsuchtsvollen Blick auf sie heftend

BRÜNNHILDE
wendet sanft das Haupt zur Seite und richtet ihren Blick nach dem Tann
Dort seh' ich Grane,
mein selig Ross:
wie weidet er munter,
der mit mir schlief!
Mit mir hat ihn Siegfried erweckt.

SIEGFRIED
in der vorigen Stellung verbleibend
Auf wonnigem Munde weidet mein Auge:
in brünstigem Durst doch brennen die Lippen,
dass der Augen Weide sie labe!

BRÜNNHILDE
deutet ihm mit der Hand nach ihren Waffen, die sie gewahrt
Dort seh' ich den Schild,
der Helden schirmte;
dort seh' ich den Helm,
der das Haupt mir barg:
er schirmt, er birgt mich nicht mehr!

SIEGFRIED
Eine selige Maid versehrte mein Herz;
Wunden dem Haupte schlug mir ein Weib:
ich kam ohne Schild und Helm!

BRÜNNHILDE
mit gesteigertem Wehmut
Ich sehe der Brünne prangenden Stahl:
ein scharfes Schwert schnitt sie entzwei;
von dem maidlichen Leibe löst' es die Wehr:
ich bin ohne Schutz und Schirm,
ohne Trutz ein trauriges Weib!

SIEGFRIED
Durch brennendes Feuer fuhr ich zu dir!
Nicht Brünne noch Panzer barg meinen Leib:
nun brach die Lohe mir in die Brust.
Es braust mein Blut in blühender Brunst;
ein zehrendes Feuer ist mir entzündet:
die Glut, die Brünnhilds Felsen umbrann,
die brennt mir nun in der Brust!
O Weib, jetzt lösche den Brand!
Schweige die schäumende Glut!

Er hat sie heftig umfasst: sie springt auf, wehrt ihm mit der höchsten Kraft der Angst, und entflieht nach der anderen Seite

BRÜNNHILDE
Kein Gott nahte mir je!
Der Jungfrau neigten scheu sich die Helden:
heilig schied sie aus Walhall!
Wehe! Wehe!
Wehe der Schmach, der schmählichen Not!
Verwundet hat mich, der mich erweckt!
Er erbrach mir Brünne und Helm:
Brünnhilde bin ich nicht mehr!

SIEGFRIED
Noch bist du mir die träumende Maid:
Brünnhildes Schlaf brach ich noch nicht.
Erwache, sei mir ein Weib!

BRÜNNHILDE
in Betäubung
Mir schwirren die Sinne,
mein Wissen schweigt:
soll mir die Weisheit schwinden?

SIEGFRIED
Sangst du mir nicht,
dein Wissen sei
das Leuchten der Liebe zu mir?

BRÜNNHILDE
vor sich hinstarrend
Trauriges Dunkel trübt meinen Blick;
mein Auge dämmert, das Licht verlischt:
Nacht wird's um mich.
Aus Nebel und Grau'n
windet sich wütend ein Angstgewirr:
Schrecken schreitet und bäumt sich empor!

Sie birgt heftig die Augen mit beiden Händen

SIEGFRIED
indem er ihr sanft die Hände von den Augen löst
Nacht umfängt gebund'ne Augen.
Mit den Fesseln schwindet das finstre Grau'n.
Tauch' aus dem Dunkel und sieh:
sonnenhell leuchtet der Tag!

BRÜNNHILDE
in höchster Ergriffenheit
Sonnenhell leuchtet der Tag meiner Schmach!
O Siegfried! Siegfried!
Sieh' meine Angst!
Ihre Miene verrät, dass ihr ein anmutiges Bild vor die Seele tritt, von welchem ab sie den Blick mit Sanftmut wieder auf Siegfried richtet
Ewig war ich, ewig bin ich,
ewig in süss sehnender Wonne,
doch ewig zu deinem Heil!
O Siegfried! Herrlicher! Hort der Welt!
Leben der Erde! Lachender Held!
Lass, ach lass, lasse von mir!
Nahe mir nicht mit der wütenden Nähe!
Zwinge mich nicht
mit dem brechenden Zwang,
zertrümmre die Traute dir nicht!
Sahst du dein Bild im klaren Bach?
Hat es dich Frohen erfreut?
Rührtest zur Woge das Wasser du auf,
zerflösse die klare Fläche des Bachs:
dein Bild sähst du nicht mehr,
nur der Welle schwankend Gewog'!
So berühre mich nicht,
trübe mich nicht!
Ewig licht lachst du selig dann
aus mir dir entgegen,
froh und heiter ein Held!
O Siegfried! Leuchtender Spross!
Liebe dich und lasse von mir:
vernichte dein Eigen nicht!

SIEGFRIED
Dich lieb' ich: o liebtest mich du!
Nicht hab' ich mehr mich:
o, hätte ich dich!
Ein herrlich Gewässer wogt vor mir;
mit allen Sinnen seh' ich nur sie,
die wonnig wogende Welle.
Brach sie mein Bild, so brenn' ich nun selbst,
sengende Glut in der Flut zu kühlen;
ich selbst, wie ich bin,
spring' in den Bach:
o, dass seine Wogen mich selig verschlängen,
mein Sehnen schwänd' in der Flut!
Erwache, Brünnhilde!
Wache, du Maid!
Lache und lebe, süsseste Lust!
Sei mein! Sei mein! Sei mein!

BRÜNNHILDE
sehr innig
O Siegfried! Dein war ich von je!

SIEGFRIED
feurig
Warst du's von je, so sei es jetzt!

BRÜNNHILDE
Dein werd' ich ewig sein!

SIEGFRIED
Was du sein wirst, sei es mir heut'!
Fasst dich mein Arm,
umschling' ich dich fest;
schlägt meine Brust
brünstig die deine;
zünden die Blicke,
zehren die Atem sich;
Aug' in Auge, Mund an Mund:
dann bist du mir,
was bang du mir warst und wirst!
Dann brach sich die brennende Sorge,
ob jetzt Brünnhilde mein?

Er hat sie umfasst

BRÜNNHILDE
Ob jetzt ich dein?
Göttliche Ruhe rast mir in Wogen;
keuschestes Licht lodert in Gluten:
himmlisches Wissen stürmt mir dahin,
Jauchzen der Liebe jagt es davon!
Ob jetzt ich dein?
Siegfried! Siegfried!
Siehst du mich nicht?
Wie mein Blick dich verzehrt,
erblindest du nicht?
Wie mein Arm dich presst,
entbrennst du mir nicht?
Wie in Strömen mein Blut entgegen dir stürmt,
das wilde Feuer, fühlst du es nicht?
Fürchtest du, Siegfried,
fürchtest du nicht das wild wütende Weib?

Sie umfasst ihn heftig

SIEGFRIED
in freudigem Schreck
Ha! Wie des Blutes Ströme sich zünden,
wie der Blicke Strahlen sich zehren,
Wie die Arme brünstig sich pressen, -
kehrt mir zurück mein kühner Mut,
und das Fürchten, ach!
Das ich nie gelernt,
das Fürchten, das du mich kaum gelehrt:
das Fürchten, - mich dünkt -
ich Dummer vergass es nun ganz!

Er hat bei den letzten Worten Brünnhilde unwillkürlich losgelassen

BRÜNNHILDE
im höchsten Liebesjubel wild auflachend
O kindischer Held!
O herrlicher Knabe!
Du hehrster Taten töriger Hort!
Lachend muss ich dich lieben,
lachend will ich erblinden,
lachend zugrunde gehn!
Fahr' hin, Walhalls leuchtende Welt!
Zerfall in Staub deine stolze Burg!
Leb' wohl, prangende Götterpracht!
End' in Wonne, du ewig Geschlecht!
Zerreisst, ihr Nornen, das Runenseil!
Götterdämm'rung, dunkle herauf!
Nacht der Vernichtung, neble herein!
Mir strahlt zur Stunde Siegfrieds Stern;
er ist mir ewig, ist mir immer,
Erb' und Eigen, ein' und all':
leuchtende Liebe, lachender Tod!

SIEGFRIED
Lachend erwachst du Wonnige mir:
Brünnhilde lebt, Brünnhilde lacht!
Heil dem Tage, der uns umleuchtet!
Heil der Sonne, die uns bescheint!
Heil der Welt, der Brünnhilde lebt!
Sie wacht, sie lebt,
sie lacht mir entgegen.
Prangend strahlt mir Brünnhildes Stern!
Sie ist mir ewig, ist mir immer,
Erb' und Eigen, ein' und all':
leuchtende Liebe, lachender Tod!

Brünnhilde stürzt sich in Siegfrieds Arme. Der Vorhang fällt