Der Männer Sippe sass hier im Saal

Die Walküre von Richard Wagner


SIEGLINDE
Eine Waffe lass mich dir weisen: o wenn du sie gewännst!
Den hehrsten Helden dürft' ich dich heissen:
dem Stärksten allein ward sie bestimmt.
O merke wohl, was ich dir melde!

Der Männer Sippe sass hier im Saal,
von Hunding zur Hochzeit geladen:
er freite ein Weib,
das ungefragt Schächer ihm schenkten zur Frau.
Traurig sass ich, während sie tranken;
ein Fremder trat da herein:
ein Greis in blauem Gewand;
tief hing ihm der Hut,
der deckt' ihm der Augen eines;
doch des andren Strahl, Angst schuf es allen,
traf die Männer sein mächtiges Dräu'n:
mir allein weckte das Auge
süss sehnenden Harm,
Tränen und Trost zugleich.
Auf mich blickt' er und blitzte auf jene,
als ein Schwert in Händen er schwang;
das stiess er nun in der Esche Stamm,
bis zum Heft haftet' es drin:
dem sollte der Stahl geziemen,
der aus dem Stamm es zög'.
Der Männer alle, so kühn sie sich mühten,
die Wehr sich keiner gewann;
Gäste kamen und Gäste gingen,
die stärksten zogen am Stahl -
keinen Zoll entwich er dem Stamm:
dort haftet schweigend das Schwert. -
Da wusst' ich, wer der war,
der mich Gramvolle gegrüsst; ich weiss auch,
wem allein im Stamm das Schwert er bestimmt.
O fänd' ich ihn hier und heut', den Freund;
käm' er aus Fremden zur ärmsten Frau.
Was je ich gelitten in grimmigem Leid,
was je mich geschmerzt in Schande und Schmach, -
süsseste Rache sühnte dann alles!
Erjagt hätt' ich, was je ich verlor,
was je ich beweint, wär' mir gewonnen,
fänd' ich den heiligen Freund,
umfing' den Helden mein Arm!

HISTORISCHE INTERPRETATIONEN

Melanie Kurt, 1911
Lilly Hafgren, 1921