Einsam in trüben Tagen

Lohengrin from Richard Wagner


DEUTSCH

ELSA
in ruhiger Verklärung vor sich hinblickend
Einsam in trüben Tagen
hab' ich zu Gott gefleht,
des Herzens tiefstes Klagen
ergoss ich im Gebet.
Da drang aus meinem Stöhnen
ein Laut so klagevoll,
der zu gewalt'gem Tönen
weit in die Lüfte schwoll:
Ich hört' ihn fernhin hallen,
bis kaum mein Ohr er traf;
mein Aug' ist zugefallen,
ich sank in süssen Schlaf.

ALLE MÄNNER
Wie sonderbar! Träumt sie? Ist sie entrückt?

KÖNIG HEINRICH
als wolle er Elsa aus dem Traume wecken
Elsa, verteid'ge dich vor dem Gericht!

Elsas Mienen gehen von dem Ausdruck träumerischen Entrücktseins zu dem schwärmerischer Verklärung über

ELSA
In Lichter Waffen Scheine
ein Ritter nahte da,
so tugendlicher Reine
ich keinen noch ersah:
Ein golden Horn zur Hüften,
gelehnet auf sein Schwert -
so trat er aus den Lüften
zu mir, der Recke wert;
mit züchtigem Gebaren
gab Tröstung er mir ein;
des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!

ALLE MÄNNER
Bewahre uns des Himmels Huld,
dass klar wir sehen, wer hier schuld!

KÖNIG HEINRICH
Friedrich, du ehrenwerter Mann,
bedenke wohl, wen klagst du an?

FRIEDRICH
Mich irret nicht ihr träumerischer Mut;
ihr hört, sie schwärmt von einem Buhlen!
Wess' ich sie zeih', dess' hab' ich sichren Grund.
Glaubwürdig ward ihr Frevel mir bezeugt;
doch eurem Zweifel durch ein Zeugnis wehren,
das stünde wahrlich übel meinem Stolz!
Hier steh' ich, hier mein Schwert! Wer wagt von euch,
zu streiten wider meiner Ehre Preis!

DIE BRABANTER
Keiner von uns! Wir streiten nur für dich!

FRIEDRICH
Und, König, du! Gedenkst du meiner Dienste,
wie ich im Kampf den wilden Dänen schlug?

KÖNIG HEINRICH
Wie schlimm, liess' ich von dir daran mich mahnen!
Gern geb' ich dir der höchsten Tugend Preis;
in keiner andern Hut, als in der deinen,
möcht' ich die Lande wissen. Gott allein
soll jetzt in dieser Sache noch entscheiden!

ALLE MÄNNER
Zum Gottesgericht!
Zum Gottesgericht!
Wohlan!

KÖNIG HEINRICH
Dich frag' ich, Friedrich, Graf von Telramund!
Willst du durch Kampf auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht vertreten deine Klage?

FRIEDRICH
Ja!

KÖNIG HEINRICH
Und dich nun frag' ich, Elsa von Brabant!
Willst du, dass hier auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht ein Kämpe für dich streite?

ELSA
ohne die Augen aufzuschlagen
Ja!

KÖNIG HEINRICH
Wen wählest du zum Streiter?

FRIEDRICH
Vernehmet jetzt
den Namen ihres Buhlen!

DIE BRABANTER
Merket auf!

ELSA
hat Stellung und schwärmerische Miene nicht verlassen; alles blickt mit Gespanntheit auf sie
Des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!
ohne sich umzublicken
Hört, was dem Gottgesandten
ich biete für Gewähr:
In meines Vaters Landen
die Krone trage er;
mich glücklich soll ich preisen,
nimmt er mein Gut dahin -
will er Gemahl mich heissen,
geb' ich ihm, was ich bin!