Libretto: Il sogno di Scipione

von Wolfgang Amadeus Mozart


Scipios Traum



Personen:
SCIPIONE, Scipio, römischer Feldherr
COSTANZA, Göttin der Beständigkeit
FORTUNA, Göttin des Glücks
PUBLIO, Adoptivgrossvater des Scipio
EMILIO, Vater des Scipio
LICENZA

EINZIGER AKT

Scipio schlafend, Costanza und Fortuna.

Ouvertüre

Rezitativ

FORTUNA
Komm und folge meinen Schritten,
Grosser Sohn des Aemilius,

COSTANZA
Meinen Schritten
Folge und komm, oh Scipio,

SCIPIO
Wer sind die Verwegenen,
Die meine Ruhe stören?

FORTUNA
Ich bin es.

COSTANZA
Ich bin es,
Und Du sollst nicht zürnen.

FORTUNA
Wende Dich mir zu.

COSTANZA
Sieh mir ins Angesicht.

SCIPIO
Oh Götter,
Welche Flut von Licht!
Welch unbekannte Harmonien! Welch lichte,
Heitere Gestalten!
In welcher Gegend befinde ich mich? Und wer seid Ihr?

COSTANZA
Beschützerin der Helden,

FORTUNA
Spenderin
Alles Guten auf der Welt.

COSTANZA
Scipio, ich bin die Beständigkeit.

FORTUNA
Ich das Glück.

SCIPIO
Und was wollt Ihr von mir?

COSTANZA
Dass Du eine von uns
Für Deinen Lebensweg
Als Gefährtin wählst.

FORTUNA
Beide bieten wir Dir an,
Dich glücklich zu machen.

COSTANZA
Und Du musst entscheiden,
Ob Du mir mehr glaubst oder ihr.

SCIPIO
Ich? Aber, Ihr Göttinnen … Was soll ich sagen?

FORTUNA
Du zweifelst?

COSTANZA
Einen Augenblick lang
Kannst Du im Ungewissen sein.

FORTUNA
Ich bin Dir geneigt
Und nicht mir gibst Du Dich hin?

COSTANZA
Meinen Namen hörst Du
Und kommst nicht zu mir?

FORTUNA
Sprich.

COSTANZA
Entschliesse Dich.

SCIPIO
Und wie?
Wollt Ihr, dass ich sprechen soll
Und wenn ich mich entscheiden muss, lasst der Seele
Einen Atemzug lang Zeit und Raum,
Dass sie sich selbst erkennen kann.
Sagt mir, wo ich bin, wer mich hierher gebracht hat.
Ob es wahr ist, was ich sehe, ob ich träume
Oder wache oder in einem Wahn befangen bin.

Nr. 1 - Arie

SCIPIO
Zu entschliessen wagt
Der verwirrte Geist sich nicht.
Der Bedrückung fühlt
Durch so grosse Verwunderung.

Zweifelnd, wirr
Irrt jede Seele ungewiss,
Die in den Gefühlen
Des Herzens schwankt.

Rezitativ

COSTANZA
Recht ist Dein Verlangen. Nach und nach
Frage nur und erfahren wirst Du,
Soviel zu wissen Du begehrst.

FORTUNA
Ja, Scipio, aber Deine Fragen
Seien kurz. Ruhe ist mir unerträglich.
Mein Ergötzen ist es,
Ort und Anblick unentwegt zu wechseln.

Nr. 2 - Arie

FORTUNA
Leicht bin ich, dem Winde gleich,
Wandelbaren Angesichts und flücht'gen Fusses,
Bald bin ich zornig und in einem Augenblick
Kehrt meine Heiterkeit zurück.

Bald reizt es mich, bedrückte Völker
Aufzurichten, bald gefällt es mir,
Jene wieder niederzuwerfen,
Die ich mich zuvor bemühte zu erheben,

Rezitativ

SCIPIO
Wo hin ich also? Massinissas Residenz,
Wo soeben der Schlummer
Meine Augen umfangen hat,
Ist dies sicher nicht.

COSTANZA
Nein. Sehr fern von uns
Ist Afrika. Du bist im unermesslichen
Himmeistempel.

FORTUNA
Erkennst Du ihn nicht an den vielen
Leuchtenden Sternen,
Die rings um Dich strahlen? An dem ungewöhnlichen
Zusammenklang der bewegten Sphären,
Den Du hörst? An dem, was Du erblickst,
Dem Weltkreis, strahlend wie ein Saphir,
Der sie fortreisst auf ihrer Bahn.

SCIPIO
Welche all der Sphären, oh Göttinnen, bringt
Einen so harmonisch tönenden Zusammenklang hervor?

COSTANZA
Gerade ihre in Mass
Und Bewegung abgestimmte
Verschiedenheit. Kreisend
Berühren sie einander. Jede bringt
Einen Ton hervor, verschieden von den anderen,
Und aus allen formt sich ein Zusammenklang.
So verschieden sind die Saiten
Einer Zither und doch, in Höhe und in Tiefe
Von der Hand auf richtige Weise nach dem Ohr
Gestimmt, ergeben sie, angeschlagen, eine sanfte Harmonie.

Dieses wunderbare Band,
Der geheimnisvolle Grund,
Der die Ungleichen zusammenstimmt,
Heisst universelle Proportion, Ordnung und Norm
Alles Erschaffenen.
Das ist es, ein Funke des geheimnisvollen hohen
Wissens, was der Weise von Samos
In seinen Zahlen verborgen hat.

SCIPIO
Warum aber gelangt
Eine so grosse Harmonie nicht bis zu uns?
Warum vernehmen sie jene nicht, die auf Erden wohnen?

COSTANZA
Zu sehr überschreitet sie die Kräfte Eurer Sinne.

Nr. 3 - Arie

COSTANZA
Das Aug', das sich zur Sonne wendet,
Sieht die Sonne nicht, in die es blickt,
Von ihrem übermässigen Glanz
Geblendet.
Wer dort an den Ufern
Des stürzenden Niles lebt,
Hört nicht das Tosen
Seiner vernichtenden Gewalt.

Rezilativ

SCIPIO
Und welche Bewohner …

FORTUNA
Du hast genug gefragt.
Wähle endlich.

SCIPIO
Dulde es noch einen Augenblick. Welche
Bewohner haben diese ewigen Gefilde?

COSTANZA
Viele sind es und verschiedene in verschiedenen Teilen.

SCIPIO
In diesem,
Wo wir sind, wer ist hier versammelt?

FORTUNA
Sieh nur, wer sich naht, und Du wirst es wissen,

Publius, Chor der Helden, dann Aemilius und Vorige

Nr. 4 - Chor

CHOR DER HELDEN
Spross aus Heldenstamme,
Höchste Ehre Roms,
Komm, dessen Name kein fremder
Im Himmel ist.

Tausendfältig findest Du
Deiner Ahnen Spur
Auf dem lichten Pfade,
Den Dein Fuss betrat.

Rezitativ

SCIPIO
Götter, ist es Wahrheit oder Trug? Mein grosser Ahne,
Der Bezwinger Afrikas -
Ist es jener nicht?

PUBLIUS
Zweifle nicht daran, ich bin es,

SCIPIO
Vor Schauder erstatte ich! Also die Verstorbenen …

PUBLIUS
Gestorben,
Scipio, bin ich nicht.

SCIPIO
Doch, zu Asche zerfallen
In Deinem Leichentuch
Wurdest Du von Rom beweint vor langen Zeiten schon.

PUBLIUS
Ach, sei still:
Wenig bist Du Dir selbst bekannt. Du glaubst also,
Dass jene Hand, dies Antlitz,
Diese gebrechlichen Glieder, die Dein eigen sind,
Scipio seien? Ach, so ist es nicht. Die sind
Nur Deine Hülle, Das, was sie belebt,
Der reine, unsterbliche Funke, der ungeteilt ist
Und nicht vergehen kann, der will, begreift,
Der sich erinnert, denkt,
Der mit den Jahren nicht an Kraft verliert,
Der ist Scipio, und der stirbt nicht. Das Los der Tugend
Wäre allzu ungerecht, wenn nach dem Grabe
Nichts von uns übrig bliebe und wenn es keine anderen
Güter gäbe als jene, die auf Erden
Meist den Unrechten zugute kommen.
Nein, Scipio, der vollkommene Urgrund aller Gründe
Kann so ungerecht nicht sein. Es gibt nach dem Tode
Hoffnung auf Belohnung. Jene lichten,
Ewigen Wohnstätten, die Du hier siehst, sind
Vorbehalten für Verdienste. Wo es am schönsten ist,
Wohnt jeder, so wie ich, der auf Erden
Das Vaterland geliebt hat, jeder, der selbstlos
Dem allgemeinen Wohle seine Tage weihte,
Der sein Blut für das Wohl der anderen vergossen hat.

Nr. 5 - Arie

PUBLIUS
Willst Du eines Tages
In diese Stätten aufgenommen werden,
Gedenke Deiner Ahnen
Und vergiss mich nicht.

Der lässt das Leben nie,
Der gestorben ist wie wir.
Wer für sich nur lebt,
Hat nicht verdient, zur Welt zu kommen.

Rezitativ

SCIPIO
Wenn hier die Helden leben ...

FORTUNA
Wenn Dein Verlangen noch immer
Nicht gestillt ist, Scipio,
Ist meine Langmut nun erschöpft.

COSTANZA
Lass ihn doch
Nach Belieben fragen. Was er erfährt,
Befähigt ihn zum Urteil über uns.

SCIPIO
Wenn hier die Helden leben, die dem
Vaterlande nützlich waren, weshalb seh' ich meinen Vater,
den Kriegsmann, nicht in den Gefilden?

PUBLIUS
Du hast ihn vor Augen, und Du siehst ihn nicht?

SCIPIO
Wahrhaftig, wahrhaftig.
Verzeih, erhabener Vater, ich irrte. Doch die Schuld,
Dass ich Dich so spät erkenne, liegt an dem durch
Verwunderung getrübten Blick und nicht am Geist,
Der Dein Bild stets vor sich hat.
Ach, Du bist es! Schon finde ich
Die alte väterliche Majestät
Auf dieser Stirne wieder. Schon spür' ich wieder,
Wenn ich Dich erblicke, im Herzen das Gefühl
Von Ehrfurcht und von Liebe. Oh glückbringende
Götter! Oh lieber Vater! Oh froher Tag! Doch wie -
So ruhig empfängst Du mich? Dein Antlitz
Ist wohl heiter, aber nicht gerührt. Ach,
Fühlst Du also nicht die gleiche Freude
Beim Wiedersehen wie ich?

EMILIO
Mein Sohn, die Freude
Ist bei uns im Himmel anders.
Hier folgt sie nicht auf Kummer. Sie steht höher.

SCIPIO
Ich bin ausser mir. Alles ist mir neu hier oben,
Alles setzt mich in Erstaunen.

EMILIO
Hier kannst Du falsche Begriffe,
Die Du Dir auf Erden machtest, nicht gebrauchen
Und stehst ihnen so fern. Senke den Blick,
Siehst Du dort unten, von trüben Nebeln eingehüllt,
Jenen kleinen Ball, diesen Punkt?

SCIPIO
Oh Götter,
Es ist die Erde?

EMILIO
Du sagst es.

SCIPIO
So viele Meere,
So viele Flüsse, Wälder und so viele
Weite Länder, gegensätzliche Staaten?
Verschiedene Völker? Und der Tiber? Und Rom? ...

EMILIO
Alles umschliesst der Punkt.

SCIPIO
Ach, geliebter Vater,
Welch kleine, eitle,
Welch elende Bühne hat menschlicher Prunk.

EMILIO
Ach, mein Sohn. Wenn Du erst
In die Schauspieler dieser Bühnen blicken könntest,
Wenn Du ihren Wahn, ihren Irrtum,
Ihre Träume sehen könntest und welche
Gründe, die wert sind, dass man nur darüber lacht,
Sie erregen, ausser sich geraten lassen,
Sie erheitern, bekümmern oder sich verlieben lassen,
Um wieviel nichtiger erschiene es Dir noch.

Nr. 6 - Arie

EMILIO
Ihr da unten lacht
Über ein Kindchen, das weint,
Denn Ihr seht den Grund
Für seinen törichten Schmerz.

Hier heroben lacht man über Euch,
Denn im Alter, nah dem Ende,
Mit weissem Haupte schon
Seid Ihr noch alle Kinder.

Rezitativ

SCIPIO
Publius, Vater, ach lasst mich
Bei Euch bleiben. Froh verlasse ich
Den allzu unglücklichen Wohnsitz dort unten.

FORTUNA
Noch ist es nicht erlaubt.

COSTANZA
Noch steht es Dir nicht zu.

PUBLIO
Du wirst noch lange leben.

SCIPIO
Ich habe genug gelebt.
Genug. Genug für mich.

EMILIO
Ja, doch genügt es dem Plan
Des Schicksals nicht, dem Wohle Roms,
Der ganzen Welt, dem Himmel.

PUBLIUS
Viel hast Du getan und viel mehr
Will man noch von Dir. Du gehst nicht
Ohne ein Geheimnis fort, Scipio, stolz
Auf den Lorbeer Deiner Ahnen und des Vaters.
Den ersten Schweiss des ruhmreichen iberischen
Feldzugs hast Du nicht aus Zufall nur vergossen.
Nicht aus Zufall trägst Du jenen Namen,
der Verhängnis für Afrika bedeutet, Mir war es gegeben,
Eine so grosse Feindin ins Joch zu zwingen. An Dir ist
Es, sie zu zerstören.
Geh, bereite aber Deine Brust auf
Unglück nicht minder vor als auf Triumphe. In jedem
Los bleibt sich die Tugend selber gleich. Berührt
Wird sie wohl von widrigem Geschick, doch nicht erdrückt.
Hat sie weniger Glück,
Wird sie um so erhabener.

Nr. 7 - Arie

PUBLIUS
Auf steilem Hange die bejahrte Eiche
Wird im Widerstand zum Wind, der sie bekämpft,
Sicherer und fester.

Entlaubt der Winter ihre Krone,
Senkt sie die Wurzel tiefer in den Grund.
Kraft gewinnt sie, wenn an Schönheit sie verliert.

Rezitativ

SCIPIO
Da dem Willen des Geschickes sich zu widersetzen
Doch vergeblich ist, werde ich gehorchen.

COSTANZA
Scipio,
Nun ist es Zeit zu wählen.

FORTUNA
Unterrichtet bis Du nun.
Du kannst urteilen über uns.

SCIPIO
Publius, man will,
Dass eine dieser Göttinnen …

PUBLIUS
Alles ist mir bekannt.
Wähle nach Deinem Willen.

SCIPIO
Rate mir,
Erhabener Vater!

EMILIO
Mein Sohn, um den Ruhm der rechten Wahl
Brächte Dich mein Rat!

FORTUNA
Wenn Du begehrst, glücklich zu sein,
Scipio, lass mich Deiner nicht überdrüssig werden.
Fasse den Augenblick. Ergreife mich beim Schopf.

SCIPIO
Doch Du, die mich sosehr bedrängt,
Sag, aus welchem Grund
Soll ich Dir folgen? Warum soll ich
Dich eher wählen als die andere?

FORTUNA
Und was wirst Du tun,
Wenn ich nicht als Freundin Deine Taten
Unterstütze? Weisst Du, was ich vermag? Ich bin
Gebieterin über jedes Übel, jedes Gut
Dort unten. Dies ist die Hand,
Die nach ihrer Laune Freud und Leid,
Beleidigung und Ehre,
Elend und Schätze austeilt. Ich hin es,
Die Reiche erstehen lässt, zerstört
Und neu erbaut. Ich verwandle, wenn es mir gefällt,
Die Hütte in einen Thron und, wenn ich will,
Den Thron in eine Hütte. Mir untertan
Sind Unwetter des Himmels
Und die Stürme des Meers. Das Geschick
Der Schlachten regle ich. Wenn ich gnädig bin,
Lasse ich selbst aus Verlusten
Die Siegespalme spriessen und, bin ich zornig,
Entwinde ich den Lorbeer noch im Sieg
Der Hand des Siegers. Was noch? In meinem Reiche
Sind weder Wert noch Tugend
Davor bewahrt, denn, wenn das Schicksal will,
Scheint der Feigste stark und feig der Starke
Und Astreas spottend,
Ist die Schuld im Recht und ist die Unschuld schuldig.

Nr. 8 - Arie

FORTUNA
Auf wen ich heiter blicke,
Dem ist des Nachts der Himmel hell.
Im Frost beginnt die Erde
Neu für ihn zu spriessen.

Auf wen ich aber finstere
Düstere Blicke werfe,
Dem versagt der Wald die Zweige;
Keine Welle findet er im Meer.

Rezitativ

SCIPIO
Und gibt es keinen,
Der sich einer so ungeheuren Macht entgegenstellt?

COSTANZA
Ja, die Beständigkeit,
Ich, Scipio, ich allein
Schreibe ihrem gefürchteten Reiche
Gesetze und Grenzen vor.
Wo ich bin, dort reicht die Herrschaft
Der Unbeständigen nicht hin, denn vor mir
Haben weder ihre Gaben Glanz,
Noch Schrecken ihre Drohungen. Wohl müssen
Manchmal Wert und Tugend durch sie
Beleidigung erdulden, doch ihre üblen Werke
Enthüllt und rächt die Zeit.
Ich bin es und nicht sie,
Die Reiche erhält. Rom und Deine Ahnen
Wissen es. Die Freiheit Roms war wohl erschüttert,
Bedrängt durch Brennus nah am Tarpejischen Fels,
Doch nicht zerstört.
Wohl sah am Aufidus der römische Konsul
Ringsum die jungen Krieger elend zugrunde gehen,
Doch er verzweifelte nicht.
Zur Krönung seines Ruhms
Eilte Hannibal nach Rom
Und verdunkelte es beinah durch seine Standarten.
Statt dessen fand er, dass auf dem Boden Roms
Ein Sieg ihm teuer zu stehen käme.
Mein sind solch schöne Beweise, und ihnen
Hält das Glück nicht stand. Es wird ihrer müde.
Schliesslich ändert sich das Bild und, sich selbst
Zum Trotze, wird das Glück mir untertan.

Nr. 9 - Arie

COSTANZA
Weiss umflutet, scheint der Fels
Im Meer zu wanken.
Zu verschlingen
Scheint ihn die aufgetürrnte See.

Doch der umkämpfte Stein
Hält stand mit Stolz.
Das ebene, beruhigte Meer
Leckt dann seinen Fuss.

Rezitativ

SCIPIO
Nicht weiter, schöne Beständigkeit.
Führe mich, wohin Du willst. Anderer achte ich nicht!
Hier bin ich, Dir zu folgen.

FORTUNA
Und meine Gaben?

SCIPIO
Begehre ich nicht und lehne ich ab.

FORTUNA
Und meinen Zorn?

SCIPIO
Ihm trotze ich und fürchte nichts.

FORTUNA
Vergeblich könntest Du bereuen
Eines Tages, Scipio. Sieh mir ins Gesicht.
Bedenke es und dann entscheide.

SCIPIO
Ich habe schon entschieden.

Nr. 10 - Arie

SCIPIO
Bist Du auch Gebieterin
Der ganzen Welt,
Fordere nicht noch
Macht über eine
Unerschrockene Seele,
Über ein edles Herz.

Feig mögen jene Dich verehren,
Herrschsüchtige Gottheit,
Die nichts schätzen,
Jene, die nichts haben
Als Deiner Gunst
Nichtiges Verdienst.

Rezitativ

FORTUNA
Gibt es einen Sterblichen, der es wagt,
Mir seine Huldigungen zu verweigern?
Der meine Gunst nicht zu erlangen trachtet?

SCIPIO
Ja, mich.

FORTUNA
Nun gut, erlebe mich als Gegnerin. Heda, kommt,
Grauenvolles Unheil, düsteres Unglück,
Diener meines Zorns: Kommt über den Verwegenen,
Ich liefere ihn Euch aus.

SCIPIO
Himmel, was ist das? Welch blutrotes Licht.
Welche Nebelschleier! Welche Stürme!
Welche Finsternis. Ach, wie dröhnt
Das furchtbare Tosen
Stürzender Sphären. Hunderte von Blitzen
Streifen mein Haupt. Es scheint, als würde im Himmel
Alles zusammenbrechen. Nein, ich fürchte nichts.
Ruchloses Glück, vergeblich drohst Du, vergeblich,
Tückische, ungerechte Göttin ... Doch wer rüttelt
Mich? Mit wem spreche ich? Wo bin ich? Das ist doch
Massinissas Wohnsitz? Und Publius? Und der Vater?
Die Sterne? Der Himmel? Alles ist verschwunden!
War alles, was ich sah, ein Traum?
Nein, die Beständigkeit, sie war kein Traum. Sie bleibt bei mir.
Ich fühle, wie die Gottheit meine Brust erfüllt.
Ich verstehe Euch, Ihr Götterfreunde:
Das Zeichen nehme ich an.


HULDIGUNG
(Huldigungskantate zur Inthronisierung von Fürsterzbischof Hieronymus Colloredo)

Rezitativ

LICENZA
Es ist nicht Scipio, oh Herr (ach, wer könnte
Dich belügen!), Gegenstand meiner Verse
Ist nicht Scipio. Die Rede ist von Dir,
Wenn ich von ihm spreche. Jener erlauchte Name
Ist der Schleier, durch den
Meine Ehrfurcht sich verbirgt.
Die Lippen preisen Scipio und Hieronymus das Herz.

Nr. 11 a - Arie

LICENZA
Ach, wozu in dem, was der Vergessenheit
Entrissen wurde, suchen,
Was uns der Himmel gibt in Dir.
Wer Tugendbeweise sucht,
Hört sie von jenen, sieht sie aber in Dir,
Und stets ist dem trägeren Ohr
Weniger zu trauen als dem Blick.

Nr. 12 - Chor

CHOR
Hundertfach, mit frohem Angesicht, Erhabener
Fürst, kehre aus den Meereswogen die
Morgendämmerung eines so heiteren Tages wieder.

Ehren soll die unbeständige Göttin
Die Mitra, die Du auf dem Haupte trägst,
Die grosse Seele, die Deine Brust umschliesst.