Libretto: La clemenza di Tito

von Wolfgang Amadeus Mozart


Die Milde des Titus



Personen:
TITO VESPASIANO [TITUS], Imperator von Rom (Tenor)
VITELLIA, Tochter des Imperators Vitellio (Sopran)
SERVILIA, Schwester des Sesto, Geliebte des Annio (Sopran)
SESTO, Freund des Tito und Geliebter der Vitellia (Sopran)
ANNIO, Freund des Sesto, Geliebter der Servilia (Sopran)
PUBLIO, Anführer der Prätorianer (Bass)

CHOR
Senatoren; Abgesandte fremder Völker; Prätorianer; Liktoren; Volk

ERSTER AUFZUG

ERSTER AUFTRITT
Das Theater stellt ein prächtiges Zimmer der Vitellia vor. Wie der Vorhang aufgeht, sitzt sie auf einem Ruhebett. Während dem Ritornell tritt sie in Nachdenken versunken hervor. Dann kommt Sesto.

VITELLIA
Der Rache Stunde schlägt
Ein Wink, von mir, und Titus
Stürzt vom Thron herab.

Sesto kommt ganz niedergeschlagen.

VITELLIA
Sesto! warum so traurig?
Verlischt dein Mut so schnell?

SESTO
für sich
O Götter! -
laut
Nein,
was du willst, geschehe
Schon harret Lentulus des Winkes -

VITELLIA
Und dennoch zauderst du so lange?
Soll den Thron, der mir gebührt,
Mit Titus eine Fremde teilen?
Wird Berenice seine Gattin,
Dann, freier Römer - bist du Sklave
Du schweigst? - Wo ist der Stolz der Römer,
Der ehmals Nationen beugte?

SESTO
Du hast mein Herz, dir schwur ich Rache,
Nur zeige einen Flecken mir,
In Titus grosser Heldenseele:
Nur einen Makel, und ich opfre
Ihr heute noch dem schwarzen Orkus.
Rom nennt ihn seinen Vater,
Die Edlen ihren Freund,
Die Unschuld ihren Schützer;
O leugne diese Wahrheit,
Und lächelnd mord' ich ihn.

VITELLIA
Des Vaterlandes Wohl
Verlangt ein solches Opfer.

SESTO
Ach; Titus ist mein Freund.

VITELLIA
Ein Brutus stürzte den Tarquin
Ein Cäsar fiel durch Brutus Dolche,
Willst du kein dritter Brutus sein?
feierlich
So krieche in den Sklavenkittel,
Und beuge dich vor seiner Grösse,
Ich trete weinend auf die Seite
Denn Rom hat keinen Römer mehr.

Will ab.

SESTO
sie aufhaltend
Bleib - du folterst meine Seele,
Deine Liebe ist mein Alles,
Und dein Wort sei mir Befehl.

VITELLIA
Teurer! - so bin ich dein Lohn.

Feurige Umarmung

Duett

SESTO
Fordre nach Gefallen
Lenke meine Schritte,
Jeden meiner Tritte,
Weih ich Teurer dir.

VITELLIA
Eh noch die Sonne schwindet,
Will ich, dass Titus blute,
Wisse, mit frechem Mute,
Raubt' er den Szepter mir.

SESTO
Deine Wut bringt mich von Sinnen

VITELLIA
Wann wird die Rach' beginnen?

SESTO
Ach, einen Blick der Liebe,
Für meine Treue mir.

BEIDE
Feindselige Begierden
Zerreissen unsre Herzen,
Von dieser Wunden Schmerzen
Befreit uns nur der Tod.

Sie wollen abgehen.


ZWEITER AUFTRITT
Annius kommt ihnen entgegen; die Vorigen.

ANNIUS
Endlich find' ich meinen Freund;
Sesto! folge mir zum Kaiser,
Denn er wünschet dich zu sehn.

VITELLIA
Eile jetzt zu seinem Throne,
Sieh, wie er der Stolzen huldigt -

ANNIUS
Du irrest dich an Titus Seele,
Er, der die Feinde stets besiegt,
Weiss auch sich selber zu besiegen.
Ich war des schönen Abschieds Zeuge;
Indem ich dieses euch erzähle
Ist Berenice schon von hier.

VITELLIA
für sich
Ach! meiner Rache Hoffnung schwindet
laut
Hätt' ich sie doch gesehn,
Wie sie mit stolzem Blicke
Dem liebekranken Titus
Das Lebewohl versagt.

ANNIUS
Noch nie war sie so zärtlich
Sie wusste sich geliebt,
Doch sah sie auch das Opfer,
Das Titus seinem Volk
Und seinem Herzen brachte.
Gebeugt, und weinend standen sie,
Der Held ermannte sich zuerst,
Besiegte seine Leidenschaft,
Und Berenice reis't aus Roms Gebiete.

VITELLIA
zu Sesto
Noch fesselt Staunen meine Zunge
Verzögre noch des Aufruhrs Ausbruch.

SESTO
der während Annius spricht in grosse Bewegung gerät, leise zur Vitellia.
Vitellia! bin ich der Ball
Mit dem der lose Knabe spielet?
Ist dies die so gepriesne Liebe
Die mich -

VITELLIA
ihn unterbrechend
Schweig, Unbesonnener!
Willst du des Weibes Herz ergründen?
Ich liebe dich, das schwur ich dir,
Und nun hinweg mit allen Zweifeln.

Arie

VITELLIA
Wenn du mich liebst, so rede
Nicht mehr in diesem Ton,
Lass diese läst'ge Fehde
Schon hab ich sie genug.
Wer ohne Misstraun wandelt,
Wird redlich auch behandelt
Wer stets Betrug nur fürchtet,
Lockt selbst uns zum Betrug.

Ab.


DRITTER AUFTRITT
Sesto und Annius.

ANNIUS
Nun Freund, noch eine Bitte
Schon lang' lieb' ich Servilien;
Nur aus der Hand des Bruders,
Will sie die Hand des Gatten.
Du selbst versprachst sie mir,
Du eilest jetzt zu Titus.
Wirst du dein Wort erfüllen,
Und dich für mich verwenden?

SESTO
Stets war mir Freundschaft heilig,
Ich schätze, liebe dich;
Dies Bündnis ist mein Wunsch
Ich gehe jetzt zu Titus,
Freund, bald bring ich dein Glück.

Duett

BEIDE
Nimm diesen Kuss zum Pfande
Der treusten Liebe, Freund!
Wie sehnt mich's nach dem Bande,
Dass enger uns vereint.

Beide ab.


VIERTER AUFTRITT
Die Bühne stellt einen öffentlichen Platz in der Gegend des Capitols vor. Im Hintergrund stehen die Gesandten der zinsbaren Provinzen, im Begriff dem Senat den jährlichen Tribut zu überbringen. Titus kommt vom Capitol herab. Vor ihm gehen die Liktoren, um ihn herum die Senatoren, dann folgt Publius mit der prätorianischen Leibwache, Metellus mit den Soldaten, endlich das Volk. Marsch. Wenn der Kaiser im Vorgrund des Theaters ist, beginnt der Chor.

CHOR
O schützt, o schützet lange.
Gerechte gute Götter
In Titus unsern Retter,
Den Stolz der Nation.

Zu Ende des Chors kommen Annius und Sesto zu verschiedenen Seiten.

PUBLIUS
Vater des Vaterlands! sei uns gegrüsst!
Diesen Nahmen erteilt dir in Zukunft
Der Senat, das Heer und das Volk.

METELLUS
Der Senat hat beschlossen, o Herr!
Dir einen eignen Tempel zu bauen;
Von den Ufern der gelben Tiber
Soll unsers Titus geheiligter Name
Aus seinem Heiligtume erschallen.

Das ganze Heer schlägt mit den Schilden zusammen.

ALLE.
Heil sei unserm Schutzgott Titus.

Arie

TITUS
Mehr als Triumphe beglückt mich die Liebe
Die mein treues Volk mir schenkt,
Dieses Zeichen edler Seelen
Lohnt kein Thron der Welt.
Welche Wonne fühlt die Seele
Sich vom Volk geliebt zu sehn,
Freude gibt mir der Gedanke,
Vater meines Volks zu sein.

PUBLIUS
Sieh hier der besiegten Völker Gesandte,
Sie bringen der Unterwürfigkeit Opfer;
Es werde zum Bau deines Tempels verwendet.

TITUS
Zu viel der Liebe, edle Römer!
Wie kann ich soviel Treue euch lohnen.
Zu weit steht hinter dem Willen die Tat.
Doch nehm ich den Antrag mit Dankbarkeit an,
Erlaubt mir nur die eigne Verwendung,
Vernehmt in Kurzem meine Wünsche;
Capuas Bürger sind in Verzweiflung,
Des Vesuves schrecklicher Ausbruch
Bedeckte die schönen Gefilde mit Lava;
Traurig, verlassen irrt Capuas Bürger
Unter verschütteten Mauern umher;
Und ihr wollt einen Tempel mir bauen,
Wo tausend Bürgern der Hungertod droht?

METELLUS
Ha! ich errate deine Empfindung.

PUBLIUS
Es geschehe nach deinem Willen
Mehr, wie aus Tempeln, töne dein Ruhm
Aus dem Munde geretteter Bürger.

TITUS
Und nun genug des schmeichelnden Lobes,
Säumt euch nicht mit dem Werke der Liebe,
Geht, und vollzieht eures Herzens Wünsche.
Du Sesto, - du Annius - nähert euch mir!

Unter dem obigen Marsch gehen alle ab, ausser Titus, Sesto und Annius.

SESTO
Ich bewundre deine Grossmut,
Doch erlaube eine Frage,
Wie vermag dein weiches Herz
Von Berenicen sich -

TITUS
O schweige!
Noch blutet diese Wunde,
Zu neu ist noch mein Schmerz -
Aus meines Landes Töchtern
Wähl' ich die Gattin mir,
Sesto! edel ist dein Stamm,
Er soll mir die Gattin geben,
Meine Wahl trift deine Schwester.

SESTO
erstaunt
Meinst du Servilien?

TITUS
Ja - sie.

ANNIUS
für sich
Mein Leben ist mir Tod!

TITUS
zu Sesto
Du bist zerstreut - verwirrt,
Missfällt dir meine Wahl?

SESTO
verlegen
Ach nein - dies seltne Glück,
Macht schwindeln meinen Kopf.

TITUS
Entdecke mir dein Herz;
Dich presst ein heimlich Leiden.

SESTO
für sich
O unglückselger Schwur!

ANNIUS
für sich
Ich bin gefasst - die Pflicht
Erheischt ein grosses Opfer.
laut
Erlaub', dass ich nun spreche,
Mein Freund vermag es nicht
Bescheidenheit hat keine Worte.
Servilia ist der Krone würdig,
Und sie wird an deiner Seite,
Mutter ihrem Volke sein.

TITUS
Du sprachst aus meiner Seele.
Geh jetzt zu Sesto Schwester,
Entdeck' ihr meine Wünsche.
Annius geht betreten in dem Hintergrund
Und dir, mein Sesto, dank ich,
Für dein bescheidnes Schweigen
Es bürgt für dein Verdienst.
Du sollst in meinem Reiche
Nach mir der erste sein.

Duett

SESTO
Grosser Fürst! ach wie verdien' ich
So viel Gnade, so viel Liebe?

TITUS
Die Verdienste zu belohnen
Macht das Herrschen angenehm.

BEIDE
Ach mir pocht das Herz vor Wonne
Endlich fand ich doch am Throne

TITUS
Einen treuen edlen Freund,

SESTO
Einen grossen edlen Freund.

Beide gehen ab.


FÜNFTER AUFTRITT
Annius, dann Servilia.

ANNIUS
Den Göttern Dank und Preis!
Sie haben mich gerettet.

Will ab.

Ist's möglich? - Trügen meine Augen
Hier nahet sich Servilia.

SERVILIA
O Dank der Liebesgöttin
Sie führte mich zu dir,
Wo Wonne meiner harrt.

ANNIUS
Sprich nicht in diesem Ton,
Du bist nicht, was du warst.

SERVILIA
Sprichst du im Wahnsinn so?

ANNIUS
Ich muss es dir entdecken,
Wenn auch mein Herz zerreisst.
Du wirst des Kaisers Gattin,
Und mich bestimmte er -
Dein Glück dir zu verkünden -
Nun leb auf ewig wohl.

Will ab.

SERVILIA
Wie, ich des Kaisers Gattin?
Erkläre näher dich.

ANNIUS
Erforsche deine Schönheit,
Und frage deine Tugend,
Dann kannst du dir erklären,
Was ihn zur Wahl bestimmt;
Wer dich sieht, muss dich verehren.
Fällt vor ihr auf die Knie, plötzlich springt er auf.
Verzeih dem zu verwegnen Sklaven,
Vergib Geliebte meiner Torheit.

Duett

ANNIUS
Ach verzeih mir diese Liebe,
Diesen allzu kühnen Nahmen.
O verzeihe, denn sie kamen
Ja aus dem verwöhnten Mund.

SERVILIA
Schön, o Teurer! sind die Triebe
Fliehe quälende Gedanken,
Nie Geliebter, nie wird wanken
Unsrer Liebe schöner Bund.

ANNIUS
O, wie linderst du mein Leiden,

SERVILIA
Nichts auf Erden soll uns scheiden.

BEIDE
Für dich opfre ich mit Freuden
Alles was mir teuer ist.
Welche Seligkeiten spendet
Reine Liebe treuen Seelen;
Dem muss alle Freude fehlen
Der nicht weiss, was Liebe ist.

Beide Arm in Arm ab.


SECHSTER AUFTRITT
Verwandlung. Kaiserliches Gemach.

Titus, Publius mit einer Schrift, die er ihm überreicht.


TITUS
Sei gegrüsset mir mein Publius,
Was bringst du in dieser Schrift?

PUBLIUS.
Eine schändliche Verschwörung
Hat man gegen dich erregt.
Die Allzukühnen wagten es
Der Titus Namen zu verlästern,
Hier lies die Namen der Verräter.

TITUS
Und das macht dich so ängstlich?
Noch liebet mich mein Volk,
Dies ist der stärkste Panzer
Gegen jeden Pfeil des Neides.
Ich will keinen Namen wissen,
Hier, nimm dies Blatt zurück.

PUBLIUS
Bedenke deine Sicherheit,
Kühner wird noch der Verbrecher,
Wenn du ungestraft ihn lässt.

TITUS
Ich erkenne deinen Eifer;
Lohnen will ich deine Treue,
Den Verführten sei verziehn.


SIEBENTER AUFTRITT
Die Vorigen, dazu Servilia.

Servilia stürzt zu Titus Füssen.

SERVILIA
Titus! höre deine Sklavin!

TITUS
hebt sie auf
Dein Geheimnis ist verraten;
Aus Sesto Munde weiss ich deine Liebe;
Besorge nichts, du treue Seele,
Dein Glück war meines Herzens Wunsch;
Da du es nicht am Throne fandest,
So suche es an Annius Brust. -

Geht ab.

SERVILIA
Der Mund versagt mir seine Dienste,
Wie dank ich so viel Liebe ihm.


ACHTER AUFTRITT

Wie Titus abgeht, kommt Vitellia von der andern Seite. Sie verbeugt sich gegen Servilien.

VITELLIA.
Erlaube Fürstin, dass ich dir
Die Huldigung des Herzens bringe;
Glücklich war die Wahl des Kaisers,
Tugend, Schönheit ziert den Thron,
Wenn du ihn mit Titus teilest.

SERVILIA
Umsonst bedeckest du, Vitellia,
Mit dem Schleier falscher Ehrfurcht
Den hämisch kalten Blick des Neides.
Doch so viel wisse im Vertrauen:
Wenn Titus dich zur Gattin wünschet,
Ich werde nicht im Wege stehn. -

Geht ab.


NEUNTER AUFTRITT
Vitellia, dann Sesto.

VITELLIA
Mir diesen Spott? Mir die Verachtung?
Ha kleine Seelen jubelt nur;
Noch hat Vitellia die Macht
Euch alle zu zernichten. Zittert,
Zittert vor des Weibes Rache,
Dass ihr zu zertreten wähnt. -

Will ab.

SESTO
Wohin so schnell? du einzig Teure!

VITELLIA
Ha, kommst du endlich doch
Vom Brand des Kapitols?
Stürzt Numas Burg zusammen?
Hat Lentulus gesiegt?
Wälzt Titus sich im Blute?

SESTO
Du befahlst vorhin, zu zögern.

VITELLIA
O des eifrigen Geliebten!
Meiner spottet jedermann;
Schnelle Rache kann mich retten,
Doch mein Sesto schläft zu gut.

SESTO
Ha, um meiner Liebe willen
Mässige den bittern Spott!
Nimm mich zu der Rache Werkzeug,
Nur entdecke einen Scheingrund
Der die Lastertat verhüllt.

VITELLIA
Liebe, Ruhm und Rache winken;
Was bedarfst du andrer Gründe?
Bahne über Titus Leiche
Dir den Weg zum Kaiserthron;
Und den Weg zu meinem Herzen. -
Sesto schweigt.
Reizt dich nicht dies Zauberbild?
Geh Verworfner, meine Liebe
Schenk ich einem kühner'n Manne. -

Will ab.

SESTO
Ich eile zum Brande des Kapitols,
Ich stosse diess Schwert in Titus Busen -
Götter! weich ein Schauder ergreift mich!

VITELLIA
Bricht schon wieder das zärtliche Herz?

Arie

SESTO
Teure! ich will ja gehen,
Doch musst du erst vergeben;
Dir werde ich nur leben,
Nur tun, was dir gefällt.
Glaub mir, wenn ich verspreche,
Dass ich noch heut dich räche;
Ein einz'ger Blick voll Liebe,
Gibt Mut und Kühnheit mir;
O mächtigster der Triebe,
Wer kann dir widerstehn? -

Geht ab.


SECHSTER AUFTRITT
Verwandlung. Kaiserliches Gemach.

Titus, Publius mit einer Schrift, die er ihm überreicht.


TITUS
Sei gegrüsset mir mein Publius,
Was bringst du in dieser Schrift?

PUBLIUS.
Eine schändliche Verschwörung
Hat man gegen dich erregt.
Die Allzukühnen wagten es
Der Titus Namen zu verlästern,
Hier lies die Namen der Verräter.

TITUS
Und das macht dich so ängstlich?
Noch liebet mich mein Volk,
Dies ist der stärkste Panzer
Gegen jeden Pfeil des Neides.
Ich will keinen Namen wissen,
Hier, nimm dies Blatt zurück.

PUBLIUS
Bedenke deine Sicherheit,
Kühner wird noch der Verbrecher,
Wenn du ungestraft ihn lässt.

TITUS
Ich erkenne deinen Eifer;
Lohnen will ich deine Treue,
Den Verführten sei verziehn.


SIEBENTER AUFTRITT
Die Vorigen, dazu Servilia.

Servilia stürzt zu Titus Füssen.


SERVILIA
Titus! höre deine Sklavin!

TITUS
hebt sie auf
Dein Geheimnis ist verraten;
Aus Sesto Munde weiss ich deine Liebe;
Besorge nichts, du treue Seele,
Dein Glück war meines Herzens Wunsch;
Da du es nicht am Throne fandest,
So suche es an Annius Brust. -

Geht ab.

SERVILIA
Der Mund versagt mir seine Dienste,
Wie dank ich so viel Liebe ihm.


ACHTER AUFTRITT
Wie Titus abgeht, kommt Vitellia von der andern Seite. Sie verbeugt sich gegen Servilien.

VITELLIA.
Erlaube Fürstin, dass ich dir
Die Huldigung des Herzens bringe;
Glücklich war die Wahl des Kaisers,
Tugend, Schönheit ziert den Thron,
Wenn du ihn mit Titus teilest.

SERVILIA
Umsonst bedeckest du, Vitellia,
Mit dem Schleier falscher Ehrfurcht
Den hämisch kalten Blick des Neides.
Doch so viel wisse im Vertrauen:
Wenn Titus dich zur Gattin wünschet,
Ich werde nicht im Wege stehn. -

Geht ab.


NEUNTER AUFTRITT
Vitellia, dann Sesto.

VITELLIA
Mir diesen Spott? Mir die Verachtung?
Ha kleine Seelen jubelt nur;
Noch hat Vitellia die Macht
Euch alle zu zernichten. Zittert,
Zittert vor des Weibes Rache,
Dass ihr zu zertreten wähnt. -

Will ab.

SESTO
Wohin so schnell? du einzig Teure!

VITELLIA
Ha, kommst du endlich doch
Vom Brand des Kapitols?
Stürzt Numas Burg zusammen?
Hat Lentulus gesiegt?
Wälzt Titus sich im Blute?

SESTO
Du befahlst vorhin, zu zögern.

VITELLIA
O des eifrigen Geliebten!
Meiner spottet jedermann;
Schnelle Rache kann mich retten,
Doch mein Sesto schläft zu gut.

SESTO
Ha, um meiner Liebe willen
Mässige den bittern Spott!
Nimm mich zu der Rache Werkzeug,
Nur entdecke einen Scheingrund
Der die Lastertat verhüllt.

VITELLIA
Liebe, Ruhm und Rache winken;
Was bedarfst du andrer Gründe?
Bahne über Titus Leiche
Dir den Weg zum Kaiserthron;
Und den Weg zu meinem Herzen. -
Sesto schweigt.
Reizt dich nicht dies Zauberbild?
Geh Verworfner, meine Liebe
Schenk ich einem kühner'n Manne. -

Will ab.

SESTO
Ich eile zum Brande des Kapitols,
Ich stosse diess Schwert in Titus Busen -
Götter! weich ein Schauder ergreift mich!

VITELLIA
Bricht schon wieder das zärtliche Herz?

Arie

SESTO
Teure! ich will ja gehen,
Doch musst du erst vergeben;
Dir werde ich nur leben,
Nur tun, was dir gefällt.
Glaub mir, wenn ich verspreche,
Dass ich noch heut dich räche;
Ein einz'ger Blick voll Liebe,
Gibt Mut und Kühnheit mir;
O mächtigster der Triebe,
Wer kann dir widerstehn? -

Geht ab.


ZEHNTER AUFTRITT
Vitellia, dann Publius, und Annius.

VITELLIA
Endlich bin ich am glänzenden Ziele!
Wie süsse Rache den Busen mir hebt'

PUBLIUS
Folg' uns zu Titus, edle Vitellia;
Eben eilt er in deine Wohnung.

ANNIUS
kommt
Titus harret deiner mit Sehnsucht.

VITELLIA
verwirrt
Was befiehlt er mit seiner Sklavin?

ANNIUS
Er selbst will dein Glück dir verkünden.

PUBLIUS
Er hat dich zu seiner Gattin erkoren.

VITELLIA
für sich
Ach ihr Götter! raubt mir mein Leben!

ANNIUS
Nimm unsre erste Huldigung an.

Knieet vor ihr mit Publius.

VITELLIA
Steht auf meine Freunde! lasst mich besinnen.

PUBLIUS
Und nun ohne weiters Zögern zu Titus.

Terzett

VITELLIA
Schon komm ich. Wartet, wartet!
Sesto! Götter! Sesto ist fort!
Verwünschte Gier der Rache,
Unsel'ger Rausch der Wut.
Ihr lohnt mit Angst und Schmerzen;
Ihr straft mit Höllenglut.

ANNIUS UND PUBLIUS
Sieh, was an traurigen Herzen
Freude, für Wunder tut.

Alle ab.


ELFTER AUFTRITT
Die Bühne stellt einen Platz vor, wie in der vierten Szene. Sesto kommt ganz verwirrt, und in sich gekehrt.

SESTO
Weh mir! mächtig bestürmt
Furcht und Schrecken mein Herz;
Bang ist mir, ach bange
Fliehn möcht' ich, und bleiben.
Jedes Lüftchen, jeder Schatten
Füllt mich mit Schauer,
Nie könnt ich ahnden, nie wähnen,
Dass soviel meinem Herzen dies Verbrechen koste.
Doch! ich muss vollenden, damit nur ruhmvoll
Mein letzter Schritt noch sei. Noch ruhmvoll?
Verdient wohl Verräterei noch Ruhm?
Unglücklicher Sesto! du ein Verräter? O Schreckensname!
Und dennoch eilst du, ihn zu erhalten!
Und wen verrätst du?
Den erhabensten, den gerechtesten,
Den gütigsten der Fürsten dieser Erde.
Ach, was du hast, was du bist, verdankst du ihm;
Ha! schöner Lohn für so viel Güte; In seinen Freund
Liebt also Titus seinen Mörder!
Nehmt Götter mir mein Leben, wenn ich das werde.
Ach! ich kann nicht Vitellia,
Deinen Durst nach Rache stillen,
Ich stürbe vor der Tat zu seinen Füssen.
Ich muss ihn retten - aber wie,
Schon das Kapitol in Flammen?
Alles in Aufruhr, alles schon bewaffnet!
Ach vergebens ist nun die Reue.

Man sieht aus dem Kapitol Flammen herausschlagen; in der Folge wird der Brand immer heftiger.


ZWÖLFTER AUFTRITT

Finale

SESTO
Erhaltet ihn ihr Götter!
Ach schützt der Menschheit Zier,
Und fällt er ohne Retter,
So schenkt den Tod auch mir.

ANNIUS
kommt
Ach Sesto! wohin gehst du?

SESTO
Ich gehe, ich gehe - du wirst hören,
O Himmel! wirst es sehn zu meiner
Schmach.

Geht ab.

ANNIUS
Wie soll ich das verstehen?
Doch sieh, da kommt Servilia!

SERVILIA
kommt
Ach, welch ein schrecklich Aufruhr.

ANNIUS
Flieh von hier, o Teure!

SERVILIA
Ich fürchte, jene Flammen
Sind nicht des Zufalls Werk;
Nein, der Verdacht vermehrt sich,
Dass Bosheit sie erregt.

CHOR
in der Entfernung
Ach!

PUBLIUS
kommt
Ganz Rom ist schon in Gärung,
Mir bangt für Titus Leben.
O wer mag des Verrates
Verwegnes Haupt wohl sein.

CHOR
in der Entfernung
Ach!

SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS
Ihr Götter, sendet Rettung,
Ach hört des Volkes Schrei'n.

CHOR
etwas näher
Ach!

VITELLIA
kommt
O Freunde! habt Erbarmen!
Sagt, wo ich Sesto finde;
Mein Schmerz grenzt an Verzweiflung,
Ich leide Höllenpein.

SERVILIA, ANNIUS UND PUBLIUS.
O wer mag des Verrates
Verwegnes Haupt wohl sein?
Ihr Götter, sendet Rettung,
Ach hört des Volkes Schrei'n.

CHOR
wie oben
Ach!

Indessen versammelt sich immer mehr Volk auf dem Platze; alle ringen die Hände, und blicken mit Gebärden der Verzweiflung gegen das brennende Kapitol.

SESTO
kommt wie ein Wahnsinniger mit blossem Haupte, zerrütteten Haaren, und entblösstem Schwerte
Wohin, ach wohin entflieh' ich?
Berste o Erde, und öffne dich!
Verschling in deine Tiefen,
Verbirg der Menschheit Fluch.

VITELLIA
Sesto!

SESTO
Was willst du von mir?

VITELLIA
O Götter! welche Blicke!

SESTO
O grausames Geschicke!

VITELLIA
Titus. -

SESTO
Ach dieser Edle
Schwimmt schon in seinem Blute.

SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS
Wer tat mit frechem Mute,
Dies schwarze Werk der Hölle?

SESTO
Ach dieses Ungeheuer,
Ein Greuel der Natur.
War - war -

VITELLIA
Schweige, Unglücksel'ger!
Noch hat man keine Spur.

VITELLIA, SESTO, SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS
Der Stern ach! ist verschwunden,
Der friedlich uns gestrahlt.

CHOR
O Greuel der Verschwörung,
O schreckensvoller Tag.

Alle gehen in Verwirrung ab.

Der Vorhang fällt langsam.



ZWEITER AUFZUG

ERSTER AUFTRITT
Sesto, dann Vitellia.

SESTO
Mich reizt nicht mehr des Lebens Stimme,
Ich suche Ruhe nur im Grab.

VITELLIA
kommt eilig
Fliehe, trauter Sesto, eile,
Meine Ehre und dein Leben
Rettet nur die schnellste Flucht.

SESTO
Deine Ehre ist gerettet,
Meinen Mund verschliesst der Tod.

VITELLIA
Immer liebtest du den Kaiser
Wirst du widerstehen können,
Wenn er zärtlich in dich dringt.

SESTO
Titus fiel durch meine Hände

VITELLIA
Du irrest, Titus lebt,
Ich komme von ihm her.

SESTO
Er lebt? Er lebt? Wie dank ich dir
Für diese Nachricht! O wie wohl ist mir
Der Tod hat keine Schrecken mehr für mich;
Dein Geheimnis bleibt in deinem Busen,
Keine Folter öffnet meine Zunge,
Überzeuge dich nach meinem Tode,
Ob dich Sesto treu geliebt.


ZWEITER AUFTRITT
Publius mit Wachen. Die Vorigen.

PUBLIUS.
Sesto!

SESTO
Was forderst du in diesem Ton?

PUBLIUS
Dein Schwert! - Dein Staunen ist Verstellung,
Dein Verbrechen ist enthüllt,
Lentulus zeugt wider dich.
Er stahl den kaiserlichen Purpur,
Du hieltest irrig ihn für Titus,
Und stachst den Mordstahl ihm ins Herz.
Wisse nun, noch lebet Titus,
Noch lebet Lentulus, um vor dem Volk,
Und dem Senat die Schandtat zu bezeugen.

VITELLIA
für sich
Mein Sesto ist verloren!
mit einem Schrei
Ach!

Terzett

SESTO
Wenn schauerliche Lüfte,
Dein Antlitz einst umschweben,
So fühl das letzte Seufzen,
Den letzten Hauch von mir.

VITELLIA
Um mich muss Sesto sterben.
für sich
Wo Götter, soll ich mich verbergen?
Ach mein Vergehen bleibet
Nicht unbekannt der Welt.

PUBLIUS
Folge mir!

SESTO
zu Publius
Schon komm ich
zu Vitellia
O lebe wohl!

VITELLIA
Nirgends mehr Rettung, o Himmel!

PUBLIUS
Folg mir!

SESTO
Schon komm' ich.

VITELLIA
Welch Missgeschick!

SESTO
Gedenk, gedenk des Armen,
Der dich auch jetzt noch liebet,
Dein Mitleid, dein Erbarmen,
Sei deiner Schmerzen Lohn.

VITELLIA
Ach, das Gefühl des Schreckens
Zerreisset mir die Seele,
Angst und Verzweiflung martert,
Mein Herz mit Todesqual.

PUBLIUS
Ihr herbes, bittres Leiden,
Die Träne ihres Auges
Gehn nahe meinem Herzen,
Mein Mitleid schenk ich ihr.

Alle drei ab.


DRITTER AUFTRITT
Saal mit einem Thron und Nebensitzen.

Titus, Publius, Patrizier, Wache


CHOR
Auf bringet Preis, und Dank
Dem ewigen Geschick,
In Titus erhielt es
Die Ehre des Throns.

TITUS
Nein, nimmer nenn' ich
Unglücklich mein Schicksal,
Denn schlagen nicht Herzen
Für mich noch voll Mitleid!
O schützet noch ferner
Ihr Götter! mein Volk.

CHOR
Auf, bringet Preis und Dank
Dem ewigen Geschick,
In Titus erhielt es
Die Ehre des Throns.

PUBLIUS
Schon ist das Volk auf dem Platze versammelt,
Entziehe ihnen nicht länger die Wonne,
Den geliebten Beherrscher gerettet zu sehn.

TITUS
Ich eile, mein treues Volk zu begrüssen,
Nur wünsch' ich Gewissheit von Sesto Schicksal,
Noch ist sein Verbrechen nicht erwiesen.

PUBLIUS
Lentulus hat gegen ihn gezeugt.

TITUS
Der Verbrecher sucht sich Gefährten,
Sesto ist als mein Freund bekannt;
Der Freund des Kaisers hat immer Neider,
Noch kehrt vom Senate niemand zurück;
Eile Publius, und bringe eine Nachricht.

Geht ab

PUBLIUS
Ich gehorche deinen Befehlen,
Mögen dich deine Gefühle nicht täuschen!

Arie

PUBLIUS
Urteilt bedächtig
Von der Verschwörung,
Noch kann ich nicht trauen,
Dem bösen Gerücht.
Ein Herz voll Treue,
Ein Herz voll Ehre,
Fröhnt nie dem Laster,
Wenn jedes andere
Gern sich verirret,
Und Wort und Treue bricht.

Geht ab, ihm folgen Patrizier und Wache.


VIERTER AUFTRITT

Titus kommt, dann Annius.

TITUS
Sesto! wenn du zum Verräter mir wurdest,
Dann, Glaube an Menschheit, dann bist du dahin.

ANNIUS
kommt eilig
Herr! ich flehe um Gnade für ihn.

TITUS
Auch Annius glaubt an Sesto Verbrechen!


FÜNFTER AUFTRITT

Publius mit dem Urteil. Vorige.

PUBLIUS
Meine Ahnung ward zur Gewissheit,
Sieh hier des Senates Beschluss.

TITUS
Götter! ists möglich? Sesto ist schuldig?

PUBLIUS
Er war selbst des Verbrechens geständig,
Schrecklich, doch billig ist seine Strafe.
Er werde vor allen im Amphitheater
Den reissenden Tieren zur leckeren Speise;
Hier leg' ich das Urteil zur Unterschrift vor.

TITUS
nimmt das Urteil
Ihr Mächte des Himmels! stärkt jetzt meinen Arm!
Er setzt sich an einen Tisch, worauf sich Schreibgeräte befindet.
Die Bande der Freundschaft sind zerrissen,
Das Urteil ist billig. - Sesto sterbe -
- - Warum ergreift ein Zittern die Rechte
Wenn sie sich anschickt zum tötenden Zuge?
Soll ich ungehört ihn verdammen,
steht auf
Nein, noch einmal muss ich ihn sehen
ruft
Wache, man führe den Sesto zu mir!

Arie und Szene

TITUS
für sich
Er sterbe!
zu den übrigen
Entfernt euch alle!
Er muss jetzt sterben
Ihn retten vom Verderben
Kann keine Menschenmacht.

DIE ÜBRIGEN DREI
Ist dies des Titus Milde,
Tod verkündet uns sein Blick.

TITUS
Freundschaft war ihm nicht zu heilig,
Mit zärtlichen Gefühlen
Trieb er nur Kinderspiel;
Ha, schändlich hat er den Freund betrogen
Der nur sein Bestes wollte,
Strafe fodert sein Vergehn.
Gerecht ist meine Rache
Gerecht ist meine Wut.

Zu Ende der Arie tritt Titus in den Vordergrund der Bühne. Annius und Publius gehen ab. Publius kehrt wieder zurück.


SECHSTER AUFTRITT

PUBLIUS
Sesto erwartet deine Befehle.

TITUS
Führt ihn herein, und bewacht ihn genau.

PUBLIUS
führt Sesto herein
Näh're dich Sesto, den Blicken des Kaisers.

Terzett

SESTO
Ha! welch ein Blick von Titus!
O Himmel! wie verschwunden
Ist seine vor'ge Güte,
Jetzt zittre ich vor ihm.

TITUS
O ew'ge Götter! dass ist Sesto!
Kaum sieht er sich mehr ähnlich.
Wie mächtig ein Verbrechen
Des Menschen Stirn entstellt.

PUBLIUS
Tausend verschiedne Triebe
Durchkreuzen Titus Seele
Durch sie vielleicht gedrungen
Gibt er der Grossmut Raum.

TITUS
Sesto? nahe dich!

SESTO
O Worte, die mir das Herz durchschneiden!

Bleibt in der Entfernung stehen.

TITUS
Du hörst nicht?

SESTO
Ach wie wird mir
Ich glühe, ich bebe vor Angst

TITUS UND PUBLIUS
Angst ergreifet den Verräter
Sein Aug' schliesst sich vor Scham

SESTO
Wie gross ist meine Pein
O Götter, welch ein Schmerz!

Titus gibt dem Publius einen Wink, der sich dann mit der Wache entfernet.


SIEBENTER AUFTRITT
Titus und Sesto.

TITUS
tritt nahe, und feierlich zu Sesto
Du also wolltest meinen Tod?
Was reizte dich zu dieser Tat?
Sprich frei mit mir, noch ist's der Freund,
Und nicht den Kaiser, der dich hört.

SESTO
fällt vor ihm auf die Knie
O diese Milde, grosser Kaiser,
Sie schlägt noch mehr mein Herz zu Boden
Ich habe eine Bitte nur;
Gib mir den Tod, und lass mein Blut
Die grosse Lasiertat versöhnen.

TITUS
hebt ihn gerührt auf.
Erheit're deinen Blick, mein Sesto!
Verblendeter! du wolltest herrschen,
Sieh an die Früchte, die ich sammle,
Sie heissen Undank, und Verrat;
Ist wohl mein Los beneidenswert?

SESTO
Nicht Herrschsucht reizte mich zur Tat.
Nur Schwachheit - Leichtsinn. - Edler Fürst,
O lass mich schweigen, lass mich sterben!

TITUS
Ein Geheimnis martert dich,
Lege es in Freundes Busen.

SESTO
Meine Tat verdient den Tod.

TITUS
Nicht dies hoffnungslose Schweigen,
Warst du nicht stets mein Vertrauter?

SESTO
für sich
Welch ein Kampf in meiner Seele?

TITUS
Sesto! bin ich nicht dein Freund?

SESTO
Nein, ich kann nicht länger schweigen,
Wisse also -
sich plötzlich besinnend
Was beginn' ich?

TITUS
Rede frei, was willst du sagen?

SESTO
Dass ich selber mich verachte,
Dass die Götter auf mich zürnen,
Dass ich mir den Tod nur wünsche.

TITUS
beleidigt
Der dir werden soll Verruchter.
Wache!
Die Wache kommt.
Wache! führt ihn fort!

SESTO
Lass mich diese Hand noch küssen.

TITUS
Fort! Jetzt bin ich dein Gebieter.

SESTO
Gewähre diese letzte Bitte.

Arie

SESTO
Da ich einsam vor dir stehe,
Denk' an deine erste Huld;
Denn was mir den Tod verbittert,
Ist Verachtung, Hass von dir.
Unwert bin ich deines Mitleids,
Jeder Lebenshauch sagt mir's,
Dennoch zürntest du gelinder,
Könntest du mein Leiden sehn.
Voll Verzweiflung werd' ich sterben,
Aber ohne Furcht und Schrecken;
Das Gefühl nur ist mir quälend,
Dass ich dir Verräter war.
O wie ist mein Herz beklommen
Das sein Leid nicht klagen kann.

Geht ab.


ACHTER AUFTRITT

TITUS
allein
Das Los ist geworfen! - Sesto sterbe!
Noch fehlet mein Name - ich will unterschreiben.
Er unterschreibt das Urteil.
Stimme der Freundschaft! ich darf dich nicht hören,
ist schuldig - ich kann ihn nicht retten.

Geht ab.


NEUNTER AUFTRITT
Kurzes Zimmer. Vitellia, und Publius kommen von entgegengesetzten Seiten.

VITELLIA.
Publius!

PUBLIUS
Mich rufen Geschäfte zum Kaiser.

VITELLIA
Und Sesto -

PUBLIUS
Erscheinet im Amphitheater.

VITELLIA
So stirbt er? Hat er mit dem Kaiser gesprochen?

PUBLIUS
Sie waren geraume Weile allein.
Die Pflicht gebot mir, mich zu entfernen.

Geht schnell ab.


ZEHNTER AUFTRITT
Vitellia, dann Annius und Servilia von verschiedenen Seiten.

VITELLIA
So kalt spricht Publius mit mir?
Er eilte weg, als scheut' er sich
Mit der Verbrecherinn zu sprechen.
Gewiss hat Sesto mich verraten.
Nun fort zu Titus, er soll wissen,
Was zur Verschwörung mich bewog.

SERVILIA
kommt
Vitellia, rette meinen Bruder!

ANNIUS
kommt
O Fürstin, rette meinen Freund!
Er wird den grimmigen Löwen zur Beute.

VITELLIA
Was kann ich Arme für ihn tun?

SERVILIA
Du wirst des Kaisers Gattin,
Dir versagt er keine Bitte.

VITELLIA
Ist es Wahrheit was ihr sagt?

ANNIUS
Noch vor Untergang der Sonne,
Schliesst er dich in seinen Arm,
Eben gab er mir den Auftrag
Feste aller Art zu ordnen.

VITELLIA
Geht, ihr Lieben! Sesto Rettung,
Nehme ich allein auf mich.

Servilia, und Annius verbeugen sich gegen sie und gehen ab.


ELFTER AUFTRITT
Vitellia allein.

VITELLIA
Sieh die Stunde, o Vitellia,
Die deine Treue prüft, ist nahe,
Hast du wohl Mut, zu bleiben,
Und deinen treuen Sesto
Für dich sterben zu sehn?
Sesto, der dich liebt,
Mehr, als sein eignes Leben;
Der deinetwegen Verbrecher wurde,
Der dir Grausamen folgte,
Dir Ungerechten huldigte?
Der nah im Tode sich
So treu dir beweiset?
Ha, und du könntest
Deiner Schuld nicht unkundig,
Zufriednen Mutes
Den Tron mit Titus teilen?
Stets würd' ich ahnden,
Dass mir Sesto erschiene
Mich fürchten, und ängsten, dass vielleicht
Jedes Lüftchen mich verrate an Titus.
Zu seinen Füssen eile ich,
Alles zu entdecken
Dies mindert vielleicht Sesto Verbrechen,
Ob ich gleich meine Tat
Nicht kann entschuldigen.
Der Herrschsucht und der Liebe,
Entsag ich auf immer.

Arie

Nie wird des Lenzes
Blume mich schmücken,
Nie wehn mir Hymens
Festlicher Kranz.
Doch nehmt Barbaren
Ja alles auch hin,
So bleibt der Tod mir
Immer Gewinn.
Unglücksel'ge, ach ich scheide,
Und nur Fluch folgt mir von hier.
Ach, wer meine Leiden kannte,
Schenkte gern sein Mitleid mir.

Geht ab.


ZWÖLFTER AUFTRITT
Ein offener Platz vor dem Amphitheater, mit Säulen geziert. Titus, Publius, Publius, das Volk. Im Hintergrunde sieht man Sesto, und die Verurteilten in Ketten, dann Annius und Servilia.

CHOR
Dass des Himmels mächt'ge Wesen,
Dich zum Liebling auserlesen,
Hat der Zeitlauf eines Tages
Zur Genüge uns gezeigt.
Doch, wem kann es Wunder nehmen,
Wenn die ewig heil'gen Götter
Den in ihren Schutz aufnehmen,
Der so sichtbar ihnen gleicht.

TITUS
Noch ehe die festlichen Spiele beginnen,
Führe man die Verurteilten vor.

Sesto in Ketten tritt schweigend gegen Titus.

ANNIUS, SERVILIA, PUBLIUS
Gnade für Sesto, Gnade o Herr!

TITUS
zu diesen drei Personen
Auch die Gerechtigkeit fordert ihr Opfer,
Die Strafe des Aufruhrs ist schmählicher Tod,
Ich darf des Gesetzes Strenge nicht mildern.


LETZTER AUFTRITT
Vitellia stürzt herein. Die Vorigen.

VITELLIA
stürzt zu den Füssen des Kaisers
Mein Kaiser! mich treffe deine Rache,
Und Sesto werde frei.

TITUS
Vitellia, was soll das?

VITELLIA
Die Seele der Verschwörung -
Verführerin des Sesto -

SESTO
erschüttert
Vitellia! was beginnst du?

VITELLIA
O Herr! kaum wirst du's glauben
Des Aufruhrs Haupt - bin ich

ALLE
O Götter!

TITUS
Wollt ihr mich alle morden?

VITELLIA
Ich ganz allein bin schuldig
Mich reizte Herrschbegier,
Ich wünschte deine Liebe
Und sah mich nachgesetzt.
Da flammt' in meinem Busen
Die Furie Eifersucht,
Das schwarze Laster an.

TITUS
Steh auf - ermanne dich.
Vitellia steht auf
Welch ein Tag ist der heut'ge!
Kaum entdeck' ich einen Verbrecher,
So naht sich ein zweiter.
Ach, wann find' ich, gerechte Götter,
Ein treues Menschenherz?
Ach, wie verschworen scheint alles,
Mich wider mein Gefühl zu zwingen,
Dass ich grausam sei!
Nein! dieser Sieg soll nimmer euch werden!
Männlich im Streit zu stehen
Heisst mir Tugend, heisst mir Pflicht.
Sehen will ich, ob andrer Untreue
Mächtiger sein wird, als meines Herzens Güte.
Herbei, entfesselt Sesto, und geschenkt
Sei ihm, und seinem Anhang
Das Leben, und die Freiheit;
Rom sei's bekannt, dass ich es bin,
Der längst um alles weiss,
Es vergisst, und gern verzeiht.


Finale
Vitellia, Servilia, Annius, Sesto, Titus, Publius, Chor.

SESTO
Du vergibst mir, o Grossmütiger,
Doch ach, mein Herz vergibt mir nicht.
Stets will ich weinen, und mein Vergehen bereu'n,
Bis mich das Grab umschliesst.

TITUS
Dein Herz voll wahrer Reue,
Das laut aus dir jetzt spricht,
Ist vielmehr wert, als ew'ge
Stets unverletzte Treu.

VITELLIA, SERVILIA, ANNIUS
O welche Grossmut, o welche Huld!
Wer kann so gross sich wähnen?
Ach, bis zu Freudentränen
Rührt so viel Güte mich.

VITELLIA, SERVILIA, ANNIUS, SESTO, PUBLIUS, CHOR
O ew'ge Götter, erhaltet lange
Roms Glanz, und Glück durch ihn!

TITUS
Nehmt Götter, nehmt mein Leben,
Ich geb' es freudig hin,
Wenn ich was heisser wünsche,
Als Rom beglückt zu sehn.

CHOR
Roms Glanz und Glück durch ihn.