Essen, singen, Bäume lieben

Christian Berzins, NZZ am Sonntag (02.04.2017)

Tannhäuser, 25.03.2017, Bern

Was darf es denn sein, Rindsschmorbraten mit Pilzen oder Grünkernbrätlinge mit Kräutersugo? Keine Angst, Opernfreund, das hier ist durchaus eine Opernkritik. Aber einmal mehr meint ein Theater, dass der Gast es nicht schafft, vier Stunden lang nichts zu essen – und so wird aus dem Stadttheater Bern für Wagners «Tannhäuser» eine Imbissbude, und jede der zwei Pausen verlängert sich unnötig. Das wäre zu ertragen, würde zur Ouvertüre, die von Kevin John Edusei fein ausgehorcht wird, nicht auch noch das Scheppern der Tellerwagen in den Saal dringen. Das Staunen über Edusei und sein Orchester setzt sich fort bei den famosen Sängern, die bestens miteinander harmonieren: Daniel Frank ist ein überlegener, lyrischer Titelheld. Jordan Shanahan (Wolfram) steht ihm dank seinem prächtig, geschmeidig tenoralem Bariton in nichts nach. Eindrücklich sind die Kraftreserven von Claude Eichenberger (Venus), packend die Klarheit des Soprans von Liene Kinca (Elisabeth). Mit Calixto Bieito hat Bern hingegen einen «Tannhäuser»-Regisseur verpflichtet, der ab Fliessband liefert, was ihn berühmt gemacht hat: Blut, Sex und Gewalt. Erstaunlich, dass zu Beginn auf dem Venusberg noch Sinnlichkeit vorherrscht. Doch nach einigen Jahren bei der dort lebenden, auch Bäume liebenden Frau Venus will Tannhäuser zurück zu seinen alten Gesangskumpanen. Die scheinen vor kurzem noch auf den Bäumen gehaust zu haben und singen zu seinem Verdruss auch immer noch die Leier von der Liebe als geistigem Ideal. Seine alte Liebe Elisabeth, er könnte die vermeintlich «Heilige» sofort haben, interessiert ihn nicht wirklich. Wohin das führt? Bestimmt nicht zur Erlösung von Tannhäuser – aber auch nicht zu jener der Opernfreunde. Diese geistige Nahrung macht nicht satt. In der Wartburg-Schenke im 3. Rang hätte es leiblichen Ersatz gegeben.