Libretto: Ernani

von Giuseppe Verdi


 Personen:
ERNANI, ein Banditenanführer, eigentlich Don Juan von Aragon (Tenor)
DONNA ELVIRA, Nichte und Verlobte von Silva (Sopran)
DON CARLO, Karl I., König von Spanien (Bariton)
DON RUY GOMEZ DE SILVA, ein spanischer Grande (Bass)
DON RICCARDO, ein Landedelmann des Königs (Tenor)
JAGO, Schildknappe Silvas (Bass)
GIOVANNA, Elviras Vertraute (Sopran)

CHOR
Banditen, Ritter, Gefolgsmänner, Höflinge, Pagen und Hofdamen



ERSTER TEIL - »Der Bandit«

Vorspiel

ERSTE SZENE
In den Bergen von Aragonien. Man sieht in der Ferne das maurische Kastell des Don Ruy Gomez de Silva. Es ist kurz vor Sonnenuntergang. Bergrebellen und Banditen in ihrem Lager, sie essen und trinken

Introduktionschor

CHOR
Hoch! Lasst uns trinken!
Im Wein wenigstens lasst uns
nach einer Freude suchen!
Was bleibt dem Banditen,
der von allen gemieden wird,
wenn ihm das Glas fehlt?
Lasst uns spielen, denn das Gold
ist ein eitler Schatz,
der kommt und geht.
Lasst uns spielen, wenn das Leben
uns keine willfährige,
lächelnde Schönheit mehr schenkt!
Zwischen Büschen und Abhängen
sind unsere einzigen Gefährten
der Degen und der Dolch.
Wenn es Nacht wird,
sind sie unser Ruhekissen
in einer grausigen Grotte.

Seid fröhlich! Lasst uns trinken! usw.


ZWEITE SZENE
Der niedergeschlagen wirkende Ernani erscheint auf einem Gipfel

CHOR
Ernani ist nachdenklich!
Warum, o werter Mann,
bist du bleich?
Wir haben dasselbe Schicksal,
im Leben und im Tod
gehören dir unser Arm und unser Herz.
Wie ein fliegender Pfeil
können wir
das vorherbestimmte Ziel finden.
Der ist kein Mensch,
der mit Blei und Dolch
nicht umgehen kann.

Seid fröhlich! Lasst uns trinken! usw.

Rezitativ und Kavatine

ERNANI
Habt Dank, liebe Freunde,
für so viel Liebe, danke.
Hört alle von meinem Kummer;
und wenn ihr euren Beistand verweigert
ist Ernani vielleicht für immer verloren.

So wie der Tau auf eine
verwelkte Blume sinkt,
so sank die Stimme einer Jungfrau
aus Aragonien auf mein Herz;
Es war der erste Seufzer
einer Liebe, die mich beglückte.
Der alte Silva wagte es, nach ihr
seine Hand auszustrecken,
und morgen will der Grausame
sie heiraten.
Ach, wenn sie mir genommen ist, ach, ich Armer!
Vor Kummer werde ich sterben!
Wir wollen sie entführen...

CHOR
Sie soll entführt werden,
aber wird sie es wagen, uns zu folgen?

ERNANI
Sie schwor es mir.

CHOR
Dann wollen wir kommen
und dir zur Burg folgen.
Wenn es Nacht wird,
besitzt du Gefährten für dein Werk,
jeder Dolch wird ein Schild sein
vor den Häschern des Rivalen.
Komm, Ernani, deine Schöne
sei der leuchtende Stern für die Banditen.
Der Preis für deinen Mut
sei die Süsse der Liebe.

ERNANI
Sie sei mein engelhafter Tröster
im Schmerz des Exils.
für sich
O du, die mein Herz verehrt,
komm, beglücke mein Leben;
für uns wird die Liebe
die anderen Güter ersetzen.
Wenn Ernani dein Gesicht
lächeln sieht,
vergisst er seine Mühen
und sein Leid.

CHOR
Komm, Ernani, deine Schöne sei
der leuchtende Stern für die Banditen usw.

ERNANI
O du, die mein Herz verehrt usw.

Sie machen sich auf den Weg zum Schloss


DRITTE SZENE
Prachtvoll ausgestattete Räume in der Burg der Silva. Es ist Nacht

Szene und Kavatine

ELVIRA
Die Nacht ist gekommen, und Silva ist nicht zurückgekehrt!
Ach, dass er doch nie wiederkäme!
Dieser verhasste Greis,
der mich verfolgt wie ein unreiner Geist.
Für immer hat Ernani mein Herz mit seinen Liebesworten erobert.

Ernani! Ernani, entführe mich
aus diesen verhassten Banden.
Lass uns fliehen, wenn die Liebe mir
gestattet, mit dir zu leben;
ich will dir folgen
durch Höhlen und öde Ebenen.
Die Höhlen werden das Paradies
meiner Freuden sein.


VIERTE SZENE
Dienerinnen kommen herein und tragen wertvolle Hochzeitsgeschenke

DIENERINNEN
Wie sehr die iberischen Mädchen
dich beneiden werden, Herrin!
Wie gerne würden sie Silva
heiraten, der dich verehrt!
Diese prächtigen Ketten
sendet dir der Bräutigam;
mit den Edelsteinen
und durch die Kette, ach,
wirst du einer Königin gleichen!
Morgen wird jeder dir zujubeln.

ELVIRA
Ein treuherziger Glückwunsch
von euch ist mir lieb.
für sich
Ich verwünsche alles,
was nicht von Ernani zu mir spricht;
kein Edelstein könnte den Hass
in Liebe wandeln, ach!
Fliege, Zeit, und bringe mir rasch
den frohen Augenblick meiner Flucht!
Fliege, Zeit, das Warten ist dem
liebenden Herzen eine Qual.

DIENERINNEN
Wenn sie keine Freude zeigt,
so wird sie eine Braut, aber keine Liebende sein.

Elvira und die Dienerinnen gehen ab


FÜNFTE SZENE
Don Carlo und Giovanna treten auf

Szene und Duett

CARLO
Bring sie zu mir, rasch.

GIOVANNA
Herr, seit vielen Tagen
ist sie immerzu bekümmert, sie meidet jede Gesellschaft;
und Silva ist abwesend...

CARLO
Ich verstehe. Gehorche mir jetzt.

GIOVANNA
Es geschehe.
geht ab


SECHSTE SZENE

CARLO
für sich
Warum raubt Elvira mir die Ruhe?
Ich liebe sie, sie aber achtet nicht
auf meine Macht oder. meine Liebe,
und ich fühle mich einem verschworenen
Feind vorgezogen, einem Räuber;
ein letztes Mal will ich versuchen, dieses Herz zu erobern.


SIEBENTE SZENE
Elvira tritt auf

ELVIRA
Herr, ist es möglich? Ihr selbst... und zu dieser Stunde?

CARLO
Die Macht der Liebe hat mich hergeführt.

ELVIRA
Ihr liebt mich nicht, Ihr lügt.

CARLO
Was redest du? Ein König lügt nicht.

ELVIRA
Dann geht augenblicklich.

CARLO
Komm mit mir.

ELVIRA
Gott bewahre!

CARLO
Komm, folge mir; du wirst sehen, wie sehr ich dich liebe...

ELVIRA
Und meine Ehre?

CARLO
Du wirst die Zierde meines Hofes sein.

ELVIRA
Nein, geht hinweg!

CARLO
Hast du einen Räuber zum Herrn über dein Herz erkoren?

ELVIRA
Jedes Herz bewahrt ein Geheimnis.

CARLO
Vernimm das Geheimnis meines Herzens.

Seit dem Tag, da ich dich gesehen,
schön wie die erste Liebe,
habe ich meinen Frieden verloren,
für dich schlug mein Herz.
Neige dich, Elvira, meinen Wünschen;
ich begehre deine reine Liebe;
ach, du bist die Freude und das Leben
deines Geliebten, deines Königs.

ELVIRA
Stolzes Blut von Aragonien
fliesst in meinen Adern;
der Glanz einer Krone
kann dem Herzen keine Gesetze aufzwingen.

Ich trachte nicht nach dem Thron,
noch möchte ich die Gunst eines Königs.
Ach, eure Liebe, Herr,ist ein zu grosses
oder ein zu schändliches Geschenk für mich.

CARLO
Neige dich, Elvira, meinen Wünschen usw.

Szene und Terzett

CARLO
fasst sie am Arm
Ich will nichts hören, du wirst die meine sein,
komm, folge mir.

ELVIRA
Der König, wo ist er?
Ich erkenne ihn nicht wieder.

CARLO
Du kennst ihn.

ELVIRA
zieht ihm den Dolch aus der Seite
Ich weiss, dass dieser für mich genügt.
Lasst mich, oder ich werde in Verzweiflung
unser beider Herz töten.

CARLO
Meine Getreuen sind hier!

ELVIRA
O Schrecken!


ACHTE SZENE
Ernani kommt durch einen geheimen Eingang und stellt sich zwischen beide

ERNANI
Zwischen diesen Getreuen stehe auch ich.

CARLO
Du bist Ernani! Das sagt mir die Verachtung,
die in meine Seele dringt bei deinem Anblick.
Du bist Ernani, der Räuber, der unwürdige
Aufrührer dieser Gegend...
Auf meinen Befehl wirst du sterben.
Mach dich fort, ich verachte dich, ich habe
Mitleid mit dir; flieh, bevor mein Zorn erwacht,
du Tor, vor dem König, den du beleidigt hast.

ERNANI
Kennst du mich? Du wirst also wissen,
mit welchem Hass mein Herz dich verabscheut;
du hast meine Güter und meine Ehre geraubt,
mein Vater wurde von dem deinigen ermordet.
Um den Zorn noch zu steigern, lieben wir beide
diese Frau, der du nachstellst.
Im gegenseitigen Hass und in der Liebe sind wir gleich,
komm also, ich fordere dich heraus, o König.

ELVIRA
tritt mit gezogenem Dolch zwischen beide
Nein, ihr Grausamen, der mächtige Zorn, der euch im Herzen brennt,
ist kein Zeichen eurer Liebe zu mir.
Warum verachtet ihr vor der Welt
die Ehre Elviras und ihres Hauses?
Wenn ihr auch nur ein Anzeichen gebt, oder ein
Wort redet, so werde ich durchbohrt vor euren Füssen liegen.
Nein, diese Seele kennt in einem solch grausamen Augenblick
weder den Liebhaber noch den König.

CARLO
Flieh, du Tor, vor dem König, den du beleidigt hast.
Tor! Mach dich fort! Geh, ich habe Mitleid mit dir.
Auf ein Zeichen von mir bist du vernichtet usw.


NEUNTE SZENE
Plötzlich tritt Silva ein. Carlo stellt sich so, dass Silva ihn nicht leicht erkennen kann. Elvira versucht sich zu sammeln und sie verbirgt den Dolch

Finale des Ersten Aktes

SILVA
Was sehe ich! Im heiligsten Innern meines Hauses
sehe ich zwei Verführer
bei der, die einem Silva
angetraut sein wird!
Tretet ein, holla, meine vertrauten Ritter.

Ritter und Hausdiener, Giovanna und Dienerinnen treten ein

Ein jeder sei Zeuge der Schande,
der Schmach, die ihrem Herrn bereitet wird.
für sich
Unglücklicher! Und du glaubtest sie dein,
diese schöne, unberührte Lilie!
Auf dein schneeweisses Haar
fällt stattdessen Schande.
Ach, warum habe ich mir ein junges Herz
und ein jugendliches Gemüt aufbewahrt!
Wenigstens das Herz hätte in den Jahren
kalt werden sollen.
zu Carlo und Ernani
Die beleidigte Ehre, ihr Herren,
wird nicht ungerächt bleiben.
Waffenträger, gebt mir das Schlachtbeil und mein Schwert;
der alte Silva will die Rache und zwar sofort.

Solange der Alte noch
ein rächendes Schwert besitzt,
wird er die Schmach tilgen,
oder besiegt zur Erde fallen!
Der plötzliche Groll, der mich verzehrt,
macht mich zittern;
aber die Hand wird nicht zittern,
die das Herz des Verräters sucht.

CHOR
Dieses edle Herz kann
seine Empörung nicht bezwingen, nein.

SILVA
Geht hinaus...

ERNANI
Aber, Herr...

SILVA
Kein Wort, wenn ich rede.

CARLO
Herzog...

SILVA
Lasst die Schwerter sprechen; geht hinaus, ihr Feiglinge.
zu Carlo
Und du kommst zuerst.


ZEHNTE SZENE
Jago und Don Riccardo treten auf

JAGO
Der königliche Waffenträger, Don Riccardo.

SILVA
Er kommt gerade recht, ein Zeuge meiner Rache.

RICCARDO
verweist auf Carlo an seiner Seite und nimmt Haltung an
Vor dem König ziemt sich allein Treue und Verehrung.

ELVIRA, ERNANI
für sich
Ich zittere nur für dich!

GIOVANNA, SILVA, JAGO, CHOR
Himmel! Es ist der König!

RICCARDO
Verehrung dem König!

CARLO
Ich bin der König!
zu Don Riccardo
Sieh, wie der gute Alte
jetzt den Zorn in seinem Herzen ablegt;
die Gegenwart seines Königs
bringt ihn wieder zur Vernunft.

RICCARDO
zu Carlo
Noch flackert das Feuer der Eifersucht
wild in Silvas Brust,
aber die Achtung vor seinem König
tritt jetzt an die Stelle des Zorns.

SILVA
Ach! Ein Schleier wird vor meinen Augen gezogen!
Ich glaube kaum, was ich sehe,
die Gegenwart meines Königs
konnte ich kaum erahnen.

GIOVANNA, JAGO, CHOR
untereinander
Silvas Gesicht zeigt deutlich
den Kampf in seinem Herzen,
trotzdem unterdrückt er seinen Zorn
in der Gegenwart des Königs.

ELVIRA, ERNANI
Ich zittere nur für dich!

ERNANI
leise zu Elvira
Höre Elvira: im Morgengrauen
werde ich dich aus diesem Kummer befreien;
aber widerstehe deinem Tyrannen,
bewahre deinen Glauben für Ernani.

ELVIRA
leise zu Ernani
Dein auf ewig, oder dieses Schwert
wird mich für immer von den Tyrannen erretten!
Mein standhafter Glaube ist
mir Trost im Kummer.

SILVA
Die Gegenwart meines Königs
konnte ich nicht erahnen.

RICCARDO, CARLO, GIOVANNA, CHOR
untereinander
Die Gegenwart seines Königs
bringt ihn wieder zur Vernunft.

JAGO
für sich
Ach, trotzdem unterdrückt er seinen Zorn
in der Gegenwart des Königs.

SILVA
kniet vor dem König nieder
Mein Herr, ich bin betrübt.

CARLO
Steh auf, Freund, ich verzeihe dir.

SILVA
Diese Verkleidung...

CARLO
Ich sehe, sie hat dich getäuscht.
halblaut zu Silva
Der Tod hat meinen erlauchten Grossvater ereilt,
nun denkt man an den Nachfolger.
Ich kenne deine Treue und dein Herz,
ich suche den Rat eines Getreuen.

SILVA
Das ist mir eine Ehre - höchste Ehre.

CARLO
laut, damit ihn alle hören
Mit deinem Einverständnis werden wir diese
Nacht auf deiner Burg verbringen.

SILVA
Ich bin erfreut, mein König.

ELVIRA, ERNANI
für sich
Was höre ich!

CARLO
zu Ernani
Ich will dich retten
zu Silva, auf Ernani weisend
Dieser Getreue wird augenblicklich abreisen.

ELVIRA
für sich
Der Himmel sei mir gnädig!

ERNANI
mit Blick auf Carlo
Ich dein Getreuer? Es wird immer wie ein
Geist sein, der die Rache sucht.
Mein Vater, der von dem deinen ermordet wurde, erwartet sie;
ich werde den zornigen Schatten besänftigen.
Endlich werde ich den ungerächten Zorn, der mir
im Herzen brennt, stillen können.

ELVIRA
leise zu Ernani
Flieh, Ernani, rette dich für meine Liebe,
flieh, flieh diesen schrecklichen Ort;
hier, du siehst es; hier hasst dich jeder.
Flieh, ein Wort kann dich verraten.
Du besitzt ganz mein Herz,
ich will meine Treue dir bewahren.

ERNANI
Ich werde den zornigen Schatten usw.

CARLO
zu Silva und Don Riccardo
Mehr als alles andere ersehne ich den Glanz
der leuchtenden Kaiserkrone;
Wenn die Krone für mein Haupt bestimmt ist,
so will ich mich ihr würdig erweisen.
Mit mir wird die gütige Gerechtigkeit und
die Tugend auf den Thron steigen.

SILVA, RICCARDO
zu Carlo
Vertraue auf dein Recht, Herr:
es ist heiliger und gerechter als das jedes anderen;
Nein, niemals wurde der Lorbeer der Cäsaren
auf ein würdigeres Haupt gelegt.
Wer die Liebe Spaniens besitzt,
verdient die Liebe der ganzen Welt.

JAGO,CHOR
Silva hat seine Wut in Freude verwandelt,
nun sieht man sein Herz voller Freude.
Wie sich das Meer beruhigt,
wenn der Zorn der Winde nachlässt.
Der Aufenthalt des Königs bringt der
Burg Silvas neue Ehre.

GIOVANNA, DIENERINNEN
untereinander
Warum ist Elvira in der Blüte ihres Lebens so
verwirrt und bedrückt...
Jetzt, da ihr Hochzeitstag heranrückt,
zeigt sie kein freudiges Lächeln?
Man sieht klar, dass ihr natürliches Herz
keine Liebe heucheln kann.

ZWEITER TEIL - »Der Gast«

ERSTE SZENE
Prächtiger Saal im Palast des Don Ruy Gomez de Silva. Die Türen führen in verschiedene Räume. An den Wänden sieht man reichverzierte Rahmen, die mit Herzogskronen, vergoldeten Wappen und Porträts der Familie Silva geschmückt sind. Neben jedem Porträt befindet sich eine vollständige Pferderüstung, die aus der Zeit stammt, in der die abgebildete Person lebte. Man sieht auch einen reichen Tisch, neben dem ein herzoglicher Armsessel aus Eichenholz steht. Ritter und Edelknaben des Don Ruy. Damen und Kammerzofen der Elvira

Introduktion - Galopp mit Chören

CHOR
Lasst uns jubeln! Freude soll uns erfüllen!
Alles lächelt in Silvas Burg;
nein, niemals ist ein schönerer
Tag als dieser im Orient aufgegangen.

Lasst uns jubeln! usw.

Welche Blume, die auf anmutigem Beet
aus einem jungfräulichen Stiel duftet,
und der Himmel und Erde huldigen,
besitzt die Schönheit Elviras.

Diese Blume wird gepflückt und verehrt
vom schönsten und edelsten Ritter,
der jetzt an Besonnenheit und Weisheit
alle die besiegt, die er am Tag an Wert überragt.

Der Ehebund sei so glücklich, wie er es verdient,
und wenn er durch einen Abkömmling beglückt werden kann,
so möge das Kind die Vernunft und Schönheit der Eltern besitzen,
so wie sich die Sonne im Meer spiegelt.

Lasst uns jubeln! usw.


ZWEITE SZENE
Jago und Silva treten auf. Silva, der als spanischer Grande prächtig gekleidet ist, nimmt in dem herzoglichen Armsessel Platz

Szene und Terzett

SILVA
Jago, bring mir sofort den Pilger. Jago geht hinaus. Gleich darauf erscheint Ernani in der Tür, als Pilger gekleidet

ERNANI
Der Himmel möge es Euch vergelten.

SILVA
Komm näher, Pilger, was wünscht du?

ERNANI
Ich bitte um Gastfreundschaft.

SILVA
Einem Silva war sie immer heilig, und so soll es bleiben.
Wer du bist und woher du kommst,
will ich nicht wissen.
Du bist mein Gast, Gott sendet dich,
befehle.

ERNANI
Herr, dir sein Dank.

SILVA
Lass dich nicht herab:
Hier ist der Gast Herr.


DRITTE SZENE
Eine Zimmertür öffnet sich, und Elvira tritt ein, in reichem Hochzeitskleid, gefolgt von jungen Edelknaben und Mädchen

SILVA
zu Ernani
Siehst du? Meine Braut kommt.

ERNANI
Braut!

SILVA
zu Ernani
In einer Stunde
zu Elvira
Elvira, trägst du nicht
den Ring
und die herzogliche Krone?

ERNANI
Braut! In einer Stunde! Dann, o Herzog,
will ich dir mein Hochzeitsgeschenk überreichen.

SILVA
Du?

ERNANI
Ja.

ELVIRA
für sich
Was höre ich!

SILVA
Und welches?

ERNANI
wirft seinen Pilgermantel fort
Meinen Kopf.

ELVIRA
für sich
Es ist Ernani! Grosser Gott!

ERNANI
Ich biete euch allen so viel
Gold, wie ein begieriges
Verlangen befriedigen könnte;
nehmt es als Preis meines Lebens.
Tausend Soldaten verfolgen mich,
so wie die Hunde ein Raubtier.
Ich bin der Räuber Ernani.
Ich hasse mich selbst und das Leben.

ELVIRA
für sich
O weh, o weh, der Arme geht zugrunde!

SILVA
zu den Seinen
Er hat den Verstand verloren.

ERNANI
Meine Leute sind zerstreut und auf der Flucht,
ich bin euer Gefangener,
übergebt mich dem König, und der Preis…

SILVA
Das wird nicht sein, ich schwöre es;
hier bist du sicher.
Silva hat nie jemanden verraten.

ELVIRA
O weh, der Arme geht zugrunde, o weh!

ERNANI
Übergebt mich dem König.

SILVA
In diesen Mauern geniesst jeder Gast
die Rechte eines Bruders.
Holla, meine Getreuen, bewaffnet
die Türme der Burg.
Folgt mir.

Er gibt Elvira einen Wink, mit den Dienerinnen in ihre Räume zu gehen, und geht ab, gefolgt von seinen Dienern


VIERTE SZENE
Nachdem er gegangen ist, folgt Elvira den Mädchen ein paar Schritte, dann bleibt sie stehen und kehrt, nachdem die Mädchen fort sind, ängstlich zu Ernani zurück, der sie hochmütig abweist

ERNANI
Du Treulose!
Wie wagst du es, mich anzublicken?

ELVIRA
Hier ist meine Brust, töte mich,
aber ich war und bin dir treu.
Es war also ein Gerücht,
dass du tot bist.

ERNANI
Tot! Noch lebe ich!

ELVIRA
Eingedenk
unseres Schwurs,
wollte ich mich am Altar
zeigt ihm das verborgene Messer
mit einem Messer umbringen,
weinend
ich bin nicht so schuldig
wie du grausam bist.

ERNANI
Trockne deine Tränen, vergib mir,
es war ein Wahn. Ja, ich liebe dich noch.

ELVIRA
Teures Wort! Es klingt mir im Herzen
mächtiger als der Schmerz.

ELVIRA, ERNANI
Ach, ich könnte jetzt sterben,
o mein Ernani / meine Elvira, an deiner Brust.
Diese Umarmung nimmt die
himmlischen Freuden voraus.
Auf Erden hat unsere Liebe uns
nur Kummer gebracht.


FÜNFTE SZENE
Der auftretende Silva sieht Elvira und Ernani in Umarmung und wirft sich wütend zwischen sie, ein Messer in der Hand

SILVA
Verbrecher, meine Wut hat keine
Rast und keine Zügel;
ich werde das undankbare Herz ausreissen
und mich wenigstens zu rächen wissen.


SECHSTE SZENE
Jago tritt rasch auf

JAGO
Am Burgtor steht der König
mit einem Trupp Soldaten
und begehrt Einlass.

SILVA
nach einigem Überlegen
Man öffne dem König.

Jago geht ab


SIEBENTE SZENE

ERNANI
Nun erflehe ich von dir den Tod.

SILVA
Nein, eine schrecklichere Rache
werde ich mir vorbehalten;
zu Ernani
Geh, verbirg dich; ein jeder wird umsonst
versuchen, dich zu finden.
Nur Silva verdient es,
die schreckliche Schmach zu bestrafen.

ELVIRA, ERNANI
Die schrecklichste Rache vollziehe
deine Hand an mir,
aber sei menschlich zu ihm / zu ihr,
habe ein wenig Mitleid.
Richte deinen Zorn nur auf mich; ich schwöre,
ihn / sie trifft keine Schuld.

SILVA
Nur Silva verdient es usw.

Ernani geht in ein Versteck, das Silva ihm hinter seinem eigenen Porträt geöffnet hat. Elvira zieht sich in ihre Räume zurück


ACHTE SZENE
Carlo und Riccardo treten auf, gefolgt von Rittern

Grosse Szene und Arie

CARLO
Vetter, vor wem hat sich
deine Burg gewappnet?
Silva verbeugt sich schweigend
Antworte mir.

SILVA
Herr...

CARLO
Ich verstehe... ihr armseligen Grafen und
Herzöge weckt die Hydra der Rebellion...
Aber auch ich bin wach und ich kann all diese
Hydren in ihren zinnenbekrönten Verstecken aufspüren,
und ich zerstöre die Verstecke wie ihre Verteidiger.
Rede.

SILVA
Herr, die Silvas sind immer treu.

CARLO
Das werden wir feststellen ..
Der letzte Haufen von Rebellen
wurde besiegt und zerstreut.
Ihr Anführer, Ernani, hat in deiner Burg Aufnahme gefunden.
Entweder übergibst du ihn mir, oder, ich
verspreche dir, Feuer wird hier alles einäschern!
Wenn ich dir Treue bewahren soll, dann weisst du gut, was du tun kannst.

SILVA
Ich will nicht leugnen... es ist wahr,
ein Pilger ist zu uns gekommen,
und hat bei Gott um Gastfreundschaft gebeten;
ihn verraten darf ich nicht.

CARLO
Verbrecher! Und deinen König willst du verraten?

SILVA
Die Silvas verraten nicht.

CARLO
Ich will deinen Kopf oder den des Ernani,
Verstehst du?

SILVA
Nehmt meinen.

CARLO
Du, Don Riccardo, nimm sein Schwert.
Don Riccarde führt den Befehl aus
Ihr durchsucht jeden Winkel des Schlosses,
findet den Verräter.

SILVA
Treu ist die Burg wie sein Herr.

Ein Teil der Ritter geht ab


NEUNTE SZENE

CARLO
erbittert zu Silva
Wir werden sehen, verwegener Alter,
ob du mir widerstehen kannst,
wenn du unbesorgt die Rache
deines Königs herausforderst.
Sie tost über deinem Kopf.
Bedenke dich, bevor alles
wilder und schrecklicher als
ein Blitz über dich kommt.

SILVA
Nein, der König von Spanien
will nicht die Unehre der Silvas.

CARLO
Deinen Kopf, Verräter, nein,
einen anderen Ausweg gibt es nicht.


ZEHNTE SZENE
Die Ritter kommen zurück und tragen Bündel von Waffen

RITTER
Der geheimste Winkel der Burg
wurde untersucht;
alles vergeblich; von dem Rebellen
findet sich keine Spur.
Die Wachen wurden entwaffnet;
dein Zorn soll nicht ungesühnt bleiben,
Erbarmen darfst du denen nicht gewähren,
die Treue und Ehre verraten.

CARLO
Unter der Folter werden sie reden
und uns zu dem Banditen führen.


ELFTE SZENE
Elvira tritt plötzlich auf, gefolgt von Giovanna und den Kammermädchen

ELVIRA
wift sich Carlo zu Füssen
Ach! Haltet ein, in einem königlichen Herzen
darf das Erbarmen nicht stumm bleiben.

CARLO
überrascht, richtet sie auf
Bittest du mich darum? Jeder Groll
wird um Elviras willen schweigen.
zu Silva
Dieses Mädchen sei die Geisel
für deine Treue.
Folge mir, oder der Schuldige...

SILVA
Nein, das darf nicht sein;
ach, Herr, wollt ihr
mein Herz verwunden!
Ach, ich liebe sie, für einen elenden Alten ist sie
der einzige Trost auf Erden.
Nimm sie mir nicht weg,
zerschmettere lieber mein Haupt.

CARLO
Also, Ernani?

SILVA
Sie soll mit dir gehen.
Ich will die Treue nicht verraten.

RITTER
zu Silva
Jedes Mitleid ist nutzlos, du musst gehorchen.

CARLO
zu Elvira
Komm mit mir, und ich will dein
Leben mit Rosen umflechten;
komm mit mir, für dich soll die Zeit
keine dornigen Stunden haben.
Trockne die Tränen, Mädchen,
von den bleichen Wangen,
denke an die Freude, die dich erwartet,
und die dich glücklich machen wird.

GIOVANNA, KAMMERMÄDCHEN
untereinander
Dies beschleunigt den Tod Silvas mehr
als die Schäden des Lebens.

RICCARDO, RITTER
zu Elvira
Glaube, die Freude, die dich erwartet,
wird dich glücklich machen.

SILVA
für sich
Silva wird seinen brennenden Durst
nach Rache noch völlig stillen.

ELVIRA
für sich
Ach, das Schicksal, das mich erwartet,
wird meinen Schmerz verewigen.

CARLO
Ach, komm mit mir usw.

Der König geht mit seinem Gefolge ab und zieht Elvira, die von Giovanna gestützt wird, mit sich, die Dienerinnen begeben sich in die Zimmer ihrer Herrin


ZWÖLFTE SZENE

Duett - Finale des Zweiten Aktes

SILVA
nachdem er unbeweglich den Abzug des Königs und seines Gefolges beobachtet hat.
Der Himmel möge immer dich beschützen. Der Hass wird immer in mir leben, o König.
Er läuft zu den Waffen, die neben den Porträts liegen, nimmt zwei Schwerter und öffnet das Versteck Ernanis


DREIZEHNTE SZENE

SILVA
Komm heraus. Bietet dem herauskommenden Ernani die Schwerter an
Für dich, wähle und folge mir.

ERNANI
Dir folgen? Wohin?

SILVA
Auf den Kampfplatz.

ERNANI
Nein, ich will und darf nicht...

SILVA
Elender!
Vor dem Aufblitzen dieses Stahls erbleichst du?
Folge mir.

ERNANI
Deine Jahre verbieten es mir.

SILVA
Komm, ich fordere dich heraus, Jüngling;
einer von uns muss sterben.

ERNANI
Du hast mich gerettet, töte mich,
hörst du, aus Erbarmen.

SILVA
Du wirst sterben.

ERNANI
Ich werde sterben, aber zuerst
meine letzte Bitte.

SILVA
Du kannst sie an Gott richten.

ERNANI
Nein, ich richte sie an dich.

SILVA
Rede, ich trage die Hölle in mir.

ERNANI
Ach, erlaube, dass ich sie noch
einmal, zum letzten Mal, sehe...

SILVA
Wen?

ERNANI
Elvira!

SILVA
Sie ist gerade gegangen:
der König nahm sie mit sich.

ERNANI
Alter, was hast du getan?
Er ist unser Rivale.

SILVA
O Grimm, o Wut!
Der König! Sagst du die Wahrheit?

ERNANI
Er liebt sie.

SILVA
geht wütend über die Bühne
Meine Diener, zu den Waffen.

ERNANI
Du musst mich zur Teilnahme
an deiner Rache rufen.

SILVA
Nein, dich werde ich zuerst töten.

ERNANI
Ich werde sie mit dir vollziehen,
dann wirst du mich töten.

SILVA
Wirst du dein Wort halten?

ERNANI
reicht ihm ein Jagdhorn
Hier ist mein Pfand: in dem Augenblick,
da du Ernanis Tod willst,
wenn er einen Hornstoss hört,
wird er sich sofort töten.

SILVA
Gib mir deine Hand, schwöre es.

ERNANI
Ich schwöre es bei meinem Vater.

ERNANI, SILVA
Gott hört uns, und rächend
bestraft er den Meineidigen;
Luft und Licht mögen ihm fehlen,
Schande sei dem Lügner.


VIERZEHNTE SZENE
Silvas Ritter treten eilig und ohne Waffen ein

RITTER
Herr, du siehst uns wohlbehalten
und bereit für deine Befehle.

SILVA
Der Zorn verjüngt mich,
man verfolge den Entführer.

ERNANI, SILVA
Auf die Pferde, Ritter;
Waffen, Blut und Rache.

RITTER
Bereit findest du deine Ritter;
für dich strömt unser Blut! Rache!

ERNANI, SILVA
Blut und Rache;
Silva selbst führt und treibt euch zur Eile an,
er wird euch einen würdigen Preis geben.

RITTER
Blut und Rache;
wenn Silvas Stimme uns antreibt,
ist ein jeder umso tapferer!

ERNANI, SILVA
ihre Waffen ausstreckend
Diese Schwerter, Todesboten,
finden den Weg zu jedem Herz.
Wer wagt, sich zu widersetzen, falle zuerst,
und ein Verbrechen sei es, Mitleid zu fühlen.

RITTER
Diese Schwerter, Todesboten usw.

Alle gehen ab

DRITTER TEIL - »Die Güte«

ERSTE SZENE
Unterirdische Grabkammern in Aachen mit dem Grabmal Karls des Grossen. Es befindet sich auf der rechten Seite und hat bronzene Türen; darüber steht in Grossbuchstaben: CAROLUS MAGNUS. Im Hintergrund befindet sich eine Treppe, die zum Haupteingang der Krypta führt; dort sieht man andere kleinere Gräber,- weitere Türen auf der Bühne führen in andere Grabkammern. Zwei in der Mitte herabhängende Leuchter verbreiten mattes Licht in der Gruft. Don Carlo und Don Riccardo treten vorsichtig am Haupteingang ein; sie sind in dunkle weite Mäntel gehüllt. Don Riccardo geht mit einer Fackel voraus

Vorspiel, Szene und Kavatine

CARLO
Ist dies der Ort?

RICCARDO
Ja.

CARLO
Und die Stunde?

RICCARDO
Es ist die Stunde.
Hier kommt die Bande zusammen.

CARLO
Die gegen mich verschworen ist...
Das Grab Karls des Grossen wird mich vor dem
Blick der Mörder verbergen.
Und die Kurfürsten?

RICCARDO
Sind versammelt;
sie prüfen die Rechtsansprüche, wem die schönste Krone der
Welt gebührt, der unbesiegte Lorbeer und
die Zierde der Cäsaren.

CARLO
Ich weiss es. Nun lass mich.
Riccardo schickt sich an zu gehen
Höre,
falls ich gewählt werden sollte,
so lass das feuerspeiende Geschütz
vom grossen Turm dreimal feuern.
Dann komm herunter zu mir und führe Elvira hierher.

RICCARDO
Und was werdet Ihr tun?

CARLO
Nichts weiter... Zwischen diesen Grabmälern
will ich mit den Toten reden
und die Rebellen entdecken.

Don Riccardo geht ab


ZWEITE SZENE

CARLO
Grosser Gott! Bei marmornen Gräbern schärfen sie
ihre Messer, um mich zu töten.
Zepter! Überfluss! Ehren!
Schönheit! Jugend! Was seid ihr?
Schwimmende Nachen auf dem Meer der Jahre,
die die Welle des endlosen Kummers schlägt,
bis sie die Klippe des Grabes erreichen und euer
Name mit euch ins Nichts fällt!

O Träume und trügerische
Schatten meiner Jugend,
wenn ich euch zu viel Glauben schenkte,
jetzt verschwindet der Zauber.
Wenn ich jetzt
auf den höchsten Thron gerufen werde,
ach, so werde ich mich wie ein Adler
auf den Flügeln der Tugend emporschwingen,
ach, und mein Name wird die Zeit überdauern.

Er öffnet mit einem Schlüssel die Tür zum Grabmal Karls des Grossen und tritt ein


DRITTE SZENE
Die kleineren Türen zur Krypta öffnen sich, und die Bandenmitglieder kommen vorsichtig herein; sie sind in grosse Mäntel gehüllt und tragen Fackeln

Verschwörung

CHOR I
»Ad augusta!«

CHOR II
Wer ist dort?

CHOR I
»Per angusta!«

CHOR II
Das ist gut.

BEIDE CHÖRE
Durch unseren Bund dringe heiliges Feuer
in die Seele und entzünde die Herzen.


VIERTE SZENE
Silva, Ernani und Jago treten auf; sie sind wie die übrigen gekleidet

ERNANI, SILVA
»Ad augusta!«

CHOR
»Per angusta!«

ALLE
Durch den heiligen und gerechten Bund
wird der Wille des Schicksals
aus diesen Gräbern sprechen.

SILVA
steigt auf eines der kleineren Grabmäler
Fehlt jemand in der Versammlung?

CHOR
Hier ist kein Feigling.

SILVA
Dann sei das Geheimnis offenbart:
Carlo strebt nach der heiligen Herrschaft.

JAGO, CHOR
Zuvor sei er tot, wie eine Fackel verlischt.
Sie werfen die Fackeln zu Boden
Er hat die Rechte
Spaniens verletzt,
Jeder hier bewaffne sich.

SILVA
Einer genügt. Das Schicksal hat
nur einem seinen Tod anvertraut.

Jeder nimmt eine kleine Tafel aus seinem Gewand, schreibt seinen Namen darauf und wirft sie in ein kleines, geöffnetes Grab

CHOR
Jeder ist bereit, in jedem Fall
zu töten oder zu sterben.
Silva nähert sich bedächtig dem Grab und nimmt eine Tafel heraus; alle umringen ihn ängstlich
Welcher Name ist es?

SILVA
Ernani.

SILVA, CHOR
Er ist es!

ERNANI
Jubelnd
Oh, welches Glück ist mir vergönnt!
Vater, ach Vater!

JAGO, CHOR
Wenn du fällst, wirst du voll und ganz gerächt werden.

SILVA
leise zu Ernani
Jüngling, überlass mir die Tat.

ERNANI
Hältst du mich für feige, Alter?

SILVA
Ich schenke dir dein Leben
und meine Güter.

ERNANI
Nein.

SILVA
zeigt ihm das Horn
Ich könnte
dich jetzt zwingen zu sterben.

ERNANI
Nein, nein, ich will erst töten.

SILVA
Dann, Jüngling, erwartet
dich die schrecklichste Rache.

CHOR
In diesem Augenblick verknüpfe uns
Brüder ein Bund, ein Schwur.

ALLE
Ein Bund! Ein Schwur!
Alle umarmen sich, ziehen in höchster Erregung ihre Schwerter und brechen in folgende Hymne aus
Wach auf, Löwe von Kastilien,
jeder Berg und Felsen Spaniens
halle wider von deinem schrecklichen Brüllen,
wie einst gegen die maurischen Unterdrücker.

Wir sind alle eine Familie,
wir kämpfen mit dem Arm und der Brust.
Nicht länger werden wir ungerächte und vernachlässigte
Sklaven sein, solange unser Herz noch schlägt.

Der Tod soll uns treffen, oder der Sieg uns hold sein,
wir werden kämpfen, und das Blut der Toten
wird den lebenden Söhnen neues Feuer
und neue Kräfte zum Kämpfen geben.

Ein strahlender Tag des Ruhmes
möge am Ende uns leuchten.
Spanien wird fruchtbar sein an Heroen,
von dem Grausamen wird es erlöst sein.


FÜNFTE SZENE
Man hört einen Kanonenschuss

Szene und Finale des Dritten Aktes

ALLE
Welch ein Lärm?
Ein zweiter Kanonenschuss, und die Tür des Grabmals öffnet sich
Was wird das sein?
Das Schicksal erfüllt sich.
Dritter Kanonenschuss, Don Carlo zeigt sich auf der Schwelle
Kaiser Karl der Grosse!

CARLO
schlägt dreimal mit dem Knauf seines Schwertes gegen das bronzene Tor
Karl der Fünfte, ihr Verräter.


SECHSTE SZENE
Das grosse Portal der Krypta öffnet sich, und beim Erschallen der Trompeten treten sechs Kurfürsten in brokatenen Gewändern auf; ihnen folgen Pagen, die auf einem samtenen Kissen das Zepter, die Krone und andere Herrschaftsinsignien tragen. Ein prächtiger Zug von deutschen und spanischen Edelleuten umgibt den Kaiser. Unter ihnen sieht man Elvira, der Giovanna folgt. Im Hintergrund werden die Fahnen des Kaisers ausgerollt, und Soldaten mit Fackeln erleuchten die Bühne. Don Riccardo marschiert an der Spitze des Zuges

RICCARDO
Das versammelte Wahlgremium hat Euch zum
erlauchten Kaiser gewählt,
und möchte Euch die
kaiserlichen Insignien überreichen, Herr.

CARLO
zu den Kurfürsten
Der Wille des Himmels wird der meine sein.
Diese Schurken haben sich gegen mich verschworen.
zu den Verschwörern
Ihr Feiglinge, zittert ihr jetzt?
Es ist zu spät! Ihr seid alle in meiner Hand.
Ich werde die Hand schliessen, und ihr werdet sterben.
zu den Wachen, die den Befehl ausführen und Ernani in der Menge lassen
Nur wer Graf oder Herzog ist,
werde vom Volk getrennt;
das Gefängnis für das Volk, für die Adeligen das Beil.

ERNANI
tritt stolz zwischen den Adeligen hervor und bedeckt sein Haupt
Verfüge auch über mich den Tod, o König.

Ich bin Graf, Herzog von
Segovia und Cardona.
Jeder soll mich als
Don Giovanni von Aragon erkennen.
Ich hoffte, der Rächer meines
Vaterlandes und meines Vaters zu sein.
Ich habe dich nicht getötet, dieses Haupt, das
Geschlecht verlässt dich, o König.

CARLO
Ja, es wird mit den anderen fallen.

ELVIRA
fällt Carlo zu Füssen
Ach, Herr, wenn dir der grösste
Thron bestimmt ist,
dann schliesse diese übergangene
Tote in dein Erbarmen ein.
Die Verachtung sei deine Rache,
die die Reue vollendet.

CARLO
Schweige, Frau.

ELVIRA
Ach nein, das soll nicht sein,
der Himmel spricht durch mich.
Wahre Tugend ist die Güte.
Sie steht auf

CARLO
betrachtet das Grab Karls des Grossen
O grosser Karl, mehr als deinen Namen
möchte ich deine Tugenden besitzen.
Ich schwöre bei dir und bei Gott,
dass ich deine Taten nachahmen werde.
Allen sei vergeben.
für sich
Meine Leidenschaft habe ich gezähmt.
Er führt Elvira zu Ernani
Ihr möget heiraten und euch immer lieben.
Karl dem Grossen sei Ruhm und Ehre!

ELVIRA, GIOVANNA, ERNANI, RICCARDO, JAGO, CHOR
Karl dem Grossen sei Ruhm und Ehre!
Karl, deinem Namen sei ewiges Lob!
Du, gütiger König, gleichst einem Gott,
weil du die Beleidigung vergibst
und den Verschwörern verzeihst - Lob!
Der erhabene Lorbeer in deinen Haaren
erzeugt einen merkwürdigen, göttlichen Glanz.
Karl dem Fünften sei Ruhm und Ehre! usw.

SILVA
Die beleidigte Ehre schreit nach Rache!
Oh, meine Hoffnungen sind besiegt, nicht gezähmt,
aber ich werde sie noch stillen;
ich werde nur meiner Rache
und meinem Hass leben.
Die Jahre machen meine Haare weiss,
aber unauslöschbar ist mein Groll.
Die beleidigte Ehre schreit nach Rache usw.

CARLO
Ich schwöre bei dir und bei Gott usw.

VIERTER TEIL - »Die Maske«

ERSTE SZENE
Eine Terrasse im Palast des Don Giovanni d'Aragona in Saragossa. Auf der rechten und linken Seite führen Türen in verschiedene Zimmer; der Bühnenhintergrund ist durch Gitter verschlossen, durch die man die erleuchteten Gärten des Palastes und einen Teil von Saragossa erblickt. Im Hintergrund auf der rechten Seite führt eine grosse Freitreppe in die Gärten. Von einer Treppe auf der linken Seite hört man heitere Tanzmusik. Edelherren, Damen, Masken, Pagen und Dienerinnen kommen und gehen und schwatzen lustig miteinander

Ein Festball

CHOR
O wie glücklich ist das Hochzeitspaar!
Sie werden wie Blumen sein, die an einem Stiel gewachsen sind.
Vergangen ist das Unwetter der stürmischen Tage;
der Himmel will ihnen auf immer hold sein.


ZWEITE SZENE
Eine Maske in einem hochgeschlossenen, schwarzen Domino tritt auf und blickt unruhig umher

CHOR
Wer ist dieser, der sich hier
in einem schwarzen Mantel herumtreibt?
Er scheint wie ein Geist, der an die
Zauberei am Grabmal erinnert.
Sie umringen die Maske.
Er kann kaum seinen Zorn zügeln.
Seine Augen sind wie glühende Kohlen.
Nach einigen drohenden Bewegungen springt die Maske in den Garten

Fliehe von den Glücklichen,
wen ihr Anblick verdüstert.


DRITTE SZENE
Andere Masken treten ein

CHOR
Hier herrscht nur Freude und Vergnügen,
jeder Mund bekunde die Freude des Herzens!
Alle gehen ab


VIERTE SZENE
Elvira und Ernani kommen aus dem Ballsaal und gehen auf die rechte Seite, wo sich das Brautgemach befindet

Grosse Szene und Terzett - Finale des Vierten Aktes

ERNANI
Die Musik ist zu Ende, alle Fackeln erloschen,
die Liebe sucht das Schweigen und das Geheimnis.
Sieh, meine Elvira, wie selbst die Sterne
zu unserer glücklichen Hochzeit lächeln.

ELVIRA
So habe ich sie scheinen sehen,
als ich in Silvas Burg traurig auf dich
wartete und dem ungeduldigen Herzen
die Stunden wie Jahrhunderte erschienen.
Nun bist du endlich bei mir.

ERNANI
Und für immer.

ELVIRA
O welche Freude!

ERNANI
Ja, für immer der deine.

ELVIRA, ERNANI
Bis zum letzten Atemzug
werden wir eins sein.

Man hört aus der Ferne Hörnerklang

ERNANI
für sich
Der Fluch Gottes!

ELVIRA
Lass mich dein Lächeln sehen.

Man hört einen weiteren Ton

ERNANI
verzweifelt
Ach, der Tiger will seine Beute!

ELVIRA
erschreckt
Himmel! Was hast du? Welcher Kummer?

ERNANI
ausser sich
Elvira, siehst du nicht ein höllisches Grinsen,
das mich, zwischen Schatten, funkelnd verspottet?
Und der Alte! Der Alte! Sieh!

ELVIRA
O weh, du verlierst den Verstand!

Die Klänge kommen näher und verstärken sich

ERNANI
für sich
Er will mich haben!
zu Elvira
Höre, o süsse Elvira,
erst jetzt quält mich eine alte Wunde.
Geh, Geliebte, und hole schnell eine Arznei.

ELVIRA
Aber Herr!

ERNANI
Wenn du mich liebst, geh, beeile dich.

Elvira geht in das Hochzeitsgemach


FÜNFTE SZENE

ERNANI
Jetzt ist alles still,
vielleicht war es ein Wahn!
Das Herz ist nicht gewohnt, glücklich zu sein;
vielleicht träumte es von einer Angst der Vergangenheit.
Lass uns gehen.
Er will Elvira folgen


SECHSTE SZENE
Silva, maskiert, steht am Ende der Treppe

SILVA
Halt.

ERNANI
erschreckt
Er ist es!
Er kommt, um meine Myrte gegen die Zypresse einzutauschen!

SILVA
zeigt ihm das Horn
Hier ist das Pfand: im dem Augenblick,
da du Ernanis Tod willst,
wenn er einen Hornstoss hört,
wird er sich sofort töten.
nähert sich Ernani und nimmt seine Maske ab
Wirst du ein Lügner sein?

ERNANI
Höre, höre nur ein Wort.
Einsam und elend bin ich seit
meinen frühesten Jahren umhergeirrt;
einen Kelch des bitteren Kummers
musste ich ganz trinken.
Nun, da mir endlich
der Himmel lacht,
lass mich wenigstens
am Kelch der Liebe nippen.

SILVA
gibt ihm wütend ein Messer und Gift
Hier ist der Kelch.
Ich gestatte dir zu wählen, aber schnell.

ERNANI
Grosser Gott!

SILVA
Wenn du zögerst oder zauderst...

ERNANI
Ich sehe Schwert und Gift!
Herzog, verschone die Seele.

SILVA
Wo ist die spanische Ehre,
Meineidiger, Lügner?

ERNANI
Nun denn, gib es mir, ich sterbe!
nimmt das Messer


LETZTE SZENE
Elvira tritt aus dem Brautgemach

ELVIRA
zu Ernani
Halt ein, Grausamer, warum willst
du zwei Leben auslöschen?
zu Silva
Welcher höllische Dämon
hat diese Intrige gesponnen?
Nahe dem Grabe ersinnst
und vollziehst du solch eine Rache!
Ich werde den Tod beschleunigen,
der dich, Alter, erwartet.
Sie will sich auf ihn stürzen, hält aber ein.

Ach, was rede ich? Verzeih mir.
Die Angst sprach aus mir.

SILVA
Deine Tränen, Frau, sind umsonst.

ELVIRA
Ach!

SILVA
Umsonst, ich verzeihe nicht.

ERNANI
für sich
Die Furie ist unerbittlich.

ELVIRA
zu Silva
Ich bin die Tochter eines Silva.
Ich liebe ihn, ein unauflöslicher
Bund verknüpft mich mit ihm.

SILVA
Du liebst ihn? Er wird sterben,
für deine Liebe soll er sterben.

ELVIRA
Für diese bitteren Tränen,
habe Mitleid mit mir und mit ihm.

ERNANI
Verbirg deine Tränen vor mir, Elvira,
ich muss stark sein.
Jeder Schmerz vergrössert
den Kummer meiner Seele.

ELVIRA
Erbarmen!
Erbarmen für ihn und mich.

ERNANI
Ein schrecklicher Schwur
verurteilt mich jetzt zum Tode.

ELVIRA
Erbarmen!

SILVA
Nein.

ERNANI
Mein Glück verhöhnte
das Schicksal.

ELVIRA, ERNANI
Der Himmel hatte
mit uns kein Erbarmen.

SILVA
Er wird sterben.
Für diese Liebe wird er sterben.

ELVIRA
Für ihn, für mich Erbarmen usw.

ERNANI
Der Himmel hatte mit uns usw.

SILVA
Deine Tränen, Frau, sind umsonst usw.

SILVA
nähert sich drohend Ernani
Wenn er einen Hornstoss hört,
wird Ernani sich sofort töten.

ERNANI
Ich verstehe, ich verstehe.
Mein unseliges Schicksal vollendet sich.
Er ersticht sich

ELVIRA
Was tust du? Ach, Elender!
Auch ich will sterben! Für mich das Messer!

SILVA
Nein, Verbrecherin, halt ein,
dein Schwärmen nützt nichts.

ERNANI
Elvira, Elvira!
Warte auf mich.

ELVIRA
Nur dir will ich folgen...

ERNANI
Lebe, ich flehe dich an, Teure,
mich zu lieben und zu leben, leb wohl.

ELVIRA, ERNANI
Zum Altar des Todes ist
unser Brautgemach geworden.

SILVA
Der Dämon der Rache komme
hierher, um zu jubeln.

ERNANI
Elvira, Elvira, lebe wohl!

ELVIRA
Warte auf mich.

SILVA
für sich
Er komme hierher!

Ernani stirbt, und Elvira wird ohnmächtig