Libretto: Daphne

von Richard Strauss


Personen:
PENEIOS (Bass)
GAEA (Alt)
DAPHNE (Sopran)
LEUKIPPOS (Tenor)
APOLLO (Tenor)
ERSTER SCHÄFER, alt (Bariton)
ZWEITER SCHÄFER, sehr jung (Tenor)
DRITTER SCHÄFER (Bass)
VIERTER SCHÄFER (Bass)
ERSTE MAGD (Sopran)
ZWEITE MAGD (Sopran)

Schäfer, Maskierte des bacchischen Aufzugs, Mägde (Chor, Ballett)


Die Werke von Richard Strauss geniessen bis auf weiteres den Schutz des Copyrights
© 1933 Richard Strauss
© 1994 Fürstner Musikverlag GmbH, Mainz

Die nachfolgende Wiedergabe des Librettos geschieht mit freundlicher Genehmigung
der Urheberrechtsgemeinschaft Dr. Richard Strauss
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EINZIGER AKT

Steiniges Flussufer, dichte Ölbaumgruppen. Letzte Sonne. Rechts steigt die Landschaft zum Hause des Fischers Peneios auf. Im Hintergrunde ist der Fluss zu denken. Den Abschluss bildet das gewaltige Massiv des Olymp. Die Bewegung einer grossen Schafherde wird hörbar: Zurufe, Geläute, Schieben, Drängen, Hundegebell. Mitten hinein der Laut eines mächtigen Alphorns. Herde stutzt: dann drängt sie – schwächer – weiter. Wieder das Horn. Der Laut der Herde verebbt

ERSTER SCHÄFER
auf der Bühne
Kleontes!

ZWEITER SCHÄFER
vom Fluss aufsteigend
Adrast!

ERSTER SCHÄFER
Wo bliebst du ?

ZWEITER SCHÄFER
Die Herde trieb ich zum Fluss.
Nach des Tages Glut
Labt sich unten die wollige Schar.

ERSTER SCHÄFER
Hörtest du nicht das Horn?
Der Fischer ladet zum Fest.

ZWEITER SCHÄFER
Welches Fest ?

ERSTER SCHÄFER
Das Fest der blühenden Rebe!
Wenn längs des Stromes
Die alten Stöcke erblühn
Treibend geheime Kraft
Wo sie wirkt,
Blüht selbst steinig Gefild,
Rauscht es empor
In unserm Blut.
Es naht die Zeit
Eines grossen Gottes,
Des jungen Dionysos
Herrliche Stunde!
Das Horn sehr stark

ZWEITER SCHÄFER
Furchtbar Getön!
Eines Gottes Stimme

ERSTER SCHÄFER
Nein ' nur das Zeichen
Der wichtigsten Frist
Im Leben der Herden,
Im Herzen der Hirten:
Aller Natur grosse Hochzeit –
Die Zeit der Paarung!

ZWEITER SCHÄFER
So sag mir, Vater:
Was soll ich tun ?

ERSTER SCHÄFER
Eilig hinab zum Flusse!
Sammle die Tiere!
Auch in ihnen reift
Des Gottes Geburt,
Des jungen Dionysos!

Der Junge ab zum Flusse. Dort beginnt wieder das Drängen und Schieben der Herden, dem Hause des Peneios zu. Man sieht die Gestalten einiger Schäfer halben Leibes, denen Adrast zuwinkt

DRITTER SCHÄFER
zurückrufend
Heil dir, Alter!

ERSTER SCHÄFER
Heil dir, Klitos!
Die Stunde ist da.1

VIERTER SCHÄFER
Heil, alter Vater!
Gesegnet der Abend!

ERSTER SCHÄFER
Eure Herden lenkt –
Ihr aber selbst
Schmückt euch, salbt euch
Zu der blühenden Rebe Fest,
Des jungen Dionysos!

Das Horn ein letztes Mal. Erster Schäfer geht gegen das Haus. Noch einmal von unten der Laut der Herden, aufbäumend. Dazwischen die Rufe der Schäfer: "Halt ein! Nach rechts! Acht auf das Leittier!" usw. Endlich, unsichtbar, von fern ihr Gesang

DIE SCHÄFER
im Abgehen
Leb wohl, du Tag 1
Einsam ich schritt,
Einsam ich lag.
Zu Ende die Bürde,
Öffnet die Hürde!
Dass ich des Abends pflegen magt
immer ferner
Leb wohl, du Tag!

Der Gesang verklingt. Die Geräusche der Herden legen sich allmählich ganz. Das Licht wird matter, letzte milde Sonne. Daphne kommt von links. Sehr jung, fast kindlich. Sie lauscht dem verklingenden Gesang

DAPHNE
O bleib, geliebter Tag!
Lange weiltest du,
So bleib, bleib für immer!
Sonne, gesegneter Schein,
Du lässt mich leben
Mit meinen Brüdern, den Bäumen.
In dir prangen in Blüte
Strauch und Gezweige,
Jegliche Blume
Die Schwester mir!
In dir erkenne ich
Die tanzende Quelle,
Mein Zwillingsbild,
In dir folgt mir lachend
Der Falter Pracht,
In dir nur spielen
Der Wiese zarteste
Blütenhalme mit mir!
O bleib, geliebter Tag,
Nimm noch nicht Abschied!

Umgib noch nicht
Mit dem Rot der Wehmut mein Gesicht,
Küss meinen Finger nicht
Mit süsser Trauer Abschiedsglanz –
Ich liebe dich – so geh nicht fort von mir!

Wenn du mich verlässt,
Geliebtes Licht,
Sind sie ferne von mir:
Bäume und Blumen,
Schmetterling, Quelle.
Brüder und Schwestern
Gehen vor meinen Blicken
Ferne ins Dunkle,
Antworten nicht mehr
Ängstlichen Rufen:
Still ist alles, Nacht und leer.

Warum, lieber Vater,
Lockst du heute die Menschen,
Die mit schweren Füssen die Wiese versehren,
Mit stumpfem Getier die Gräser vernichten,
Mit harten Händen die Zweige berauben,
Meine geliebteste Schwester trüben, die Quelle!
Ihre verlangenden Blicke quälen mein Herz,
Ihre wilden Lieder bedrängen mein Ohr,
Fremd ihre Sprache, rauh ihre Sinne,
Fremd sind sie mir wie den Bäumen und Blüten!
Fremd ist mir alles,
Einsam bin ich -

O wie gerne blieb ich bei dir,
Mein lieber Baum,
In der Kindheit Tagen gepflanzt
Und so mein Bruder!
Wenn der Tag mich verlässt,
Die Sonne, Apollo, der grosse Gott,
Stolz dahinzielit nach Hause
Ins Gebirge der Götter,
Blicke ich zu dir!
Suchte im Dunkel
Deinen schützenden Ast,
Umklammerte dich fest, liebkoste dich.
Und in feinem Rauschen,
Im schwellenden Nachtwind
Sängest du mir Vom Glanze der Sonne,
Die du tagsüber empfingst
Auf stillem Gezweige,
Von der Stärke der Erde,
Die dein Fuss umfasst,
Sängest ein gewaltiges
Stärkeres Lied
Als die Lieder der Menschen –
O geliebter Baum!
Sie schmiegt sich innig an den Baum. Leukippos springt hinter dem Baum hervor. Sie erschrickt
Leukippos, du!

LEUKIPPOS
Ja, ich selbst,
Ich war der Baum!

DAPHNE
Meine Andacht lästre nicht!
Geschwisterlich bin ich
Der Gottheit des Baumes.

LEUKIPPOS
Seltsame Andacht!
Seltsam Geschwister !
Sieh mich doch an:
Bin dir Gespiele,
Nicht fühlloses Holz.

DAPHNE
mit sanftem Blick auf den Baum
Was fühllos du nennst –
Mir fühl ichs näher –
Geliebter Baum!
sie wendet sich und küsst das Gezweige

LEUKIPPOS
Was blieb für mich ?
Dieser Hirtenflöte
Hölzerner Mund!
Dein Blumenmund aber
Suchte den gleichen Weg
Zum neidischen Holz!
er schlägt mit der Flöte in die Zweige

DAPHNE
vorwurfsvoll
Leukippos !

LEUKIPPOS
Als Kinder spielten wir,
Unter den Herden.
Wenn zagend dir folgte
Der Flöte Laut:
Gerne littst du es, Daphne!
Doch wollt ich dich haschen,
Aus dichtem Gebüsch
Da entglittest du mir, Daphne!

DAPHNE
Lass ruhen die Jahre,
Die Jahre der Kindheit.
Zum Vater lass mich...

LEUKIPPOS
Die Herde liess ich,
Stieg hinunter ins Tal.
Und die Blumen hörten mich,
Deine Geschwister, Daphne!
Einten sich meinen Klagen
Meiner Flöte trauerndem Lied!
Sie alle, die Freunde ihr sind,
Klagen mit mir -
Und Daphne verschmäht mich!

DAPHNE
Nicht verschmäht ich
Die sanfte Flöte.
Sie rief mich, sie lockte mich
Wie des Windes Stimme zum Spiel!
Mit leichtem Raunen
Küsst er die Blumen,
Mit spielendem Drängen
Greift er ins Gebüsch -
Mit süssem Flötenlaut
Ruft er auch mich
Nicht dir, bin ich. gefolgt,
Nur meinem Bruder
Dem lieblichen Wind!

LEUKIPPOS
Und ich – ich selbst – was war ich dir?
Wars sinnlos, was mich zu dir trieb
Und was der Flöte Stimme gab?
Sind Götter nur in Bäumen, Quellen, Blüten –
Nicht auch in mir ?

DAPHNE
sehr innig
Was du mir warst? –
Der Blumen geliebtes Rot
Grüsste mich glücklich
Von deiner Wange!
Es glich dein Flötenspiel
Dem Spiel der Quelle – deine Augen
Der Schwester, Freundin Augen gleicht
Wenn sie sich feuchteten, die Augen,
Wenn weinend sie mich suchten – dann –
Dann blickte mich die eigne Träne
Aus des Gespielen Freundesauge an!

LEUKIPPOS
Nichts – nichts sonst?
Daphne, nur den Atem hauche ich
In dieses kleine Rohr,
Du aber entfährst ihm
Als süsser, lockender Ton!
Vor mir fliehst du,
Der Leichtfüssigen gleichend,
Dianen, der Göttin!
Doch dies ist zu Ende,
Vorbei der Flöte Ton.
Erstarkt bin ich,
Fühle den Gott!
Ich hasse die Spiele!
Dich selbst will ich!
er zerbricht die Flöte

DAPHNE
gleichzeitig
Sieh Leukippos:
Deine Flöte liebte ich
Wie den singenden Wind,
Wie der Quelle Silberlaut.
Ich schwang mich, so wars,
Auf den fliehenden Ton,
Durcheilte – Musik – Das duftende Tal,
Der Leichtfüssigen gleichend,
Dianen, der Göttin!

Doch dies ist zu Ende,
Deine Hand fasst mich an
Voll Glut und Begehren!

LEUKIPPOS
Daphne, Daphne – ich liebe dich!
er umfasst Daphne

DAPHNE
macht sich los
Fremd ist das Fest mir, fremd.

LEUKIPPOS
Zwingt dich das Fest doch,
Keusche Schwester,
Schwester Dianens!
Ich bleib allein!
schnell nach links ab

DAPHNE
macht einige Schritte gegen das Haus

Gespiele Leukippos –
Wie fremd du warst,
ihm traurig nachblickend
Das Licht verlor ich,
Auch dich, den Freund!

Schon während der letzten Verse des Duettes ist Gaea sichtbar geworden. Volle, reife Frauengestalt in blauen Gewändern. Sie fasst Daphne fest ins Auge. Knapp in ihrer Nähe erst ruft sie

GAEA
Daphne!

DAPHNE
sieht sie erst jetzt
Mutter!

GAEA
Wir warten dein.
Komm ins Haus.

DAPHNE
Es eilt der Fuss
Zu gehorchen.
Die Seele, Mutter,
Die Seele bleibt hier.

GAEA
Dein Zagen kenn ich.
Dein Zagen herrscht
In allem Lebendigen!
Doch kommt der Tag,
Da öffnet der Götter
Heiliger Wille
Unsre Herzen wie Blüten
So mir wie dir –
Und lässet blühen
In grosser Andacht
Die ganze Erde!

DAPHNE
kindlich

Bin ich dann näher
Den Bäumen und Blumen?
Bin, was sie sind ?

GAEA
sehr ernst
Dunkel ist der Götter
Heiliger Wille.
Nicht leicht hier unten
Der Weg auf Erden!
Als du so heftig
Dem Freund widersprachst,
Ja fort ihn wiesest
Am Tage des Festes
Kam Sorge mir, Daphne.

DAPHNE
immer kindlich
So leite mich, Mutter,
Ich will gehorchen.

GAEA
Tochter, du bist neues Reis,
Von mir entsendet,
Zweig vor der Blüte,
Bist Sorge mir, Daphne!

DAPHNE
Und werde blühen,
Geschmückt im Frühling
Wie Wiesen und Laub?

Zwei Mägde treten feierlich vom Hause her auf. Jede von ihnen trägt Teile eines Frauenkleides und Schmuck vorsichtig auf den flachen Händen. Sie bieten alles auf einen Wink Gaeas Daphne dar

GAEA
lächelnd
Nimm erst die Kleider,
Der Menschen Schmuck,
Und blüh gesegnet
In Ahnung des Festes!

DAPHNE
nach kurzem Besinnen
So lass mich, Mutter,
So wie ich lief
Durch blühende Wiesen,
Dann bleibt das Fest mir
Nicht ganz so fremd...
sie eilt dem Hause zu

GAEA
schreitet ihr nach, sinnend
Bist du auch fern mir,
Daphne, Tochter:
Einst führen Götter
Dich wieder zurück,
Und wieder zur Erde!
sie folgt

ERSTE MAGD
sieht ihnen nach
Ei, so fliegt sie vorbei,
Des Hauses Tochter?
Und dies edle Kleid
Trifft nicht ein Blick?

ZWEITE MAGD

Ei – so eilig vorbei,
Die keusche Daphne?
Der Schmuck, die Spange,
Sie werden verschmäht?

ERSTE MAGD
Du armes Gewand,
Nie umfassest du mehr
Das süsse Geheimnis!
Nie schmiegst du dich mehr
Um den weissesten Nacken!

ZWEITE MAGD
Du armer Schmuck,
Nie wirst du den zarten
Busen ihr rühren,
Nie durchwühlen
Das herrliche Haart

LEUKIPPOS
noch unsichtbar
Wer höhnt mich dort?
Wer sieht mich schon
Als leeres Kleid,
Verworfen – verachtet?

ERSTE MAGD
Was stöhnt dort unten?

ZWEITE MAGD
Was klagt im Gebüsch?

Leukippos kommt

BEIDE MÄGDE
Ein armer Schäfer,
Verspätet zum Feste!

LEUKIPPOS
Ich hasse dies Fest
und meine Flöte
Hab ich zerbrochen!

ERSTE MAGD
Was dir versagt,
Uns ist es leicht:
Wir dürfen ihr dienen,
Die Glieder ihr salben. . .

BEIDE MÄGDE
Wie Baum und Wind
Umgeben wir sie,
Wahre Geschwister –
Hahahaha!

LEUKIPPOS
Verschwinde, lüsterner Spuk

BEIDE MÄGDE
Höre uns, Schäfer!
Nicht Mägde sind wir!
Wir sind Träume
Besseren Lichts,
Wie Wellenschäume
Zerfliessend in Nichts!
Wir bringen Enthüllung
Dem heissen Gedanken,
Des Festes Erfüllung
Ohne Leid, ohne Schranken!
Höre uns, Schäfer,
Die fröhlichen Wissenden:
Nimm dies Geschenk
Und nahe dich uns!
sie bieten ihm Kleider und Schmuck an

LEUKIPPOS
Euch mich vertrauen?
Wahnsinniger Spott!

BEIDE MÄGDE
Was man nicht ist,
Gewinnt der Schein
So wird sie dein:
Liebe durch List!

LEUKIPPOS
noch unentschlossen
Dumpfer Betrug ...
Doch wie sagte sie selbst,
Die geliebte Grausame?
Meiner Wangen sanfteres Rot
Gemahne sie an die Blumen,
An ihre eigene Träne
Gemahne sie die meine?
Leb wohl, zerbrochene Flöte!
Der Liebe seltsame Dienerinnen,
Mädchen, zu euch...

Die beiden Mägde umfassen ihn rasch und mit losem Gelächter. Alle drei stürmen ab. Das Lachen verklingt. Letzte Dämmerung. Von rechts mit Würde Peneios, ein ernster, rüstiger Mann in vollem Barte, und Gaea im Kreise der Hirten

PENEIOS
Seid ihr um mich,
Ihr Hirten alle?

DIE SCHÄFER
Wir sind es, Vater.
Wir harren des Festes.

PENEIOS
erblickt den Olymp)
Gewaltiger Berg!
Noch erkenne ich dich!
Noch entschwandest du nicht
Im Dunste der blühenden Rebe!

DIE SCHÄFER
(befremdet, leise

Was verkündest du?
Deut uns den Spruch!

PENEIOS
Herrlich Gesichte!
Köstliche Ahnung!
Ihr Schäfer alle seht –
Zu des Olympos Höhen!
Die Wolke über des Berges
Rotglühender Kuppe!
Dort ist die Sonne
Noch nicht entschwunden!
Noch nicht verliess uns
Phoibos Apollon!

GAEA
Nach welchen Höhen
Willst du noch steigen,
Ewiger Träumer ?

PENEIOS
Mutter, ich seh ihn,
Sehe sein Antlitz!
Nicht mehr auf einsamen Höhn
Wollen sie hausen!
Nein, sie kehren heim,
In die Hütte zurück
Des verlassenen Bruders.…
Gott war ich einst ...
Gott wie sie!

DIE SCHÄFER
Vater, du schreckst uns!
Meide Beschwörung!

PENEIOS
stark
Wisset, ich sah ihn,
Phoibos Apollon!
Herrlich ein Gastmahl
Wollen wir rüsten!
Klinge die Kelterl
Ergiesse sich sprudelnd
Goldener Wein!
Und siehe: sie kommen
Mit grossen Schritten,
Mächtig angezogen
Vom Dufte des Fleisches,
Vom Dufte der Rebe,
Vom Klingen der Kelter!
Und sie sitzen nieder
An.der Seite des Bruders
An hölzernem Tische
Und lachen wieder,
Wie einst wir gelacht
An goldenen Tischen:
Brüderlich, ewig
Göttlich Gelächter!
er bricht in Lachen aus

GAEA
gleichzeitig
O versuche sie nicht,
Ewiger Träumer!
Freu dich des Wirkens
Vereint mit der Erde,
Bescheiden und friedlich,
Und neide nicht ihr
Hochfahrig Anteil:
Göttlich Gelächter!

DIE SCHÄFER
gleichzeitig
Vater, welch dunkler
Furchtbarer Spruch!
Voll ist die Dämmrung
Von seltsamen Wesen!
Siehe, schon nahen sie,
Siehe, schon strafen sie
Uns, Alter, und euch!
Schon höhnt uns von überall
Göttlich Gelächter!

Der Laut des Lachens wiederholt sich von überall wie Echo. Die Hirten erschrecken und flüchten in einer dichten Gruppe um Gaea. Rotes Lichterzucken aus dem Ölbaumwald. Apollo,gekleidet als Rinderhirt, tritt ganz einfach und schlicht zu ihnen. Er trägt Bogen und Köcher

DIE SCHÄFER
schreien vor Angst
Ein Dämon! Ein Dämon! Ein Gott!
der Lärm legt sich

APOLLO
ruhig
Ich grüsse dich, weiser,
Erfahrener Fischer.
Mit dir dein Weib,
Die herrliche Gaea!

PENEIOS
Sei, mir gegrüsst
Und den Meinen all!
Was trieb dich her. .
etwas unsicher
Mit seltsamen Zeichen?

APOLLO
Ein Rinderhirt bin ich
Und weide die Scharen
Am Fuss des Olympos,
Der Götter Bezirk.
Wir wollten zur Ruh
An diesem Abend
Mit meinen Knechten
Und allem Getier.
Doch seltsam: es zog
Ein beizender Dunst
Von brennenden Scheitern
Von brenzligem Fett
Und süsslicher Blüte
Grad über den Fluss
Von deiner Seite!
Das brannte dem Bullen
So arg in die Nüstern,
Dass er die Kühe
Wütend ansprang!
Ganz toll geworden
Trieb er sie fort,
Hinab in die Wellen!
Mit stampfenden Hufen
Die Steine zerspellend,
Mit grässlichem Schnauben
Die Zweige zerbrechend!
Mühsam umstellt
Von der Knechte Ruf,
Der mitgejagten,
Beruhigt sich endlich
Die keuchende Schar.
Dort liegt sie im Dunkel.
Mich – siehst du vor dir.

GAEA
heiter, zu Peneios
Nun siehst du, was du geschaut,
Du ewiger Träumer!
Nun siehst du, wen du verlockt
Mit deinem Fest:
Schwitzende Knechte,
Ängstliche Kühe,
Einen brünstigen Stier!

DIE SCHÄFER
befreit
Einen Hirten wie wir,
Einen brünstigen Stier!

PENEIOS
Schweigt, ihr alle!
zu Apollo
Sei uns gegrüsst
Zu unserm Fest!
zu Gaea
Du aber, Weib:
Sende die Tochter,
Dass sie ihn pflege,
Den späten Gast!
Gaea ab gegen das Haus. Die Schäfer zerstreuen sich. Ihnen folgt Peneios

DIE SCHÄFER
im Abgehen
Es sandten die Götter
Zu unserem Feste,
Die ewigen Spötter,
Das Allerbeste:
Einen Hirten wie wir,
Einen brünstigen Stier!

Das Lachen verklingt unten am Ufer. Apollo, allein geblieben, sieht sich prüfend um, dann ganz verwandelt

APOLLO
Was führt dich her
Im niedern Gewande,
Das ehrliche Volk
Mit Lügenwort
Dreist zu betrügen?
O erniedrigter Gott!
Selbst: Brünstiges Tier!

Das Licht hat sich völlig verändert. Der Vollmond geht auf und beleuchtet durch magischen Abendnebel die Szene. Von der Seite des Hauses Daphne, eine Schale in beiden Händen tragend. Ihr folgen einige Dienerinnen in einer Gruppe. Sie bewegen sich langsam und feierlich bis zur Mitte der Szene. Dort verneigen sich die Dienerinnen und kehren um. Daphne bleibt

APOLLO
Was seh ich? Was schreitet dort ?
Ist das noch Wahrheit ?
Dort aus dem Nebel?
Herrlich ragt die Gestalt!
Dunkel und bernsteingleich
Leuchtet das Auge!
Schwester – Schwester – Artemis!
Wo ist das königlich Geleite
Deiner Dienerinnen
Auf des Mondes blankem Strahl?
Warum nur nahmst du
Geringen Wohnsitz,
Kommst, mich zu strafen,
Aus dem Hause des Fischers?

DAPHNE
Nicht wollen die Götter,
Dass ich dich strafe!
Der Vater sendet mich
Zu deinem Dienst.

APOLLO
Dienen, Schwester ?
Sieh, ich knie vor dir!
er kniet

DAPHNE
verwirrt
O spotte nicht, Fremder
Doch wohl tut unendlich
Dem träumenden Herzen
Der selige Anruf:
Schwester, Schwester . . .

APOLLO
aufspringend
Sei mir denn Schwester
In dieser Stunde!
Von den Tagen des Sommers
Längster Fahrt
Labe du mich!
er streckt ihr beide Hände hin

DAPHNE
giesst die Schale darüber
So labt das Wasser:
Das heilige Wallen
Hat es vom Blute!
Von unsern Tränen
Hat es die Milde. –
Sie nimmt ihm Bogen und Köcher ab und stellt sie, ebenso wie die Schale, abseits
Fort mit den Waffen!
Nur dieser Mantel –
Schwesterlich hülle er dich!
Sie legt einen blauen Mantel, der ihr zusammengefaltet über dem Arm hing, um die Schultern Apollos. Der Mantel entrollt sich und umgibt ihn weit und mächtig. Zugleich umspielt ihn ein merkwürdiges Licht, flüsternd
Was seh ich ?
Wie bist du gewaltig,
Fremder Hirte . . .

APOLLO
Daphne, die mich gelabt,
Blickt fremd mich nun an?

DAPHNE
etwas misstrauisch
Und von welcher Fahrt
Kehrst du zurück?
Kann ich doch selbst
Herden und Rinder
Öfters gewahren!
zweifelnd
Dich aber sah ich nie.

APOLLO
Was können an Weite
Menschliche Augen
Forschend ermessen ?
Immer umkreist
Des Lichtes Wagen
Leuchtend das Haus,
Aus Weltenweite
Sieht er herab!
Heute – von oben,
Vom Gipfel der Reise,
Heute gewahrt er
Die herrliche Daphne!
Da knirschten mächtig
Die goldnen Räder:
Heute – hielt er! . . .
Und jegliche Weite
Ist ausgelöscht!

DAPHNE
Seltsam singst du
Und voller Rätsel!
Aber ich höre dich
Gerne ... Bruder!

APOLLO
feurig
Bruder! Dies Wunderwort
Verbindet Ferne und Ferne! –
Als ich am Abend
Des längsten Tags
In die purpume Wohnung
Ermüdet geglitten:
Sieh – ein feiner Strahl
Riss noch nicht ab,
Der führte mich
Zum Hause des Fischers:
Daphne, Daphne – dein Blick!

DAPHNE
Wie viel doch weisst du
Von meinem Herzen!
Schwer nahm ich Abschied
Heut von der Sonne –

APOLLO
"O bleib, geliebter Tag! –"«

DAPHNE
dringend
Bruder, wer bist du?

APOLLO
"Lang weiltest du –
So bleib für immer! "

DAPHNE
Hirte – was singst du ?

APOLLO
"Ich liebe dich – so geh nicht fort von mir!"

DAPHNE
mit vollster Empfindung
Wer du auch seist, Gewaltiger!
So wenig wie der Kiesel
Unten am Fluss vor der Sonne Auge –
So wenig verberg ich mich dir!
sie sinkt in kindlicher Ergriffenheit an seine Brust

APOLLO
Für Daphne nicht ende
Der Menschen längster Tag!
Folgt sie dem Hirten:
Kein neidisches Dunkel mehr
Trennt sie von Freunden und Brüdern!

DAPHNE
jubelnd an seinem Halse
O Seligkeit,
Nie mehr getrennt
Im Schmerze der Nacht
Von Bäumen und Blüten1

APOLLO
Weit über der Bäume
Freundliche Wipfel
Reist Daphne im feurigen Wagen!
Sie selbst eines Gottes Braut
Träufelt Glanz der Schönheit
Hin über die Welt!

DAPHNE
gleichzeitig
Nie mehr im Finstern
Rauscht die Quelle,
Nie mehr unsichtbar,
Schaurig und leer.

APOLLO
Zur Höhe des Wagens
In Daphnes Strahlenhand
Fliesst dann von selbst
Aufwärts die Quelle!

DAPHNE
wie oben
Die streng mich mied,
Die kühle Quelle,
Aus der Hand mir glitt,
Kommt selbst zu mir?

APOLLO
gross und hymnisch
Alles Lebendige,
Tier und Gewässer,
Preiset die Sonne,
Freut sich des Lichts!
Blumen wachsen
In Daphnes Hand;
Und alles Lebendige,
Blumen, Tiere, Quellen
Strömen über von Glück
Und rauschendem Singen!
So wärmt Daphne,
So leuchtet Daphne,
So wird Daphne,
Die herrliche Daphne geliebt!

DAPHNE
in höchstem Jubel
Wie bin ich jetzt dein
Aus glücklicher Seele!
Wie leuchtets im Herzen!
Bruder ... Bruder!
Er umschliesst sie fest, so dass sie ganz und gar im Blau des Mantels versinkt. – Daphne ringt sich aus der Umarmung des Gottes heraus. Sie flieht in höchster Verwirrung

DAPHNE
Dieser Kuss – – Dies Umarmen – –
Du nanntest dich: Bruder!

APOLLO
stark
Ich liebe dich., Daphne!

DAPHNE
gehaucht
Du schlichst dich. ein
In meinen Traum. ..

APOLLO
wie oben
Zu Ende Träume!
Wahrheit bring ich!

DAPHNE
etwas stärker
Du banntest mich
An diese Stelle,
In deine Arme ...
Du gabst mir Angst
Der Mond hat sich verborgen. Es ist ganz dunkel. Nur die beiden Gestalten sind zu erkennen

CHOR
unsichtbar von fern
Gib, Dionysos,
Neu erstandener,
Gib uns Rausch!
Gib uns Liebe,
Aphrodite!

APOLLO
sich nähernd, flüsternd
Hörst du, Geliebte,
Hörst du, was sie singen?
Kennst du den Sinn
Der blühenden Rebe?
Wagst du Verneinung
Dem Liebesfest ?

DAPHNE
Fremd das Fest –
Fremd und unheimlich.
Fremd Leukippos,
Fremd ward die Welt
Dunkel und leer –
stärker
Doch du:
Der Fremdeste aller!

APOLLO
Wie sehr du irrst,
Daphne, Geliebte 1
So nah dem Licht,
Das du ersehnst –
Begehre ich dich, Daphne:
Verzichte nicht! ...

Roter Schein flammt auf, Fackeln von allen Seiten. Apollo nimmt seine Waffen wieder auf; die Schale küsst er, dann wirft er sie abseits. Aus dem Dickicht von überall die Schäfer mit Fackeln. An ihrer Spitze Peneios, unter ihnen Maskierte. Von der Seite des Hauses gleichzeitig ein Aufzug der Frauen mit Amphoren und Schüsseln, auf dem Kopfe getragen. Voran Gaea mit einem Fruchtkorbe. Die beiden Züge begegnen einander auf der Bühne. Daphne flüchtet an die Seite Gaeas, während Apollo sich zu den Männern zurückzieht

PENEIOS
majestätisch
Allüberall blüht Dionysos
An des Flusses göttlichem Band,
Damit dereinst aus dieser Liebe
Sein Blut uns quelle, sein Wein!
Gaea reicht ihm den Korb, Peneios spendet vom Weine

DIE SCHÄFER
Allüberall blüht Dionysos,
Damit dereinst aus dieser Liebe
Sein Blut uns quelle, sein Wein!

Die Hirten sind auf dem Hügel rechts gelagert, von den Fackelträgern umstanden, von den Frauen bedient. Man schmaust, ohne zu trinken. Unter dem Chore dringen die Maskierten vor. Es sind Schäfer, die mit umgekehrten Pelzen und Widdermasken – wie auf Vasenbildern – einen furiosen Tanz im Vordergrunde aufführen

CHOR,
fröhlich zusehend
Hütet euch, Frauen!
Gar sehr überfiel die
Der Geist der Rebe!

Ein Zug Mädchen, zum Teil mit blumenumwundenen Stäben, zum Teil mit gefüllten Trinkschalen, tritt ein. Die mit den Thyrsosstäben sind kaum bekleidet, die mit den Trinkschalen ganz und gar mit Tüchern und Schmuck behängt, auch Kopf und Gesicht. Die letzte in ihrer Reihe ist der, verkleidete Leukippos. Nach kurzem Rundtanz der Thyrsosträgerinnen stürzen die Widder vor und bemächtigen sich der Bacchantinnen

CHOR
sehr vergnügt
O selge Dämonen!
Träf uns euer Schicksal!
O glückliche Widder!

Die Schalenträgerinnen schreiten auf die Schäfer zu und laden sie zum Trinken ein. Sie trinken mit den Mädchen. Leukippos nähert sich mit lockenden Gebärden Daphne

GAEA
Trinke ' du Tochter !
Aus Erde kam es,
Die Erde segnets!
Mit solchem Trank
Kehrst zu den Deinen,
Kehrst zur Erde zurück!

Leukippos bietet Daphne die Schale

ERSTE MAGD
für sich, zugleich mit Gaea
Vorzüglich gelang es!
Ganz ist er Daphne!

ZWEITE MAGD
ebenso
Was nie er gewagt,
Gerät ihm nun leicht!

DAPHNE
Woher nur kommst du,
Du grosse Fremde,
Die mir ganz gleicht
In meinen Kleidern,
So rätselvoll
Ziehts mich zu dir!
sie trinkt

ERSTER SCHÄFER
Wie gleicht sie Daphne!

ZWEITER SCHÄFER
Ist auch dies eine Magd
Oder der Himmlischen eine?

Leukippos ladet Daphne durch Zeichen ein, ihm tanzend zu folgen. Die andern Mädchen, die Trinkschalen anboten, tun desgleichen mit ihren berauschten Partnern

DIE SCHÄFER
So folgen wir euch
Zu Ehren des Gottes
Dionysos ! Dionysos!
Daphne steht unentschlossen, vor ihr der lockende Leukippos

GAEA
Wenn es dich treibt
Zum heiligen Tanze,
Willfahre denn, Tochter,
Und mir ist wohl!

DAPHNE
Nur weil du mir
Ganz schwesterlich bist,
Als wäre ich selbst
Durch der Götter Willen
Entstiegen dem Quell – –
Nur weil du mein Spiegelbild – – –
Will ich dir folgen ...
Langsamer hieratischer Tanz

DIE SCHÄFER
alle Augen starr auf das Paar gerichtet
Gross sind die Götter,
Reich ihre Wunder! Dionysos!

APOLLO
ausbrechend
Furchtbare Schmach dem Gotte!

ALLE SCHÄFER
durcheinander

Was sagt der da ?
Der eitle Fremde ?
Mit blanker Waffe
Bei unsrem Dienste
Der hohen Götter ?

APOLLO
Was ich euch sage?
Dass ihr geäfft werdet
Von einem Gaukler!
Betrogen die Tochter
Des weisen Fischers,
Und nichts als Lästrung
Das ganze Fest!
Die Schäfer erheben sich wie ein Mann und bedrohen Apollo. Leukippos und Daphne kommen so nach dem Hintergrund

ERSTER SCHÄFER
Willst du uns höhnen?

DIE SCHÄFER
Recht so, Adrast!

ERSTER SCHÄFER
Fort mit der Waffe!

DIE SCHÄFER
Willst du uns drohn?

ZWEITER SCHÄFER
Fort mit dem frechen
Rinderhirten!
er droht Apollo mit seinem Stabe

ERSTER SCHÄFER
Bist du so weise,
So gib ein Zeichen!

Apollowird von den wilden Schäfern ganz auf die Bühnenseite gedrängt. Sie reissen ihm den Mantel weg. Vergebens suchen Peneios und Gaea sich Gehör zu verschaffen

DIE SCHÄFER
Ein Zeichen, ein Zeichen,
Im Namen des Gottes!

APOLLO
Ein Zeichen wollt ihr?
Ihr sollt es haben!
Den Gast beraubt ihr,
Der Schwindler entschlüpft euch!
Mag euch die Fremde beschützen!
Er schwingt seinen Bogen durch die Luft. Es donnert leise, aber vernehmlich. Die Schäfer stehen erstarrt

ZWEITER SCHÄFER
der ganz hinten geblieben ist, hell
Gewitter! Gewitter!

ERSTER SCHÄFER
Die Hürden offen!

DRITTER SCHÄFER
Die Böcke entspringen!

ERSTER SCHÄFER
Entlaufen am Ufer!

ERSTER, DRITTER UND VIERTER SCHÄFER
Treiben die Schafe!

ZWEITER SCHÄFER
Verdorben die Paarung!

ERSTE MAGD
Jetzt wirds gefährlich!

ZWEITE MAGD
Lass uns entlaufen!
beide ab. Das Drängen und Scharren der Herden erhebt sich nochmals, jetzt am stärksten. Donner

ALLE SCHÄFER
Sieh, es umgeben uns
Dunkle Dämonen!
Vater, rette!

PENEIOS
Fort denn, Männer!
Rettet, rettet!

GAEA
Fort, ihr Mägde!
Rettet, rettet!
Dritter stärkster Donner. Alles stiebt ungeordnet davon. Ungewisses gewittriges Dämmerlicht. Apollo, Daphne und Leukippos bleiben allein zurück

APOLLO
zornig
Zu dir nun, Knabe!
Der mit frechem Trug
Sich einschlich zum Fest
Meines göttlichen Bruders
Und rauben mir wollte
Die herrliche Daphne!

LEUKIPPOS
reisst sich selbst die Frauenkleider ab)
Ja, ich bekenne!
Ich bin Leukippos!
Der Trug ist getilgt,
Da ich bekenne!
Frei weiss ich mich
Von aller Schuld!
Aus männlicher Kraft
Werb ich um Daphne!
Verschmähe gerne
Die weichliche Maske
Und eitle Verhüllung!
Denn besser ging
Der Gott in mich ein,
Da mit Daphne ich trank
Sein gewaltiges Blut:
Dionysos! – – –
zu Daphne
In Dionysos Namen
Wend dich von jenem
Und diene dem Fest!
In Dionysos Namen:
Von neuem bring ich
Dir meine Liebe!
In Dionysos Namen
Folge mir, Geliebte,
Auf ewig vereint!

DAPHNE
verhüllt sich schmerzvoll
O doppelt getäuscht!
Getäuscht vom Gespielen,'
Getäuscht von ihm,
Der Bruder sich nannte!

APOLLO
zornig
Der Kinder Mund
Wirft Götternamen
Achtlos umher!
Und sehn nicht den Gott!

LEUKIPPOS
tritt stolz und offen vor Daphne
Nicht mehr von mir!
zu Apollo
Doch du, du selbst,
Der sich vermisst
Ihn zu verteidigen
Und uns zu schmähn:
Warum trägst du,
Du Eitler, Starker,
Noch eine Maske
Und Hirtenkleider ?
Vom Antlitz weg
Des Geheimnis' Maske !

APOLLO
in schwerem Kampf
Menschen – Menschen –
Wohin treibt ihr den Gott?

LEUKIPPOS
fasst Apollo an den Schultern
Herab mit dem falschen Hirtengewand!

APOLLO
Daphne – Geliebte,
Erzwing nicht Enthüllung!
Menschen – Menschen,
Ihr ertrügt sie nicht!

LEUKIPPOS
Miss dich mit mir,
Wenn du vermagst!

DAPHNE
gross und ehrlich, zugleich
So wahr du mir
Vom Lichte sprachst,
So wahr du genannt
Meine echte Liebe,
So wahr du mir
Erfüllung verhiessest,
Muss Wahrheit ich fordern!

APOLLO
Wahrheit wollt ihr?

DAPHNE
Reinige dich,
Falscher Bruder!

APOLLO
schlägt die Arme auf, in gewaltig rhapsodischem Ton
Wahrheit ? – –
Jeden heiligen Morgen
Schnür ich die Riemen,
Besteig den gewaltigen
Goldenen Wagen! –
Aufwärts geht es
Mit schlagenden Hufen!
Da lang ich ins Dunkel

er nimmt den Pfeil aus seinem Köcher
Einen Pfeil – so wie jetzt !
Erhebe den Bogen,
er spannt den Bogen
So scharf wie j etzt – –
Über der Berge eisige Spitzen,
Über die grünende Niederung,
Über das flammende Meer
Fliegt mein Geschoss!
hebt den Pfeil wieder ab
Freut euch, ihr Götter, freut euch!
Ihr Menschen und Wesen alle:
Die Sonne
Seht in mir

DAPHNE
in höchster Ergriffenheit
So rührst du mich
Als sängest du,
Was meine Liebe längst
Hintrug in alle Welt – –
Und doch fass ich dich nicht!

LEUKIPPOS
Ich aber fass ihn wohl:
Lügner, Lügner!

APOLLO
Bogen und Pfeil noch in den Händen
Was will das Menschlein?
Flieh, wenn du kannst!

DAPHNE
auf den Knien
Jetzt helft, Freunde,
Wahre Brüder!
Jetzt hilf, geliebtes
Heiliges Schimmern
Über den Wipfeln,
Über den Wassern!

APOLLO
Daphne, wen rufst du
Und siehst mich nicht,
Wahres Licht ?

LEUKIPPOS
muss vor dem Bogen weichen
So schütze mich, Daphne,
Du tanztest mit mir
Zu Ehren des Gottes!

DAPHNE
wie festgebannt
Ich kann ja nicht!
Er weiss mein Geheimnis,
Er kennt mein Herz –
Er selbst ist das Licht!

APOLLO
senkt den Bogen
So ahnst du mich endlich!
Folge dem Gott!

DAPHNE
wie erwachend, stark
Doch nie deinen Gluten!

LEUKIPPOS
Dank dir, Geliebte!
gross vor Apollo
Dir aber fluch ich!
Apollo hebt rasch den Bogen und schnellt ab. Blitz und Donnerschlag. Leukippos taumelt und fällt im Hintergrunde. Daphne bleibt erstarrt

DAPHNE
sich langsam aus der Starre lösend
Was blendet so?
War es die Sonne ?
Nein – es war nicht – die Sonne –
Es war der Blitz!
sie geht mit schwankenden Schritten nach dem Hintergrunde, erblickt den Daliegenden
Leukippos!
sie wirft sich über ihn

LEUKIPPOS
schwach
Daphne – Gespielin
Dich zu lieben wagt ich. –
Und ward erschlagen
Von einem Gotte – –
stirbt

DAPHNE
Unheilvolle Daphne! –
Weil ein Gott dich geliebt,
Musste er sterben!
O mein Leukippos!
Geliebter Gespiele!
Wieder erklingt mir
Die trauernde Flöte.
Doch jetzt erlausche ich
Nicht des Windes Spiele,
Jetzt weiss ich endlich,
Was du gelitten,
Jetzt sagt mir die Flöte
Dein ganzes Herz! ...
O mein Leukippos!
Schuldvoll bin ich,
Da ich dir nicht folgte!
Aus kindischen Spielen
Dich leiden liess
Und klagen die Flöte...
Schuldvoller noch,
Da zu ihm ich mich wandte,
Dem Herrn der Blitze,
Statt ihn anzuflehn,
Dass er uns verlasse,
Die schwachen Menschen,
Und gnädig folge
Den himmlischen Wegen
Der ewigen Götter.
Aber am schuldvollsten,
Da ich dich nicht schützte,
Mich ihm nicht darbot
Zu seinem Willen
Und meiner Vernichtung.
Dich nicht errettet
Mit meiner Keuschheit
Geliebter Gespiele!
So höre, mein Leukippos:
Alles, was jemals ich liebte,
Will ich dir opfern,
Alle die Spiele,
Mein kindliches Glück!
In meiner Hand
Bring ich die Quelle,
Die Stirn dir zu netzen,
Die arme, bleiche!
Die gaukelnden Falter
Ich ruf sie herbei,
Um dich zu schmücken
Mit ihrer Pracht!
Und all die Blumen,
Die je ich geliebt,
Bring ich auf vollen,
Schwellenden Händen,
Breite sie aus
Um dich, Geliebter,
Zu deiner Feier
Und Totenfest! –
Ich aber, armselige Daphne,
Will still mich kauer
Zu deinen Füssen
In grosser Trauer,
In tiefer Demut –
Und warten ... warten,
Bis sie mich rufen
Die stolzen Herren
Die dich getötet –
Und mich geliebt!
sie sinkt ganz in sich

APOLLO
in ihre Betrachtung versunken
Was erblicke ich?
Himmlische Schönheit !
Was höre ich ?
Welch ein Gesang ?
Sind wir noch Götter ?
Oder längst schon beschattet
Von menschlichen Herzen
Oder längst schon ausgelöscht
Von solcher Reinheit?
Götter! Brüder
Im hohen Olympos!
Seht den schuldvollen
Elenden Bruder
Getötet hab ich
Mehr als den Armen,
Getötet hab ich
Die unschuldvollste,
Die lichteste Reinheit!
Bruder Dionysos,
Du bliebst unsichtbar
Bei deinem Feste;
Denn ich, ich selber
Zierte mich fälschlich
Mit deiner Kraft!
Kannst du verzeihen,
Dass ich den jünger
Dir getötet habe,
Der dein erfüllt war?
Nimm ihn zu dir
In deine Kreise,
Erfreu sein Flötenspiel
Göttliche Tänze!
Du aber, stärkster
Erhabener Vater,
Zeus Kronion!
Kannst du verzeihen,
Dass ich mich mengte
In dein innerstes Walten
Erhabner Natur,
Statt darüber zu schweben
In meiner Sphäre?
kniend, ganz gross
Gib sie mir wieder,
Die ich geliebt
Und tief beleidigt,
Die schuldlose Daphne!
Doch nicht als Mensch mehr,
Wie ich sie suchte
In meiner Verblendungl
Erfüll ihren Traum,
Erfüll ihre Liebe!
Unverwelklich
Ewig grünend
Lass sie aufblühn
Im Kreis ihrer Freunde,
Der Blütenbäume,
Zu unsern Höhn!
So schenke mir
Den Baum Daphne –
Den göttlichen Lorbeer –
Und ich will ihn setzen
In höchster Ehre!
Er erhebt sich beschwörend. Es wird nach und nach dunkel

Priesterlich diene,
Verwandelte Daphne,
Dem ewigen Bruder
Phoibos Apollon!
Der von je dich geliebt
Und in Ewigkeit!
So löst er von dir,
Schwester, das Reis,
Das ewig grünende,
Windet den Kranz!
Die hart um dich streiten,
Der Männer beste –
Du berührst sie
Nur an den Stirnen,
Die Jünger des Gottes,
Die besten im Streite
Und edlen im Frieden!

Apollo verschwindet. Es ist ganz dunkel geworden. Daphne rafft sich auf und eilt in den Hintergrund. Plötzlich bleibt sie festgebannt

DAPHNE
Ich komme – ich komme –
Grünende Brüder… ,
Süss durchströmt mich
Der Erde Saft!
Dir entgegen –
In Blättern und Zweigen –
Keuschestes Licht !
Daphne unsichtbar, an ihrer Stelle erhebt sich der Baum

STIMME DER DAPHNE
Apollo! Bruder!
Nimm… mein ... Gezweige .
Wind. ... Wind.
Spiele mit mir!
Selige Vögel,
Wohnet in mir ...
Menschen ... Freunde ...
Nehmt mich ... als Zeichen
Unsterblicher Liebe ...

Mondlicht hat sich über den ganzen Baum gebreitet. Daphnes Stimme tönt aus seinem Geäst weiter

Der Vorhang fällt langsam